15 Jahre Widerstand, Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
Im Jahre 1992 ergreift das Land Niedersachsen die Initiative zu einer Neubewertung des Standortes Gorleben und lässt die "Eignungshöffigkeit" des Salzstockes für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen unter anderem von den Geowissenschaftlern begutachten, die bereits in den 80er Jahren den Bundestag kritisch beraten hatten. Diese bestätigten und untermauerten ihre früheren Bewertungen allerdings.
Das Bundesamt für Strahlenschutz berichtet in der Broschüre "Salzstock Gorleben - Als Endlager geeignet" 1992: "Bei der Planung und dem Bau der Endlagerprojekte können heute die Ergebnisse und Erfahrungen genutzt werden, die seit 1967 in der Schachtanlage Asse, einem ehemaligen Salzbergwerk bei Wolfenbüttel (Niedersachsen), mit der Entwicklung und Erprobung von Einlagerungstechniken, aber auch aus umfangreichen Forschungsarbeiten gewonnen wurden."
Januar
Im Wendland formiert sich im Januar die "Initiative 60". Die Frauen und Männer im besten Alter heizen der Atomlobby in den folgenden Monaten mit Blockaden und vielen spektakulären Aktionen kräftig ein. Quelle: Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag
Laugenzuflüsse im Bergwerk Gorleben
03.01.1992
0,1 Liter Lauge tropft und rieselt nach Informationen des Landesumweltministeriums momentan pro Minute im Schacht I des Endlagererkundungsbergwerkes in Gorleben. Das sei "wenig", meint Barbara Mussack, Pressesprecherin dieses Ministeriums in Hannover. Und auch der Sprecher der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE), Dr. Rolf Meyer, betont, daß ein solcher Laugenzufluß "in der Natur der Sache" liege.
"Jeder größere Laugenzufluß beginnt mit einem Tröpfeln und Rieseln", kommentiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Der "unerwartete" Laugenzufluß sei "weitaus gravierender" und eine "erneute Unregelmäßigkeit"; die DBE habe Schwierigkeiten mit dem Abdichten des Zuflusses. Diese Behauptung fußt vor allem auf der Tatsache, daß sich das Bergamt, die DBE und die Schachtbaufirma gestern zu einem Gespräch getroffen haben; eine "Krisensitzung", glaubt die BI.
Was die BI nun auch vor dem Landesumweltministerium wissen möchte: Warum seien trotz der Abdichtung und Vereisung des Untergrunds Laugenzuflüsse möglich? Das Umweltministerium müsse den Stopp der weiteren Arbeiten bis zur Klärung veranlassen. "Sollte der Schacht voll Wasser laufen, so hätten wir nichts dagegen," meint die BI, "aber holt die Leute vorher raus." Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
Er lehne zwar weitere Atommülltransporte ins Gorlebener Zwischenlager moralisch und politisch ab, sehe aber kaum Chancen, die Transporte bei der momentanen Rechtssituation als Landesinnenminister zu verhindern, so Innenminister Gerhard Glogowski bei einem "Deeskalations-Gespräch" mit der Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) in den Trebeler "Bauernstuben" zu.
Der innenministerielle Entwurf einer Kabinettsvorlage über Polizei-Vorgehen bei Gorleben-Blockaden sei nie mit ihm diskutiert worden, so Glogowski. Der nach BI-Meinung scharfe Ton dieses Entwurfs hatte im Vorfeld fast das Gespräch zwischen BI und Innenminister zum Scheitern gebracht. Es habe sich um "Überlegungen" der Polizeiabteilung gehandelt, die die Situation beurteilen sollte für einen damals bereits im Februar für möglich gehaltenen Castor-Transport.
"Hüten Sie sich davor, die Transporte auf den Weg zu bringen; ändern Sie die Gesetze", fordert Wilhelmina Meynecke von der BI den Minister auf. Und Undine von Blottnitz skizziert dem Minister, womit beim Castor-Transport zu rechnen sei: Der Landkreis gehe auf die Straße, "wir sitzen da !".
Glogowski unterstreicht, dass er einen Atomausstieg wolle und es ablehne, daß Gorleben zum "Atommüll-Klo" werde. Die Möglichkeiten der Landesregierung seien dabei jedoch eingeschränkt.
Nicht nur Marianne Fritzen beschwert sich beim Glogowski-Besuch über die "besonders harte" Gangart der Polizei bei der Räumung für den Mol-Container unter rot-grüner Landesregierung. Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
17.01.1992
Jan-Henrik Horn, Staatssekretär im niedersächsischen Umweltministerium, besucht das Bergwerk Gorleben und findet es "beeindruckend und erstaunlich", doch Neues in Sachen Laugenzuflüsse und Kontraktionsrisse hat er nach der Reise in die Unterwelt nicht zu vermelden.
