GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 1989

Castor-Alarm im Wendland

Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster hochradioaktiver Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.

Januar

Herausgegeben vom Umweltzentrum Münster erscheint die erste Ausgabe der Zeitung "anti-atom-aktuell". Redaktion und Herausgeber:innenkreis wechseln später mehrfach.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

23.01.1989

Anfang Januar beginnen die Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Arbeiten an den Endlager-Schächten. 20 Monate nach dem durch den Schachtunfall 1987 verordneten Baustopp wird am 23. Januar die Abteufung von Gorleben Schacht 1 weitergeführt.

25.01.1989

"East meets West": Hochrangige Vertreter:innen von KPdSU und Grünen sowie einige Leute aus der Anti-AKW-Bewegung und atomkritische Wissenschaftler:innen streiten sich zwischen dem 25. und 29. Januar bei einem Seminar im Wendland über die Atomenergie.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Februar

22.02.1989

Am Lüchower Gymnasium kommt es zu einem 3 stündigen Streik, weil die Bezirksregierung einen Informationstag zur Atomenergie verboten hat.

Castor-Alarm im Wendland

26.02.1989

"Zwischen Hamburg Hauptbahnhof und Dannenberg-Ost wird ein neues Kapitel Bahngeschichte geschrieben": Am 26. Februar kommen 200 Demonstrant:innen aus Hamburg mit einem "Anti-Castor-Sonderzug" nach Dannenberg. Mehrmals werden Notbremsen gezogen. Wendländische AKW-Gegner:innen betreiten einen spektakulären Empfang. In Bussen fahren die Aktivist:innen in Strahlenschutzanzügen weiter nach Gorleben. Mit dem "Eilzug Wildsau" wird mit Transparenten gegen die zu erwartenden Atommülltransporte auf der Strecke bis nach Dannenberg demonstriert.

28.02.1989

Am 28. Februar stoppt das Verwaltungsgericht Lüneburg wenige Stunden vor Abfahrt eines Castor-Transports aus dem Atomkraftwerk Stade die geplante Einlagerung im Zwischenlager Gorleben. Erfolgreich wird der "Sofortvollzug" angefochten. Die Beschwerde des Zwischenlager-Betreibers DWK/BLG wird vom Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der mit einem Castor beladene Straßen-Schwertransporter wird nach Karlsruhe zur dortigen Forschungs-Wiederaufarbeitungsanlage WAK gebracht.

März

15.03.1989

Am 15. März findet der "Projekttag Kernenergie" im Lüchower Gymnasium statt.

April

Das AUS für die WAA Wackersdorf

03.04.1989

Am 3. April unterzeichnet der Energiekonzern VEBA als wichtigster Anteilseigner der zukünftigen Betreibergesellschaft einen Kooperationsvertrag mit der französischen Cogema, der Betreiberfirma der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Die VEBA bezeichnet die WAA-Wackersdorf als "zu langwierig, zu teuer" und sah "die Chance, die heißgelaufene Diskussion über die Kernenergie in der Bundesrepublik zu entlasten".

Mai

04.05.1989

"Tausche Wackersdorf gegen Cap de la Hague - biete Gorleben", zu einem "Polit-Picknick" treffen sich am 4. Mai rund 150 Atomkraftgegner*innen auf dem Waldgelände der zukünftigen Pilotkonditionierungsanlage. An rund 200 Bäumen werden rote Karten mit der persönlichen Ankündigung hinterlassen, ihn gegen das Abholzen in Schutz zu nehmen.

06.05.1989

"Wenn wir uns bei einem "Castor" querstellen, werden wir einen "Pollux" ebensowenig passieren lassen", prophezeit die BI am 6. Mai. Dr. Kloss vom Kernforschungszentrum Karlsruhe hatte bei einem Besuch der Besuch der Gorleben-Kommission in Celle über den Entwicklungsstand des "Pollux"-Endlagerbehälters berichtet. Drei Jahre lang sollen in der Asse-2 "thermische Versuche" stattfinden.Man vermisse "jegliche wissenschaftliche Seriosität", kritisiert die BI. Die vorgesehene Versuchsdauer sei viel zu kurz, die Wirkung der Radiolyse, explosionsartige Reaktionen im Steinsalz oder der Absturz eines Pollux im Schacht wurden nicht angesprochen.

Abteufarbeiten in Gorleben Schacht 2 beginnen

18.05.1989

Am 18. Mai genehmigt das Bergamt Celle den Sonderbetriebsplan für das Außenausbausystem bis zur Basis Quartär, in etwa 170m Tiefe, im Salzstock Gorleben. Die Abteufarbeiten in Schacht 2 werden daraufhin wieder aufgenommen.

22.05.1989

Der energiepolitische Sprecher der Union, Ludwig Gerstein, hält es am 22. Mai für möglich, daß mit einem Ausstieg aus dem Wiederaufarbeitungsprojekt für atomare Brennstoffe in Wackersdorf auch die Endlagerung bundesdeutschen Atommülls komplett ins Ausland verlagert wird. "Durch die Aufgabe von Wackersdorf werden Fakten geschaffen, die alle Bestandteile des integrierten Entsorgungskonzepts in Frage stellen, auch die möglichen Endlager Gorleben und Schacht Konrad in Niedersachsen."

