GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 2023

Das verspätete Abschaltjahr

Doch kein Atomausstieg zum 31.12.2022 - drei Atomkraftwerke laufen über das Jahr hinaus. Der Protest geht weiter.

Januar

01.01.2023

Am Neujahrstag lädt die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) zu ihrem traditionellen "Neujahrsempfang" ein, um 14 Uhr an dem Greenpeace-Schiff Beluga. Dutzende Atomkraftgegner:innen kommen und protestierten gemeinsam für den Atomausstieg.
"Wir waren davon ausgegangen, auf das Ende der Atomkraft anstoßen zu können, das ist nun – nach der Laufzeitverlängerung der letzten drei Atommeiler bis zum 15. April – auf das Wochenende nach Ostern verschoben", so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

04.01.2023

Mit Edelgart Gräfer stirbt am 4. Januar eine klare Frau, die niemandem nach dem Munde redete, mit dem Herz am richtigen Fleck und tollen Ideen. Sie hatte ihren Platz im BI Büro und war Anfang der 90er Jahre in einer Doppelspitze zusammen mit Rosi Schoppe auch BI-Vorsitzende. Edelgard engagierte sich bei den Gorleben-Frauen, fuhr kreuz und quer durch die Republik an AKW-Standorte und prangerte die Firmenpolitik von Siemens und Co. an. Damit Ältere, die nicht auf der Straße oder Schiene hocken wollten oder konnten, wurden Stühle besorgt und sie lud an der Castorverladestation in Dannenberg ein zur „Stuhlprobe“. Edelgard hatte auch den Sonntagsspaziergang in Gorleben mit ins Leben gerufen. Das Aus des Endlagerbergwerks hat sie noch erlebt.

März

01.03.2023

Zur Eröffnung von "Lesen ohne Atomstrom" in Hamburg präsentierte am 1. März ein halbes Dutzend Bühnenstars Dürrenmatts Theaterklassiker "Die Physiker" im Theater "Schmidtchen" auf der Reeperbahn. Die Schlussveranstaltung mit Lesebeiträgen der Autor:innen von "AUS!" fand am 10. März im "Centralkomitee". Am Festival-Buch "Aus!" hat u.a. Kerstin Rudek, die ehemalige BI-Vorsitzende, als Beraterin mitgewirkt. Einen wesentlichen Beitrag in dem siebenköpfigen Schreibkollektiv hat der BI-Sprecher Wolfgang Ehmke beigesteuert.

11.03.2023

Die Unionsparteien wollen sich nicht mit der Laufzeitenverlängerung für die drei letzten Atomkraftwerke zufriedengeben, die der Bundestag am 11. November beschloss und am 15. April endet. In einem vom 14. März datierten "Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung bezahlbarer Stromversorgung" wiederholen sie ihre bereits im November erhobene Forderung, die Laufzeiten bis zum 31. Dezember 2024 zu verlängern.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

April

15.04.2023

Endlich gehen die letzten drei AKWs in Deutschland für immer vom Netz. In München, Lingen und Neckarwestheim finden "Abschaltfeste" statt. In Lingen wird allerdings daran erinnert, dass die Brennelementefabrik zeitlich unbegrenzt weiterbetrieben werden darf.

16.04.2023

Fast 200 Menschen feiern am ersten Tag ohne Atomstrom in Gorleben an den Atomanlagen das Aus der Atomkraft in Deutschland. Im Anschluss wurde, wie jeden Sonntag, das ehemalige Endlagerbergwerk umrundet. Dabei bleibt es, bis zum Rückbau der Anlage.

August

15.08.2023

Aller Atommüll soll nach Niedersachsen: Bayerischer Landrat plädiert für ein einziges Zwischenlager – Gorleben eigne sich dafür am besten. Ein einziges Zwischenlager sei viel leichter zu überwachen und zu schützen als 16 über ganz Deutschland verteilte Anlagen. Hauptargument aus Bayern: die PKA, eine mal als Reparaturwerkstatt für defekte Castoren gedachte Anlage, die aber nie in Betrieb ging und nun abgerissen werden soll.

"Wenn die Behälter unsicher sind, dürfen sie gar nicht benutzt werden", kontert die BI.

16.08.2023

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat den Auftrag zum Rückbau des Bergwerks Gorleben vergeben. Mitte 2024 könne laut BGE-Presseverlautbarung die Baustellenarbeit beginnen. Am 9. August 2023 wurde der Zuschlag durch die BGE erteilt. Demnach würden lediglich drei Jahre für die Verfüllarbeiten veranschlagt. In dem Vergabeverfahren setzte sich den Angaben zufolge eine Bietergemeinschaft durch, bestehend aus den Firmen Redpath Deilmann GmbH (Dortmund) und Thyssen Schachtbau GmbH Deutschland (Mülheim an der Ruhr).

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) spricht in einer ersten Stellungnahme von einer "wirklich guten Nachricht", der Zeitplan sei jedoch "sehr ambitioniert." Ihr Sprecher Wolfgang Ehmke merkt jedoch an, dass beim Rückbau des Bergwerks auch Naturschutzbelange zu berücksichtigen seien: "Wir haben vorsorglich der BGE einen entsprechenden Katalog schützenswerter Flora und Fauna zukommen lassen, damit der Rückbau endlich beginnen kann."