Zur Zeit ruhen die Teufarbeiten im Schacht 1, da für etwa vier bis sechs Wochen Abdichtungsarbeiten unternommen werden müssen. Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
22.01.1992
In einer Aktuellen Stunde des niedersächsischen Landtags werden öffentlich Anfang des Monats bekannt gewordene Laugenzuflüsse ins Bergwerk Gorleben erörtert.
Beim Ausbau des Erkundungsschachtes I für das geplante Endlager Gorleben sind im Dezember 91 und Januar 92 in einer Tiefe zwischen 312 und 319 Metern Zuflüsse von bis zu 6 Litern Lauge je Minute aufgetreten. Die Lauge tritt aus Rissen aus, die nach Angaben der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) auf das angewendete Gefrierverfahren beim Vorantreiben des Schachtes zurückzuführen sind. Allerdings sei man zunächst davon ausgegangen, bereits das Ende dieser "Kontraktionsrißzone" erreicht zu haben. Die Laugenzuflüsse im Dezember kamen aus bereits abgedichteten Rissen. Bis zur Abdichtung aller Risse ruhen die Abteufungsarbeiten im Schacht I. Im Schacht II, der auf über 250 Meter abgeteuft ist, traten bisher noch keine solchen Risse auf.
SPD und Grüne fordern Bundesumweltminister Töpfer (CDU) auf, nach alternativen Standorten für ein Endlager zu suchen. Die Grünen bezeichnen den Erkundungsschacht I in Gorleben als "Tropfsteinhöhle". CDU und FDP beurteilten die Risse dagegen als weniger problematisch. Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; dpa
23.01.1992
"Nach heutigen Wissen wäre ein Endlager in Granit noch relativ am besten untergebracht, wenngleich hier Klüftungen ebenfalls ein Risiko für Wassereinbrüche bedeuten. Man müßte also sehr sorgsam auswählen. In Frage kommen geologische Strukturen im Schwarzwald, im Fichtel- und im Erzgebirge. Die Fachleute sollten sie sich wenigstens einmal genauer anschauen. Denn für die Baustelle Gorleben könnte eines Tages das Aus kommen. Deshalb ist es unverantwortlich, weiterhin ohne Alternative allein darauf zu setzen. Doch genau dies tut die Bundesregierung." (Kommentar der Süddeutschen Zeitung)
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; Süddeutsche Zeitung vom 23.1.92,
Februar
05.02.1992
Die neue Kreistagsmehrheit (bunte Koalition auf SPD, UWG, Grünen und FDP) beschließt am 5. Februar eine Resolution zu Gorleben: Sie erteilt der PKA, einem Endlager und dem Zwischenlager eine Absage; der Bau solle gestoppt und abgebrochen werden. Die Elbe-Jeetzel Zeitung titelt: "Ein erster Schritt hin zum Landkreis ohne Atomanlagen: Schlußstrich unter CDU-Gorlebenpolitik".
"Gorleben ist überall hat die Bürgerinitiative einmal ausgerufen. Gorleben steht in der Wichtigkeit für uns über allem", so Jörg Janning, Sprecher der SPD-Kreistagsfraktion.
Die CDU kritisiert: Vor Ort sei an den Entscheidungen "nichts mehr zu ändern".
"Es muß endlich Schluß sein mit der moralischen Bewertung der Mehrheit", rief Klaus Wojahn, Vorsitzende der CDU-Fraktion im neuen Lüchow-Dannenberger Kreistag am 5. Februar in den Saal des Bergener Schützenhauses. Gemeint sind Verletzungen der Vergangenheit, der Vorwurf der Korrumpierbarkeit. Die Gegner der Gorlebener Atomanlagen hatten Gemeinderäten und Kreistagsabgeordneten in den letzten 15 Jahren jede Moral abgesprochen, wenn es um die Zustimmung zum Bau des Entsorgungsparks in Gorleben ging. Sie hätten sich kaufen lassen, wurden die Mandatsträger beschimpft. Klaus Wojahn empörte, daß die Kritiker nicht seine Moral hinter den Entscheidungen sahen: Die Zustimmung zu Gorleben hatte Geld, viel Geld, in die öffentlichen Kassen der Gemeinden und des Landkreises Lüchow-Dannenberg gebracht. Nicht nur die Atomindustrie selbst, sondern auch der für sie veranwortliche Staat zahlte jedes Jahr. Aber der Fraktionsvorsitzende der CDU stellte auch "mit Genugtuung" fest, daß die neue Mehrheit ebenfalls "Gorlebengelder" im Haushalt veranschlagte. Für ihn war dies das Zeichen, in der Vergangenheit richtig gehandelt zu haben. Ohne Gorleben kein Geld, ohne Geld keine Zukunft für Lüchow-Dannenberg, so die politische Logik. (aus: Gorleben Millionen - Wie man mit Steuergeldern Zustimmung kauft, von Karl Kassel und Jürgen Rehbein)
Einen "Ball Pompoes" feiert der Widerstand am 22. Februar, dem Tag der Standortbenennung, in den Trebeler Bauernstuben. Anlass ist "15 Jahre Gorleben". Die Bauernstuben sind als Titanic hergerichtet, das symolisiert die absolute Sicherheit des Schiffes und der Atomanlagen.
