Gorleben-Chronik
2017
Gorleben Chronik 2017
40 Jahre Standortbenennung – 40 Jahre Protest
Zum traditionellen Neujahrsempfang am 1. Januar an den Gorlebener Atomanlagen kommen 80 Menschen. Diesmal sind auch Gäste aus dem französischen Ort Bure zu Besuch, wo das französische Endlager geplant ist.
Was, wenn es die Formel gäbe, die Welt zu retten? Die „ökologische Filmreihe“ von BI und Platenlaase startet am 3. Januar mit dem Film „Tomorrow“.
Am 15. Februar kündigt das Bundesumweltministerium an, die Veränderungssperre für den Salzstock Gorleben zu verlängern. Umweltschützer im Wendland sind empört, denn damit bleibt der Standort für ein Endlager unverändert im Rennen.
40 Jahre Standortbenennung
Am 18. Februar rollen 120 Traktoren zu den Atomanlagen in Gorleben. Anlass ist der 40. Jahrestag der Benennung Gorlebens als „Nuklearer Entsorgungszentrum“ (NEZ) durch den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Auf der Bühne stehen drei Generationen des Widerstands. Mehr als 400 Menschen zeigen, „dass der Widerstand nach mehr als 40 Jahren immer noch lebendig ist“.
„Es musste so sein“, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, „denn wir müssen ab und zu auch belegen, dass der Widerstand gegen die Atomkraft und Gorleben nicht eingeschlafen ist.“
Das Gorleben-Archiv eröffnet im Februar eine Ausstellung im Lüchower Kreishaus zusammen mit der BI Südheide, die Dokumente und Bilder aus dem Kampf dieser Gruppe zeigt. Nachdem Gorleben als Standort benannt wurde, unterstützten die Südheidler den Widerstand in Gorleben.
Und am 22.2., dem genauen Datum der Standortbenennung, fand im Gasthaus Sültemeyer eine Podiumsdiskussion statt. „Wo wird der Atommüll in 40 Jahren sein ?“, lautet das Thema und angesichts der nicht gelösten Probleme konnte keiner die Antwort geben.
März
„Stop Castor“, das fordern diese Mal mehrere hundert Menschen in Heilbronn am 4.3. um den Transport von Castorbehältern in das Zwischenlager Neckarwestheim zu verhindern.
Am 11.3. verlegt die Mahnwache Dannenberg ihr Treffen nach Gorleben. „ 6 Jahre Fukushima und 40 Jahre Gorleben : lügen, pfuschen und vertuschen sind genug“- Mehr als 200 Menschen beteiligen sich an der Demonstration.
40 Jahre Standortbenennung heißt auch 40 Jahre BI. So feiert die BI ihren Gründungstag vom 2.3.1977 am 25.3. in den Trebeler Bauernstuben. Reden, Theater und Musik begleiten das Programm und viele ergraute Kämpfer auch von auswärts geben sich ein Stelldichein.
Und schon wieder ein Prozess gegen polizeiliches Handeln vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen… Das Verhalten der Polizei beim Harlinger Kessel beim Castortransport 2011 wird am 28.3. für rechtswidrig erklärt und den Klägern stehen Entschädigungen zu.
April
..-und schon wieder werden rostige Fässer am 1.April im Fasslager entdeckt. Eine endlose Geschichte…
Juni
… und wieder kommen Tausende zum Gorlebentag im Rahmen der kulturellen Landpartie und lassen sich informieren, hören Musik, essen und trinken am 5.6. an den Nuklearanlagen.
In Tihange / Belgien versammeln sich am 25.6. 50.000 Menschen und bilden eine Menschenkette um gegen die belgischen Schrottreaktoren zu demonstrieren. Schon vorher war in Aachen 2000 Menschen auf die Straße gegangen und der ehemalige Bundesligaverein Alemannia Aachen unterstützte die Aktion mit den Einnahmen aus eine Fußballspiel mit 30.000 Zuschauern.
August
Seit 1. August ist alles neu! Angeblich. Der Betreiber der beiden Zwischenlager und der Pilotkonditionierungsanlage Gorleben ist nicht mehr die privatwirtschaftliche Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), sondern der Bund.
Vom 8.8 bis 16.8 findet wieder das Sommercamp der BI in Gedelitz statt.
September
Am 5.9. startet die BGE ein angeblich neues Suchverfahren nach einem Endlager. Die BI sieht dieses Ereignis als Presseschau und lehnt eine Teilnahme ab, nicht einmal protestiert wird dort, da sonst der „Neustart“ aufgewertet werde.
Am 12.9. fordern 500 Menschen in Lingen die Schließung der Atomfabriken in Lingen nud Gronau, das Verbot des Uranexports und das sofortige Abschalten aller Atomkraftwerke.
Oktober
Am 5.10. haben sich Aktivisten an der Zugstrecke Münster – Gronau auf den Gleisen festgekettet. Sie blockierten einen Transport von Uranhexafluorid 15 Stunden lang und konnten erst am folgenden Tag aus dem Gleisbett herausgebuddelt werden.
Vier Schwimmer protestierten am 11.10. mit einem Plakat versehen im Neckar gegen den Castortransport nach Neckarwestheim.
Atomkraftgegner schlagen am 31.10. Thesen gegen die weitere Nutzung der Atomenergie an der Tür des Landtags an, in Anspielung an die Aktion Martin Luthers. „ Was sind schon 500 Jahre, wenn es um Atommüll geht..“
November
Zur Weltklimakonferenz in Bonn finden am 12.11. verschiedene Demonstrationen statt. Ein Motto dabei: „Don’t Nuke the Climate“.
Am 23.11. findet in Dannenberg die 350. Mahnwache in Erinnerung an Fukushima statt – der Widerstand begeht ein weiteres Jubiläum.
Dezember
Am 19.12. fand die letzte Befahrung des Endlagerbergwerks statt. Es soll nur noch „offen“ gehalten werden, was aber auch heißt, dass es nicht aus dem Katalog der möglichen Endlager verschwunden ist.
1970 – 1980 – 1990 – 2000 – 2010 – 2016 – zur Übersicht – 2018
Die ganze Geschichte:
…und davor – Die Anfänge bis 1972
Die Anfänge: Erste Überlegungen, Atommüll in Salz zu lagern – statt ihn in der Tiefsee zu versenken. Gasexplosion im Salzstock Gorleben-Rambow.

1973 – Zwei AKW für das Wendland
1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.
1974 – Erste Standortsuche ohne Gorleben
Die Standortsuche für ein Atommülllager beginnt. Das Credo: So lange die Anlage genug Platz hatte und niemanden störte, war alles gut.

1975 – Großer Waldbrand bei Trebel
Im August 1975 bricht bei Trebel ein großer Waldbrand aus. Die Bundesregierung geht bei der Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) davon aus, dass mehrere Salzstöcke parallel untersucht werden müssten. Gorleben gehört nicht dazu.

1976 – Der Standort „Gorleben“ taucht auf
(…) In einer zweiten Version der TÜV-Studie wurde handschriftlich der Standort Gorleben ergänzt und als am besten geeignet befunden. (…)

1977 – Das Jahr der Standortbenennung
Nach der Benennung Gorlebens als Standort für ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ finden erste Großdemonstrationen statt.

1978 – Ein Koffer voll Geld
Innerhalb von 5 Tagen sammeln Gorleben-Gegner*innen 800.000 DM, um der DWK beim Kauf weiterer Grundstücke über dem Salzstock Gorleben zuvor zukommen.

1979 – Treck nach Hannover – WAA „nicht durchsetzbar“
Im März 1979 findet der legendäre „Treck nach Hannover“ statt. Nach einer Großdemonstration in der Landeshauptstadt verkündet der Ministerpräsident das Aus für die WAA-Pläne in Gorleben.

1980 – „Republik Freies Wendland“
Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der „Republik Freies Wendland“. Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.

1981 – Die Zweifel in Gorleben werden größer, nicht kleiner
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.

1982 – „Tanz auf dem Vulkan“
Der Zwischenlagerbau beginnt, Tanz auf dem Vulkan und plötzlich ist das Wendland mit Dragahn wieder als ein WAA-Standort im Gespräch.

1983 – Dragahn: Eine WAA wird verhindert
Proteste gegen die Pläne, in Dragahn eine WAA zu errichten. „Gorleben statt Kreta“ und Demos im Grenzgebiet zwischen der DDR und BRD. Das Bundeskabinett unter Helmut Kohl stimmt der „untertägigen Erkundung“ des Salzstocks Gorleben zu.

1984 – Menschenkette und Tag X
„Das Vertrauen hat sehr gelitten“: Menschenkette und Wendland-Blockade gegen die WAA-Pläne. Unter erheblichem Protest erreicht ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben.
1985 – „Spudok“-Affäre und Kreuzweg
Der erste Kreuzweg führt vom AKW Krümmel nach Gorleben. Nach Anschlägen auf die Bahn werden die Daten von tausenden Gorleben-Gegner*innen von der Polizei gespeichert – und damit eine ganze Szene pauschal kriminalisiert.
1986 – Tschernobyl
Heftige Auseinandersetzungen um den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und die Inbetriebnahme des AKW Brokdorf. Nach dem GAU von Tschernobyl protestieren zehntausende Menschen gegen die Atomenergie.
1987 – 10 Jahre Gorleben
„Transnuklearskandal“ betrifft auch Atommüll im Zwischenlager Gorleben. Schwerer Unfall in Schacht 1.
1988 – „Wir stellen uns quer!“
Kreuzweg der Schöpfung führt von Wackersdorf nach Gorleben, Schmiergeldskandal, „Wir stellen uns quer“ – Proteste gegen den ersten Probecastor ins Zwischenlager.
1989 – Castor-Alarm im Wendland
Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.
1990 – PKA-Bauplatz- und Turmbesetzung
„Ein Hauch der Freien Republik Wendland wehte durch den Gorlebener Tann…“, als auf dem Bauplatz der PKA Hütten errichtet werden. Aktivist*innen besetzen im Sommer den Förderturm in Gorleben, zum Jahresende Baustopp und SPD-Versprechen.
1991 – Mol-Skandal & Baustopp
Anlieferung von Mol-Container, PKA-Bauplatzbesetzung, erneuter „Castor-Alarm“ und nächster Baustopp im Erkundungsbergwerk.
1992 – Viel Geld für den Landkreis
Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
1993 – CASTOR-HALLE-LUJA und Endlagerhearing
Sitzblockaden gegen Atommüll-Lieferungen, „Wege aus der Gorleben-Salzstock-Sackgasse“, Energiekonsens-Gespräche und hohes Bussgeld gegen Turmbesetzer*innen.
1994 – Pleiten, Pech und Pannen: „Castornix“
Widerstandscamp „Castornix“ und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.

1995 – Tag X, Backpulver & Stay rude-stay rebel
Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion „ausrangiert“ will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
1996 – „Wir stellen uns quer!“
10 Jahre nach Tschernobyl, „Wir stellen uns quer!“ gegen den zweiten Castor nach Gorleben.

1997 – Stunkparade gegen Sixpack
Gewaltsame Räumung für den dritten Castor, Griefahn knickt ein & mehr Geld von der BLG.
1998 – Castor-Skandal und TagX4 in Ahaus
Einwendungen gegen die PKA, Castortransport nach Ahaus, Transportestopp nach verstrahlten Behältern, Einstieg in den Atomausstieg und Moratorium im Salzstock.