25.08.2023

Der japanische AKW-Betreiber Tepco beginnt mit der "Entsorgung" von mehr als 1,3 Millionen Tonnen Kühlwasser, die sich seit der Katastrophe vom 11. März 2011 in mehr als tausend Tanks beim Atomkraftwerk Fukushima angesammelt haben. Durch eine "dosierte Einleitung" in den Pazifischen Ozean, die voraussichtlich drei Jahrzehnte beanspruchen wird, soll in den Tanks neuer Platz für radioaktiv verseuchtes Kühlwasser geschaffen werden, da drei zerstörte Reaktoren des AKW Fukushima 1 weiterhin ständig gekühlt werden müssen.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

September

01.09.2023

Die Bundestagsfraktionen von FDP und AfD sowie der "Wirtschaftsrat der CDU" verlangen einen Rückbaustopp für abgeschaltete Atomkraftwerke. Die Begründung: "Wir brauchen grundlastfähige Kraftwerke und wollen deshalb den Rückbau der noch einsatzfähigen Kernkraftwerke stoppen. Nur so bleiben wir in jeder Situation handlungsfähig."
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

Oktober

08.10.2023

Auf der Mitgliederversammlung der BI Umweltschutz wurde am 8. Oktober auch ein neuer Vorstand gewählt. Vorsitzender bleibt Martin Donat, seine Stellvertreterin ist Elisabeth Hafner-Reckers. Wolfgang Ehmke bleibt Pressesprecher. Neu im Vorstand und künftig für die Kassenführung zuständig ist Roland Kruse-Kraft. Den Beirat bilden Klaus Longmuss und Jutta von dem Bussche.

11.10.2023

Atommüll-Transporte in das Zwischenlager Gorleben, hier aufgenommen am 11.10. um 14.45 Uhr zwischen Grippel und Gorleben. Hier handelt es sich vermutlich um einen Container mit schwach- und mittelaktivenm Abfällen.

November

02.11.2023

An einer geplanten zusätzlichen Mauer im Atommüll-Zwischenlager in Gorleben gibt es Kritik: Die Mauer um die Castor-Halle schütze weder vor Drohnenangriffen noch vor einem gezielten oder zufälligen Flugzeugabsturz, so die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Ihre Kritik hat die Initiative zusammen mit der Bäuerlichen Notgemeinschaft und der Rechtshilfe Gorleben in einem Brief formuliert und an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Chris Kühn, geschickt.
Quelle: NDR 1 Niedersachsen | Regional Lüneburg

12.11.2023

Am 12. November um 12.00 wird an der Beluga eine kleine Eiche aus dem Hambacher Forst einpflanzen. Dieser Eichensetzling wurde von einer Aktivistin aus dem Hambacher Forst gezogen und der BI zur großen Widerstandsparty 2022 geschenkt.

"Die kleine Eiche aus dem Hambacher Forst steht nun an der Beluga. Wir freuen uns über dieses Symbol der Verbundenheit mit den Menschen aus dem Hambacher Forst und aus Lützerath. Der Baum erinnert an unseren Gorleben Baum, der bei uns auf den Aufklebern und Fahnen mit dem Motto Gorleben soll leben , immer dabei ist. Dieser Baum ist ja klein und verzweigt und steht damit für Vielfalt und die vielen Wege, die wir gegegangen sind, um das Endlager zu verhindern und gegen die Atomkraft zu protestieren. Bäume dienen immer der Gemeinschaft, sie spenden Schatten, sie spenden uns Wärme, versorgen uns mit Baumaterialen von Möbeln bis zu Häusern. Bäume können uns helfen, die Folgen der erhöhten CO2 Abgabe in die Atmosphäre zu lindern, in dem sie CO2 speichern und Sauerstoff abgeben. Vielleicht wächst die Eiche aus dem Hambacher Forst zu einem Baum der Erkenntnis heran, der zukünftige Generationen darin unterstützt, sehr sorgsam mit den Resourcen unserer Erde umzugehen", so Elisabeth Hafner-Reckers von der BI.

23.11.2023

Der Bau des geplanten Atommüll-Endlagers Schacht Konrad wird deutlich teurer als erwartet, gibt die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) bekannt. Der Umbau des ehemaligen Erzbergwerks zu einer Atommülldeponie für schwach- und mittelaktive Abfälle solle rund 5,5 statt 4,6 Milliarden Euro kosten. Ursachen: Inflation und Lieferprobleme.
"Ein Fass ohne Boden", meint die BI. Das komme davon, wenn man an den fragwürdigen 70er Jahre-Projekten festhält, statt ein einheitliches wissenschaftsbasiertes Suchverfahren für alle Arten radioaktiver Abfälle voranzutreiben. Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer sollte die Notbremse ziehen.

Quelle: PE der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) / PE BI

Dezember

07.12.2023

"Ohne wissenschaftliche Berater wie Eckhard Grimmel wären wir im Gorleben-Widerstand nicht weit gekommen", schreibt die BI anlässlich des Todes Geographie-Professor aus Hamburg.
Quelle: BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg

12.12.2023

Die rechtzeitige Realisierbarkeit in Würgassen und anderswo sei nicht gegeben, das Projekt "Zentrales Bereitstellungslager / Logistikzentrum für das Endlager Konrad (LoK)" lasse sich aufgrund zu vieler rechtlicher und planerischer Risiken voraussichtlich nicht rechtzeitig und damit auch nicht wirtschaftlich umsetzen. So begründet Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) das Aus für das vielfach kritisierte Atommüllzentrum in Würgassen.

Atomkraftgegner:innen fordern, auch das Projekt Schacht Konrad umgehend zu stoppen.
Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

14.12.2023

Die Schließung des Bergwerks Gorleben wird mehr als zehn Jahre in Anspruch nehmen. "Wir werden in den nächsten drei Jahren das Salz von der Salzhalde nach unter Tage verbringen, um den Hohlraum zu verfüllen", sagt der künftige Projektleiter Gorleben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Torsten Rabe, in einer von dem bundeseigenen Unternehmen verbreiteten Mitteilung.
Quelle: taz. die tageszeitung vom 15. 12. 2023

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