"Wir bitten um galamäßige Bekleidung, Abendkleid und Frack wären besonders erwünscht, aber Einlass erfolgt auch mit Sakko und Cocktailkleid, denn vornehm geht die Welt zugrunde (...)"
März
09.03.1992
Am 9. März fragt der niedersächsisch-bremische Bund der Steuerzahler brieflich beim Finanzministerium in Hannover an, welchen konkreten Zwecken die "Gorleben Gelder", Ausgleichszahlungen für "unmittelbare Sonderbelastungen für besondere Einrichtungen des Bundes" nach Artikel 106 des Grundgesetzes, eigentlich dienen und wer ihre Verwendung kontrolliert.
24.03.1992
Ein im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellter Bericht der "Gesellschaft für Reaktorsicherheit" (GRS) stellt das bislang gültige Konzept der Reaktorentsorgung völlig in Frage: In dem Bericht werde das Recycling von Plutonium in MOX-Brennelementen als "wirtschaftlich nicht attraktiv" bezeichnet. Es werde vorgerechnet, daß dabei mehr als fünfmal soviel Strahlenmüll anfalle wie bei direkter Endlagerung.
Eine "gemischte Entsorgung" wird vorgeschlagen, bei der die verbrauchten MOX-Brennelemente in größeren Abständen zwischen weniger stark strahlenden Nuklearabfällen deponiert werden, um das Endlager vor ihrer besonders hohen Wärmeabgabe zu schützen.
Diese Überlegungen stehen in klarem Gegensatz zum bisherigen Konzept, die hochradioaktiven Stoffe im Endlager Gorleben und schwach- bis mittelradioaktive Abfälle im Schacht Konrad zu entsorgen.
"Die Betreiber der Atomanlagen wissen längst, daß sich die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennstäbe nicht lohnt: Die wiedergewonnenen "Wertstoffe", vor allem Uran, landen nach Informationen der FR nicht etwa in Reaktoren, sondern werden zu 95 Prozent gleich auf die Halde gekippt. Nur ein Prozent, nämlich das beim Reaktorbetrieb entstehende Plutonium, soll in Hanau in neuen Brennelementen - eben jenen MOX-Brennstäben - eingesetzt werden."
In Gorleben kann ein "Erfolg des harten Ringens um den Geldsegen besichtigt werden": Bürgermeister Krüger eröffnet Mitte April in dem 623 Seelen zählenden Dorf eine neue Mehrzweckhalle – nur mit Eigenmitteln finanziert, verkündete er. 6,5 Millionen Mark hat das Prunkstück gekostet. Gorlebens Bürgermeister Herbert Krüger: Man sei dafür gewesen, bestimmte Aufgaben bei der Entsorgung der deutschen Atomkraftwerke zu übernehmen und habe dafür als Ausgleich finanzielle Forderungen an den Bund, das Land Niedersachsen und an die Energiewirtschaft gestellt.
Mai
02.05.1992
Zwölf Umweltverbände und Bürgerinitiativen, darunter Greenpeace, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), Internationale Ärzte gegen den Atomkrieg und für soziale Verantwortung (IPPNW), Robin Wood und Naturschutzbund Deutschland gründen in Greifswald ein "Anti-Atom-Forum", das eine ökologische Energiewirtschaft mit Vorrang für Einsparung und effiziente Nutzung fossiler und erneuerbarer Energien verlangt. Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; taz
12.05.1992
Am 12. Mai werden die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen der illegalen Einlagerung von Atommüllfässern mit falsch deklariten Abfällen aus dem niederländischen Mol (Transnuklearskandal, 1987) eingestellt.
"Wunde.r.punkte Wendland" lädt zwischen Himmelfahrt und Pfingstmontag (28. Mai - 8. Juni) in den Landkreis zu zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen ein. An den Wunde.r.punkten zwischen Banzau, Schnackenburg und Sammatz öffnen Künstler*innen ihre Höfe oder Werkstätten und stellen ihre Arbeiten und ihr Leben vor. Im Reisebegleiter wird zudem auf die "wunde punkte" hingewiesen: Gorleben. Am "Trafohäuschen" gibt es an einigen Tagen Informationen zu den Atomanlagen. Ab Schreyan wird am 28. Mai eine Sight-Seeing-Tour zu den "wunden- und wunderbaren Punkten des 15-jährigen Widerstands" angeboten. In den Trebeler Bauernstuben zeigt die Wendländische Filmkooperative "Die Herren machen es selbst, daß ihnen der arme Mann feynd wird" (28. Mai) und "Zwischenzeit" (30. Mai).
Am 5. Juni wird in Gorleben das Hörbild "Alles gesagt" über 15 Jahre Widerstand aufgeführt:
"Die Mauern der Endlagerbaustelle geben die Kulisse ab für ein Hörereignis, das die vergangenen fünfzehn Jahre auf besondere Weise wiederspiegelt: Leserbriefe und Anzeigen der Elbe-Jeetzel-Zeitung werden mit einer eigens hierfür komponierten Musik zu einem Hörbild montiert, dessen inhaltlicher Bogen sich von der Standortbenennung über den legendären Treck, die Freie Republik Wendland, die Auseinandersetzung um die WAA-Draghan bis hin zum un-heilsamen Schon von Tschernobyl spannt. Die in Deutschland wohl einzigartige öffentliche Auseinandersetzung in den Leserbriefspalten einer Heimatzeitung zeichnet vor allem die Veränderung in den Köpfen nach. Sie spiegelt die Wut und die Entschlossenheit der Menschen wieder, aber auch die Spuren der Ermüdung die das Auf und Ab der Ereignisse in ihnen hinterlassen hat." (aus: Reisebegleiter 1992)
Quelle: Reisebegleiter 1992
Juni
10.06.1992
In Lübeln treffen sich am Rande einer Kabinettssitzung Mitglieder der Bürgerinitiative mit Niedersachsens Ministerpräsident Schröder und Umweltministerin Griefahn. Die Landesregierung meine es nicht richtig ernst mit dem Nein zur Atomenergie, wirft die BI vor. "Wir haben alles gemacht und ausprobiert", meint Schröder und bittet selbst die BI-Mitglieder um weitere Vorschläge, den Ausstieg zu bewerkstelligen. Aber "es gibt keine Ideen, weil die Gesetze so sind", ergänzt Monika Griefahn. Gegen den Bund sei in dieser Frage nicht anzukommen, "wir kriegen Weisungen jede Woche".
Den Wunsch der BI-Mitglieder in Sachen der Gorleben-Prozesse zu intervenieren, lehnt Schröder ab. Er sei kein absolutistischer Fürst, der einfach das Recht außer Kraft setzen könne, selbst wenn er glaube, daß die Angeklagten inhaltlich im Recht seien. Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
11.06.1992
Die Brennelementlager Gorleben GmbH (BLG) stellt am 11. Juni beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) einen über die bisherigen Genehmigungsanträge hinausgehenden und die genehmigten Sachverhalte einschließenden Antrag: Auf maximal 420 Stellplätzen der Lagerhalle sollen kernbrennstoffhaltige Abfälle mit insgesamt maximal 3800 Mg Schwermetallmasse und einer maximalen Gesamtaktivität von 2 x 1020 Bq sowie einer maximalen Gesamtwärmeleistung von 16 MW in Form bestrahlter Leichtwasserreaktor- Brennelemente in Transport- und Lagerbehältern der Bauarten CASTOR Ia, Ib, Ic, IIa, und V/19 sowie Kernbrennstoffe in Form verglaster hochradioaktiver Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich in Transport- und Lagerbehälter der Bauart CASTOR HAW 20/28 CG und TS 28V für den Zeitraum von maximal 40 Jahren aufbewahrt werden. Das BfS erteilt die Genehmigung am 02.06.1995.
23.06.1992
Am 23. Juni endet der letzte der Turmbesetzer*innenprozesse wie die vorherigen mit einer Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldbuße. Am 21. und 22. Juni 1990 besetzten 14 Aktivist*innen beide Endlagerschächte des Bergwerks Gorleben und erreichten einen kurzen Betriebsstillstand. Im Nachgang verklagt die Bundesregierung die AktivistInnen auf über 100.000 DM Schadensersatz.
25.06.1992
Mit der Einlagerung eines ersten "Castor"-Behälters aus dem stillgelegten Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop wird am 25. Juni das Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus in Betrieb genommen.
Juli
01.07.1992
Man habe keine "konkreten Pläne" für eine Erweiterung der Zwischenlagerkapazitäten in Gorleben in der Schublade, meint BLG-Pressesprecher Jürgen Auer. Zur Zeit würde allerdings die Gesellschaft für Nuklearservice mögliche Standorte für Kapazitätserweiterungen prüfen. In dem GNS-Papier heißt es: "Diese seien hauptsächlich an den Standorten der bereits bestehenden Läger geplant." Vom Gelände her wären in Gorleben auch keine Probleme zu erwarten, meint Auer.
Die GNS-Formulierungen gebe den Spekulationen Auftrieb, daß die BLG auch für Gorleben nicht nur die Aufhebung der Gesamtaktivitätsgrenze "im Schilde" führe, sondern auch an Neubauten denke, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
08.07.1992
Ab dem 8. Juli beginnt die vorher bereits öfter angekündigte Auslagerung der 1.222 Atommüllfässer aus dem Zwischenlager, die im Rahmen des "Transnuklearskandals" nach Gorleben kamen. Am 6. August 1990 war die Beschlagnahmung aufgehoben worden. Alle 1.222 Fässer werden in 34 Auslagerungschargen bis 1998 hauptsächlich in das Forschungszentrum Jülich gebracht, um dort den Inhalt zu bestimmen.
10.07.1992
Bundesumweltminister Töpfer legt den Entwurf zu einer umfassenden Novellierung des Atomgesetzes vor. Es sei "durch diese Überarbeitung weder ein Kernenergieförderungs- noch ein -verhinderungsgesetz", so Töpfer.
Aspekte sind u.a. die finanzielle Stillegungsvorsorge durch den Betreiber, die Privatisierung der Endlagerung sowie die Gleichrangigkeit von Wiederaufarbeitung und Endlagerung.
Jetzt müsse die Opposition Farbe bekennen, ob sie "ein modernes Atomgesetz mittragen oder ob sie an ihrem unrealistischen Ausstiegskurs festhalten will", so Töpfer. Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de
August
28.08.1992
Am 28. August bekräftigt das niedersächsische Umweltministerium unter Leitung von Monika Griefahn (seit 1992 SPD), dass die Standsicherheit der Schächte in Gorleben durch die Laugenzuflüsse nicht beeinträchtigt werden.
September
Im September gibt der Haushaltsausschuß des Bundestages die bis dahin gesperrte, vorerst letzte Rate der "Akzeptanzmittel" ("Gorleben-Gelder") frei: 30 Millionen DM fließen an die rot-grüne Regierung in Niedersachsen.
Der Sorge, daß beim Umstapeln der Atommüllfässer und ihrem Abtransport keine Kontrolle der Gebinde durch unabhängige Gutachter stattfinde, tritt Staatssekretär Horn in einer Antwort an die BI Umweltschutz Anfang September entgegen. Sowohl der TÜV Hannover als auch die Gewerbeaufsichtsämter Lüneburg und Duisburg würden die Auslagerung der Einzelfässer "begleiten". Nach Ansicht des Umweltministeriums gebe es auch keine Anzeichen, daß mehr als 302 Fässer Kontakt mit dem belgischen Forschungszentrum Mol gehabt hätten. Ob es beim Aussortieren der nahezu 1300 Fässer weitere Fässer mit Bläh- und Rosterscheinungen gebe, sei nicht auszuschließen, so Horn.
08.09.1992
Am 8. September fordert das niedersächsische Umweltministerium für das Erkundungsbergwerk eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), vorher dürfe nicht weiter abgeteuft werden. Da der Rahmenbetriebsplan 1990 und damit vor Inkrafttreten einer EU-Richtlinie erlassen wurde, die das Instrument der UVP mit Bürgerbeteiligung vorschreibt, war bislang - und wäre auch zukünftig - auf der Grundlage dieses Plans keine UVP und keine formelle Bürgerbeteiligung erforderlich, um Arbeiten am Standort Gorleben weiterzuführen. Die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH (DBE) droht erneut mit Klage.
25.09.1992
In Salzgitter-Lebenstedt beginnt die Erörterung der rund 290 000 Einwendungen gegen das geplante Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad. Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de
Oktober
19.10.1992
Der Gemeinderat von Gorleben stimmt mit vier gegen drei Stimmen einem Bauantrag der Brennelementelager-Gesellschaft (BLG) Gorleben zu, die ein zusätzliches Zwischenlager für schwach- und mittelaktive Nuklearabfälle errichten will. Die neue Lagerhalle soll sämtliche Abfallarten aufnehmen können, die für das vorgesehene Endlager im Schacht Konrad beantragt sind. Als Baubeginn nennt die BLG Frühjahr 1993.
30 Mio. DM will man es sich kosten lassen, damit das Gebäude in einer Länge von 110 m, rund 75 m Breite und 19 m Höhe entstehen kann. Damit wird es ebenso hoch sein wie das Lager für die in Castor-Transportbehältern aufbewahrten abgebrannten Brennelemente. Das Aufnahmevolumen würde sich von jetzt 15 000 Kubikmeter auf 45 000 m3 steigern.
Die zuständigen Behörden der Bezirksregierung und die rot-grüne niedersächsische Landesregierung wurden von der geplanten Erweiterung des Zwischenlagers Gorleben offenbar überrascht. Umweltministerin Monika Griefahn bezeichnet das Projekt als "Erpressungsversuch" im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren für das Endlager Schacht Konrad.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sieht sich bestätigt. Wiederholt habe sie auf die Möglichkeit der Erweiterung des Zwischenlagers verwiesen, erklärt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, die BLG habe das ständig dementiert und "uns als Spinner hingestellt". Diese "Heranschleichtaktik" und das Zuarbeiten der Gorleben-CDU unterlaufe alle Beschlüsse des Kreistages und sei zudem ein ausgesprochener Affront für das ausstiegswillige Land. Die BI erwarte daher auch ein Eingreifen der politischen Gremien. Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de; EJZ
22.10.1992
Am 22. Oktober kündigt die BLG an, dass "in den letzten Wochen des Jahres" mit dem ersten Castortransport in das Zwischenlager Gorleben zu rechnen sei.
23.10.1992
Niedersachsens Umweltministerin Griefhan lehnt am 23. Oktober Einlagerungen in das Zwischenlager in Gorleben ab.
November
15.11.1992
Am 15. bis 16. November findet die Herbstkonferenz der Anti-Atom-Bewegung in Schnackenburg statt. 80 Delegierte nehmen teil.
Informationsstelle Gorleben wiedereröffnet
20.11.1992
Am 20. November öffnet die lange verwaiste "Informationsstelle Gorleben" in Gartow unter Leitung von Gudrun Scharmer, Vorsitzende der Rechtshilfegruppe Gorleben.
Dezember
Im Dezember überweist die Bundesregierung vereinbarte 12 Millionen DM "Gorleben Gelder" an den Landkreis Lüchow-Dannenberg.
In Gorleben und Gartow lassen sich die Gemeinderäte Ende des Jahres ihre direkten Beihilfen von der Atomwirtschaft aufstocken, wegen des Geldwertverlustes, wie Samtgemeindedirektor Lawin sagt. In Lüchow wirft Oberkreisdirektor Klaus Poggendorf der bunten Kreistags-Koalition "Unverantwortlichkeit" vor, weil die, jedenfalls bisher noch, auf weiteres Gorlebengeld verzichten will.
Ende 1992 erreicht das Abteufen der Schächte Gorleben I und II eine Tiefe von 340 Meter.
03.12.1992
In der niedersächsischen Staatskanzlei werden zur Zeit Möglichkeiten sondiert, wie ein Castor-Transport nach Gorleben zu verhindern, und wenn nicht, wie er möglichst konfliktlos über die Bühne zu bringen ist. Eines der dafür in Auftrag gegebenen Gutachten besagt: Ohne eine existente Unfall- und Katastrophenhilfe müßte ein beabsichtigter erster Castor-Transport mit hochradioaktivem Müll nach Gorleben verschoben werden. Diese Auffassung jedenfalls vertritt der hannoversche Staatsrechtler Professor Dr. Jürgen Seifert, der im Auftrag der niedersächsischen Staatskanzlei das Gutachten erarbeitet hat.
In dem Papier ist aber auch von deeskalierenden Maßnahmen die Rede: Kontakte mit Demonstranten sollen hergestellt werden, um so im Gespräch mögliche Gefahren für Sicherheit und Ordnung abzuwenden.
Aus der niedersächsischen Staatskanzlei war unterdessen zu hören, daß der Katastrophenschutz keine Genehmigungsgrundlage sein könne. Quelle: Elbe-Jeetzel Zeitung
13.12.1992
Am 13. Dezember wird mit der Erstellung des Schachtinnenausbaus in Schacht Gorleben I begonnen.
14.12.1992
Zur tatsächlichen Eröffnung der "Informationsstelle Gorleben" am 14. Dezember bekommt die anwesende niedersächsische Umweltministerin Griefahn einen kleine Castor-Behälter überreicht. Am gleichen Tag wird der Verladekran für die Castorbehälter in Dannenberg besetzt.
16.12.1992
Wegen der Blockade des Zwischenlagers Gorleben werden am 16. Dezember sechs auf dem Weg von Forschungszentrum Karlsruhe nach Gorleben befindliche Atommüllbehälter vom Typ "Mosaik" auf LKW-Tiefladern in das niedersächsische Atomkraftwerk Unterweser / Esenshamm umgeleitet.
Dömitzer Brücke blockiert
18.12.1992
Am 18. Dezember blockieren Bauern mit ca. 300 Traktoren die Dömitzer Brücke über die Elbe, eine der wichtigsten Verkehrsadern, die die Landkreise Dömitz und Lüchow-Dannenberg verbindet. Die Landwirte protestieren gegen die Atommüll-Einlagerungen und das GATT-Abkommen (General Agreement on Tarifs and Trade, Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen).
Die ganze Geschichte:
…und davor – Die Anfänge bis 1972
Die Anfänge: Erste Überlegungen, Atommüll in Salz zu lagern – statt ihn in der Tiefsee zu versenken. Gasexplosion im Salzstock Gorleben-Rambow.
1973
1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.
1974
Die Standortsuche für ein Atommülllager beginnt. Das Credo: So lange die Anlage genug Platz hatte und niemanden störte, war alles gut. Der Standort Gorleben hatte damit nichts zu tun.
1975
Im August 1975 bricht bei Trebel ein großer Waldbrand aus. Die Bundesregierung geht bei der Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) davon aus, dass mehrere Salzstöcke parallel untersucht werden müssten. Gorleben gehört nicht dazu.
1976
(…) In einer zweiten Version der TÜV-Studie wurde handschriftlich der Standort Gorleben ergänzt und als am besten geeignet befunden. (…)
1977
Die Bedenken sind stark, doch Gorleben wird trotzdem zum Standort für den Bau eines gigantischen „Nuklearen Entsorgungszentrums“ benannt. Daraufhin finden erste Großdemonstrationen statt.