27.05.1989

Zwei Tage vor der öffentlichen Auslegung der Pläne für das Atommüllendlager Schacht Konrad veranstalten Bürgerinitiativen aus dem ganzen Bundesgebiet eine Protest-Sternfahrt zu der ehemaligen Eisenerzgrube bei Salzgitter. An der Kundgebung nehmen 2000 Menschen, u.a. aus dem Wendland, teil.
Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

31.05.1989

Am 31. Mai wird der Bau der bis dahin ca. 3 Milliarden DM teure WAA Wackersdorf eingestellt.

Juni

06.06.1989

Am 6. Juni unterzeichnen Deutschland (Umweltminister Klaus Töpfer) und Frankreich (Industrieminister Roger Faroux) die Verträge für die Aufarbeitung deutscher Kernbrennstoffe in Frankreich. Mit dem Aus der WAA kommt seit dem Frühjahr die "Direkte Endlagerung" für alle Brennelemente wieder stärker in die Diskussion.

Juli

Gorlebener Gebet startet


An jedem Sonntag um 14 Uhr werden sich ab Juli an den "Gorleben-Kreuzen" in der Nähe des Endlager-Erkundungsbergwerks Menschen zum gemeinsamen Gebet treffen.

Die Gebetsandachten stehen in der Tradition der Gottesdienste, die seit Pfingsten 1983 zunächst in Dragahn, später in Gorleben zu besonderen Anlässen stattgefunden haben. Die neue Initiative geht zurück auf die "Kreuzwege" und sieht sich als Teil des "Ökumenischen Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung", dessen Themen auch die Inhalte der Andachten bestimmen werden.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung vom 01.06.1989

01.07.1989

Am 1. und 2. Juli findet in Gorleben unter dem Motto "Tag und Nacht gegen die PKA" bei Dauerregen ein Aktionswochenende statt. Etwa 200 Atomkraftgegner*innen beratschlagen auf dem Gelände der geplanten „Pilotkonditionierungsanlage“ (PKA), wie sie künftig gegen die Atomfabrik vorgehen wollen.
Quelle: https://taz.de/Anti-AKW-Ratschlag-in-Gorleben/!1807045/

August

23.08.1989

Wieder zu Übungszwecken erreichen von der Öffentlichkeit fast unbemerkt fünf weitere leere Castor-Behälter am 23. August das Zwischenlager Gorleben.

30.08.1989

Erfüllt hat sich die Erwartung, daß die Andachten gekennzeichnet sind durch besondere geistliche Lebendigkeit, inhaltliche Vielseitigkeit und abwechslungsreiche Form, resümmieren die Aktivist:innen vom Gorlebener Gebet. Am vergangenen Sonntag kamen aber auch in strömendem Regen mehr als zwei Dutzend Menschen zur Andacht. Herbst und Winter werden nun erweisen, ob das Gebet an diesem Platz tatsächlich vom Wetter unabhängig ist.
Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung, 30.08.1989

September

17.09.1989

Zweite Runde des Ost-West-Seminars über Atomenergie. die KPdSU hat zwischen dem 17. und 24. September Vertreter:innen von Grünen und Anti-AKW-Bewegung nach Moskau eingeladen. Die Gastgeber haben mehr als dreißig hochrangige Wissenschaftler:innen ausgeboten, die für die Atomkraft sprechen. In der Sache gibt es keine Annäherung der Positionen, dafür in der BRD-Delegation heftigen Krach um das "richtige" Auftreten.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

Oktober

03.10.1989

AKW-Gegner:innen besetzen das Dach des Lüneburger Bahnhofs. Sie verlangen, dass alle Atomtransporte durch die Stadt vorher bekanntgegeben werden.
Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag

07.10.1989

Ein weiteres Widerstandswochenende findet am 7./8. Oktober unter dem Motto "Gegen die Europäisierung der Atomwirtschaft" in Gorleben statt. In dem Zusammenhang wird auf dem Grundstück des Grafen von Bernstorff eine Schutzhütte errichtet.

25.10.1989

Ein LKW mit schwachaktiven Abfällen wird in Rondel (Kreuzung 493, zwischen Trebel und Gartow) blockiert.

November

09.11.1989

Mit dem Fall der Berliner Mauer und der Grenzöffnung am 9. November gehört ein wichtiges Argument für die Standortentscheidung Gorlebens der Geschichte an: Die Lage im sogenannten Zonenrandgebiet.

15.11.1989

Am 15. November wird das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit Sitz in Salzgitter gegründet. Die Atommüll-Entsorgungsaufgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt PTB gehen in die Zustänsigkeit des BfS über.

Dezember

Mitte Dezember

Mitte Dezember ist in Schacht Gorleben 1 nach der Durchteufung des Hutgesteins (Gips) in einer Teufe von rund 256 Meter das Salz angefahren worden.

18.12.1989

Am 18. Dezember stimmt der Gorlebener Gemeinderat mit fünf gegen drei Stimmen für den Bau der Pilot-Konditionierungsanlage.

Die ganze Geschichte: