GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 1973

Zwei AKW für das Wendland

1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.


Anfang der 70er Jahre bittet Wilhelm Paasche, Oberkreisdirektor des Landkreises Lüchow- Dannenberg, seinen Oberbaurat August Quis zu sich: "Wir sind aufgefordert worden, einen Vorsogestandort für ein Kernkraftwerk an der Elbe zu benennen. Bitte machen sie mir Vorschläge, wo dies am wenigsten stört."
Quelle: August Quis: Hinterwalden

September

Im September stellt die Bundesregierung aus SDP und FDP ihr "Energieprogramm" vor. Die Bundesregierung geht von einem stark steigenden Strombedarf und einer "Energielücke" ab 1980 aus. Bis 1985 sollen Atomkraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 45.000 bis 50.000 Megawatt errichtet sein. Außerdem erwartet man den Bau mehrerer Schneller Brüter und Anlagen zur Wiederaufarbeitung von Brennelementen.

Dezember

Im Dezember werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. Langendorf liegt nur 10km elbabwärts von Gorleben entfernt. Nachdem der Landkreis die Fläche ausgewiesen hat, erwerben die künftigen Betreiber des AKW Flächen, überwiegend von der Kirche.

Geplant ist eine gigantische 600kV-Stromleitung mit Masthöhen bis zu 90 Metern, die nördlich des Hohenmechtins quer durch den Drawehn in Richtung Lüneburg führen soll. Damit sich diese Investition lohnt, wird ein zweiter AKW-Standort zwischen Landsatz und Jasebeck in die Planungen einbezogen. Neben Umweltschützer*innen engagiert sich auch damalige Oberbaurates August Quis stark gegen das Projekt. Nachdem die Stromtrasse nicht genehmigt wird, sterben beide AKW-Projekte. In dem Zusammenhang gegründet sich die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg , die bis heute eine der tragenden Säulen des deutschen Anti-Atom-Protests ist.

In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.

Im Dezember 1973 finden sich überraschte und empörte Bürger zusammen, die davon gehört hatten, dass in Langendorf-Brandleben der Bau eines Atomkraftwerkes (AKW) geplant sei. Bürgerinitiative AL (für Atomkraftwerk Langendorf) nennt sich dieser Vorläufer der BI Umweltschutz – und wird sofort aktiv. Leserbriefe wurden geschrieben, Plakate entworfen, Informationsveranstaltungen organisiert.

Einer, der schon damals dabei war, ist Harmen Döpke aus Barendorf. Der damalige Lehrer in Gusborn hatte Artikel gelesen, die sich kritisch mit der Produktion von Atomstrom beschäftigten. Und er war sauer über das Vorgehen der Betreiberseite, der Landesregierung und der lokalen Politik. Die hatte mit der geplanten Ausweisung eines AKW-Standortes in Langendorf ein Versteckspiel betrieben.

Quelle: EJZ vom 5.1.2024

13.12.1973

Am 13. Dezember findet in Langendorf eine Gemeinderatssitzung zum Thema Atomkraftwerk statt. Im Wendland regt sich erster Anti-Atom-Protest. Die Widerstands-Veteranin Marianne Fritzen ist unter den Ersten, die sich wehren.

"Unser erster Einsatz – Langendorf, als das Bild gemacht wurde – stand in dem Saal so ein Bauernklavier. Da sind sie reingegangen – die Polizei oder was-weiß-ich-was, damals: der Bundesgrenzschutz vor allen Dingen noch – haben oben den Kastendeckel aufgemacht: ob da nicht eine Bombe versteckt ist. Da sage ich: ´Wir würden uns doch nicht in den Saal hineinsetzen, wenn wir wüssten, dass da eine Bombe drin ist.` Da wurde schon alles durch gesucht. Ist genau wie heute. Da wird auch alles abgesperrt. Dass ich verfolgt wurde, wusste ich – nicht ´verfolgt` in dem Sinn! – sondern von den Leuten vom Verfassungsschutz oder von der Polizei."(Marianne Fritzen)

Quelle: Zitat: Marianne Fritzen, Deutschlandfunk, 21.08.2015

15.12.1973

Auf der Tagesordnung des Samtgemeinderates Dannenberg am 15. Dezember 1973 steht nur die Änderung des Flächennutzungsplanes in Langendorf zugunsten eines Kraftwerks. Von "Atom" ist keine Rede. Schon Tage vorher hatten sich Kommunalpolitiker aus Dannenberg ins AKW Würgassen einladen lassen und sich die Lobeshymnen auf die Kernenergie ihrer dortigen Kollegen angehört. Zurückgekehrt sprach sich die Mehrheit des Dannenberger Samtgemeinderates für einen AKW-Standort Langendorf-Brandleben aus.
Quelle: EJZ vom 5.1.2024

19.12.1973

In einer am 19. Dezember 1973 veröffentlichten Anzeige heisst es:
"Atomkraftwerk Langendorf ? das heißt Radioaktivität, verseuchtes Wasser, verseuchte Luft, verödeter Boden, vergiftete Menschen, verkrüppelte Kinder, ANGST."
Zu den über 100 Unterzeichner:innen gehören neben dem Maler Uwe Bremer und Harmen Döpke die Fritzens in Kolborn, Gisela Köthke in Gorleben, Walter Brockmann, Nicolas Born, Reinhard Goy und Kai Hermann.

19.12.1973

Der Gemeinderat Langendorf soll den Antrag beschließen, im Flächennutzungsplan einen AKW-Standort vorzusehen. Doch zu dieser Entscheidung kommt es nicht. Nach langer Diskussion, auch mit etwa 150 Zuhörer:innen dieser Ratssitzung, wird der Beschluss vertagt – und nie wieder aufgenommen. Parallel zu Langendorf kam auch ein Platz bei Bleckede und Alt Garge (Landkreis Lüneburg) ins Gespräch, doch dort handelte es sich um ein Landschaftsschutzgebiet - und die Bezirksregierung favorisierte den Standort lieber im Nachbarkreis.
Quelle: EJZ vom 5.1.2024

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