1978
Innerhalb von 5 Tagen sammeln Gorleben-Gegner*innen 800.000 DM, um der DWK beim Kauf weiterer Grundstücke über dem Salzstock Gorleben zuvor zukommen.
1979
Im März 1979 findet der legendäre „Treck nach Hannover“ statt. Nach einer Großdemonstration in der Landeshauptstadt verkündet Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht das Aus für die WAA-Pläne in Gorleben.
1980
Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der „Republik Freies Wendland“. Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.
1981
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.
1982
Baubeginn des Zwischenlagers wird mit Aktionen im Grenzstreifen zur DDR beantwortet, militante Eskalation beim „Tanz auf dem Vulkan“ und immer schlechtere Bohrergebnisse. Plötzlich ist das Wendland mit Dragahn wieder als ein WAA-Standort im Gespräch.
1983
Proteste gegen die Pläne, in Dragahn eine WAA zu errichten. „Gorleben statt Kreta“ und Demos im Grenzgebiet zwischen der DDR und BRD. Das Bundeskabinett unter Helmut Kohl stimmt der „untertägigen Erkundung“ des Salzstocks Gorleben zu.
1984
„Das Vertrauen hat sehr gelitten“: Menschenkette und Wendland-Blockade gegen die WAA-Pläne. Unter erheblichem Protest erreicht ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben.
1985
Ein erster leerer Probe-Castor erreicht das Wendland. Der erste Kreuzweg führt vom AKW Krümmel nach Gorleben. Nach Anschlägen auf die Bahn werden die Daten von tausenden Gorleben-Gegner*innen von der Polizei gespeichert – und damit eine ganze Szene pauschal kriminalisiert.
1986
Baubeginn im Bergwerk Gorleben. Heftige Auseinandersetzungen um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und das AKW Brokdorf. Nach dem GAU von Tschernobyl protestieren zehntausende Menschen gegen die Atomenergie.
1987
Schwerer Unfall in Schacht 1 des Bergwerks in Gorleben. „Transnuklearskandal“ betrifft auch Atommüll im Zwischenlager, Proteste gegen den Bau der PKA.
1988
Kreuzweg der Schöpfung führt von Wackersdorf nach Gorleben, Schmiergeldskandal, „Wir stellen uns quer“ – Proteste gegen den ersten Probecastor ins Zwischenlager.
1989
Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster hochradioaktiver Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.
1990
„Ein Hauch der Freien Republik Wendland wehte durch den Gorlebener Tann…“, als auf dem Bauplatz der PKA Hütten errichtet werden. Aktivist*innen besetzen im Sommer den Förderturm in Gorleben, zum Jahresende Baustopp und SPD-Versprechen.
1991
Proteste gegen die Anlieferung von Mol-Container, PKA-Bauplatzbesetzung, erneuter „Castor-Alarm“ und nächster Baustopp im Erkundungsbergwerk.
1992
Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
1993
Sitzblockaden gegen Atommüll-Lieferungen, „Wege aus der Gorleben-Salzstock-Sackgasse“, Energiekonsens-Gespräche und hohes Bussgeld gegen Turmbesetzer*innen.
1994
Widerstandscamp „Castornix“ und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.
1995
Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion „ausrangiert“ will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
1996
10 Jahre nach Tschernobyl, „Wir stellen uns quer!“ gegen den zweiten Castor nach Gorleben.
1997
Gewaltsame Räumung für den dritten Castor, Griefahn knickt ein & mehr Geld von der BLG.
1998
Einwendungen gegen die PKA, Castortransport nach Ahaus, Transportestopp nach verstrahlten Behältern, Einstieg in den Atomausstieg und Moratorium im Salzstock.
1999
„Flickschusterei“ um Atomausstieg & AkEnd, Stunkparade nach Berlin und die Ankündigung, dass sich beim nächsten Castor X-tausend Menschen querstellen werden.
2000
Defekte Brücke und unsichere Behälter verhindern Castorlieferung, Atomkonsens „alles Lüge“, denn er sichert den Weiterbetrieb der AKW und Moratorium im Salzstock.
2001
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.
2002
25 Jahre nach der Standortbenennung künftig keine Wasserwerfer mehr gegen den Widerstand, Freispruch im Süschendorf-Prozess, Ver-rück-te Dörfer gegen zwölf Castorbehälter, Rechenfehler und ein Abschlussbericht des AKEnd.
2003
Betonklötze für Betonköpfe, „Fest zum Protest“, der Salzstock wird besetzt, der siebte Castor rollt. Atomausstieg: das AKW Stade geht vom Netz – aber die Endlagersuche bleibt weiter unklar.
2004
Schienensitzen ist keine Straftat, das Einkesseln rechtswidrig, Trash People in Gedelitz, eine Veränderungssperre für den Salzstock zemetiert dessen Sonderstellung. Der Castortransport im Herbst verändert alles: Sebastién wird überfahren und stirbt.
2005
25 Jahre nach der „Republik Freies Wendland“ und 10 Jahre nach dem ersten Castortransport ist die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst. In die Debatte um die Entsorgung des Atommülls und die Zukunft der Atomenergie kommt Bewegung, die Veränderungssperre für den Salzstock wird verlängert. Container brennen, Bauern ziehen sich aus – und im November rollt der nächste Atommüllzug ins Zwischenlager.
2006
Geologe Grimmel warnt vor Erdbeben, die CDU kann sich in Gorleben ein Untertagelabor vorstellen. „Wir sind gekommen um zu bleiben“: Castorproteste im Herbst mit einer eigenen „Allgemeinverfügung gegen Atomwirtschaft und Polizeiwillkür“ und ein Offenbarungseid von Umweltminister Sigmar Gabriel.
2007
Der Widerstand feiert 30 Jahre Protest, ein Probecastor im Sommer aber keine „heiße Fracht“ im Herbst, stattdessen Kinderkrebsstudie und G8-Gipfel in Heiligendamm.
2008
Endlager-Symposium & Probebohrungen in Hamburg, absaufende Asse-2, 1 Millionen Jahre Endlager-Sicherheit und ein nächster Castortransport im November.
2009
Brisante Enthüllungen: Gorleben wurde aus politischen Motiven zum Endlagerstandort. Seit Jahren wird nicht nur „erkundet“, sondern ein Endlager gebaurt. „Mal so richtig abschalten“ – ein Protest-Treck aus dem Wendland führt zu einer großen Demo gegen AKW-Laufzeitverlängerung nach Berlin. Kein Castortransport, seit Oktober finden jeden Sonntag Spaziergänge um das Bergwerk statt.
2010
Krümmel-Treck, Ketten-Reaktion, Atomkraft-Schluss!, Castor XXL: die Antwort auf die AKW-Laufzeitverlängerung sind die größten Anti-Atom-Demonstrationen, die es in Deutschland je gab.
2011
Bundesweite Anti-Atom-Proteste nach dem Fukushima-GAU, neuer Atomausstieg, gorleben365 und ein „Rekord-Castor“ – der letzte, der nach Gorleben rollte.
2012
Das „Wendejahr“ mit zahlreichen Werksblockaden unter dem Motto „gorleben365“ und der zentralen Forderung zur Endlagersuche auf der „weißen Landkarte“: Der Fleck Gorleben muss weg!
2013
Mit der „Beluga“ stellt Greenpeace in Gorleben ein Mahnmal auf, der Widerstand läuft Matrathon gegen das neue Standortauswahl-Gesetz.
2014
Die „neue Endlagersuche auf der weißen Landkarte“ beginnt – mit einem dicken Fleck: Gorleben. Immer wieder Proteste gegen die „Atommüllkommission“ der Regierung und tausende Unterschriften gegen weitere Castoren.
2015
Tausende feiern im Sommer an den Atomanlagen, Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht: der „Kessel von Harlingen“ war rechtswidrig.
2016
Für 23 Milliarden Euro entledigen sich die Atomkonzerne dem Atommüll, der ab sofort uns allen „gehört“. Zahlreiche Aktionen an den Atomanlagen gegen die Endlagerpläne der Bundesregierung.
2017
Auch 40 Jahre nach der Standortbenennung ist der Widerstand „lebendig“, Betreiber der Atomanlagen wird der Bund, Castoren auf dem Neckar und letzte Befahrung des Gorleben-Schachts.
2018
Neuer Betreiber will Aus für die PKA, Langzeitlagerung von Castoren rückt in den Fokus, Kritik an der Arbeit des „Nationalen Begleitgremiums“.
2019
30 Jahre Kulturelle Landpartie, 40 Jahre nach dem Treck nach Hannover. Abriss der Schutzmauer um das Bergwerk.
2020
Im „Corona-Jahr“ wird Gorleben Ende September völlig unerwartet aus der weiteren Suche nach einem Atommülllager ausgeschlossen. Nach über 40 Jahren Protestgeschichte ist es vorbei. Im Herbst rollt der erste Castor durch Deutschland, der eigentlich nach Gorleben sollte.
2021
10 Jahre nach Fukushima hat die Corona-Pandemie Deutschland fest im Griff, nur wenige öffentliche Aktionen finden statt. Viel Kritik an Online-Veranstaltungen zur Endlagersuche. Im Sommer der vierte Kreuzweg von Gorleben nach Lützerath. Im Herbst das Versprechen: der Salzstock wird verfüllt.
2022
Das dritte Corona-Jahr beginnt mit einem Schicksalsschlag: völlig unerwartet stirbt Jochen Stay. Mit einem großen Festival feiern Anfang Juni tausende Menschen in Gorleben das Endlager-Aus und den Atomausstieg. Doch zum Jahresende die Ernüchterung: Die AKW-Abschaltung wird verschoben.
2023
Doch kein Atomausstieg zum 31.12.2022 – drei Atomkraftwerke laufen über das Jahr hinaus. Der Protest geht weiter.
2024
BI fordert Transportestopp ins Fasslager und Neubau des Zwischenlagers.
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