GORLEBEN-CHRONIK

Das Jahr 2014

Neustart der Endlagersuche

Die "neue Endlagersuche auf der weißen Landkarte" beginnt - mit einem dicken Fleck: Gorleben. Immer wieder Proteste gegen die "Atommüllkommission" der Regierung und tausende Unterschriften gegen weitere Castoren.

Januar

Im Januar verklagen Graf von Bernstorff und die Umweltschutzorganisation Greenpeace, beide Inhaber von Salzrechten in Gorleben, die Bundesregierung auf "Feststellung der Verpflichtung zur Aufhebung der Gorleben-Veränderungssperre". Begründung: Mit Verabschiedung des Standortauswahlgesetz (StandAG) gibt es kein konkretes Erkundungsvorhaben in Gorleben mehr. Damit sei – genauso wie beim Rahmenbetriebsplan - die Rechtsgrundlage auch für die Veränderungssperre in Gorleben entfallen.

01.01.2014

Am 1. Januar umrunden beim Neujahrsempfang 150 Menschen das "Erkundungsbergwerk".

27.01.2014

Am 27. Januar trifft sich zum 150. Mal die Fukushima-Mahnwache af dem Marktplatz in Dannenberg.

Februar

Ungeachtet der Klage zur Aufhebung der Gorleben-Veränderungssperre kündigt die neue Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) im Februar an, die im August 2015 auslaufende Veränderungssperren-Verordnung in Gorleben um weitere zehn Jahre zu verlängern. Da eine solche Sperre an keinem anderen potentiellen Endlagerstandort existiert, wäre eine solche Verlängerung aber aus Sicht von Salinas eine klare Privilegierung des Standorts Gorleben. Auch Grundeigentümer Graf von Bernstorff und Greenpeace befürchten, dass auf diese Weise Fakten geschaffen werden, bevor über ihre Klage in der Hauptsache entschieden wird. Sie beantragen deshalb den Erlass einer Einstweiligen Anordnung.

März

Als "vertrauensbildendes Signal" zieht Bundesumweltministerin Hendricks die von ihrem Vorgänger Altmaier betriebene Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans Gorleben durch das Land Niedersachsen im März zurück. Allerdings war diese Klage nach Meinung der Experten ohnehin nicht zu gewinnen. Aus Sicht von Salinas ist das Aus für den Rahmenbetriebsplan - auch für das eigene Vorhaben - zumindest ein Teilerfolg. Denn die Genehmigungsgrundlage für die Fortsetzung einer Erkundung in Gorleben ist damit endgültig vom Tisch. Auch das noch aus den 70er-Jahren stammende atomrechtliche Planfeststellungsverfahren für ein Endlager in Gorleben wird von Hendricks für erledigt erklärt.

10.03.2014

Anlässlich des 3. Jahrestages der Katastrophe von Fukushima rufen die BI in Zusammenarbeit mit der Montagsmahnwache Dannenberg am 10. März zu einem Demoumzug durch Dannenberg auf.

24.03.2014

Am 24. März gehen in sieben Landeshauptstädten Düsseldorf, Hannover, Kiel, Potsdam, München, Mainz und Wiesbaden über 30.000 Menschen für die Rettung der Energiewende und gegen Atom, Kohle und Fracking auf die Straßen. Der Regierung und den Energiekonzernen kündigen sie an: Der Widerstand gegen die EEG-Reform fängt jetzt erst richtig an.

April

Im April lehnt das Verwaltungsgericht Lüneburg die Eilanträge von Graf von Bernstorff und Greenpeace gegen eine Verlängerung der Veränderungssperre ab, weil das die Möglichkeit eröffne, im Nachhinein nicht mehr korrigierbare Veränderungen am Salzstock vorzunehmen. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Salinas Salzgut GmbH unverändert an ihrem Unternehmensziel festhält, im Gorlebener Salzstock ein Salzbergwerk zu errichten und das Salz zu fördern und zu vertreiben, statt es zu verstrahlen.

07.04.2014

Marianne Fritzen, Widerständlerin der ersten Stunde und BI-Gründungsmitglied, wird am 7. April 90 Jahre alt. Wenige Wochen zuvor erklärte sie in einem Medienbeitrag, "Demonstrieren ist eine Bürgerpflicht".

Mai

10.05.2014

Rund 12.000 Menschen demonstrieren in Berlin für die Fortführung der Energiewende und gegen eine erneute Laufzeitverlängerung von AKW. Teil des Protests sind ein Wassercorso von über 100 Booten.
Quelle: publiXviewing.de

12.05.2014

Die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke wollen aus dem unrentabel gewordenen Geschäft aussteigen und alle damit verbundenen Lasten auf den Staat abwälzen. Wie der "Spiegel" berichtet, dringen E.ON, RWE und EnBW auf die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die mit den derzeit noch neun Atomkraftwerken auch die Beseitigung aller stillgelegten Anlagen und radioaktiven Abfälle übernimmt.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

"Neustart" der Endlagersuche - mit Gorleben

22.05.2014

FotosFilm
Die "Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe" trifft sich am 22. Mai zu ihrer ersten Sitzung. Sie soll bis Ende 2015 die Kriterien für die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle erarbeiten. Sie besteht aus insgesamt 33 Mitgliedern. Strittig war bis zuletzt die Benennung des Vorsitzenden. Am Ende einigten sich die Parteien darauf, dieses Amt abwechselnd von Ursula Heinen-Esser (CDU) und Michael Müller (SPD) wahrnehmen zu lassen. Schwierig gestaltete sich die gesetzlich vorgesehene Berufung von zwei Vertretern der Umweltverbände, weil große Teile der Anti-Atom-Bewegung der Zusammensetzung der Kommission mißtrauen und eine Beteiligung grundsätzlich ablehnen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und die Deutsche Umweltstiftung nehmen dennoch teil.

"Die Zusammensetzung der Kommission ist alles andere als ein Abbild der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse im Streit um den Atommüll", erklärt der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay. "Atomlobbyisten, Gorleben-Befürworter und Parteipolitiker sind deutlich überrepräsentiert. Unabhängige Wissenschaftler sind Mangelware."

Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

29.05.2014

Zwischen dem 29. Mai und dem 9. Juni findet die Kulturelle Landpartie statt.

31.05.2014

Am 31. Mai lädt der Widerstand zu einem "Aktionstag" an den Atomanlagen in Gorleben mit den Initiativen gorleben365, Kurve Wustrow, x-tausendmal quer, EA, graswurzel.tv und contratom.

Juni

14.06.2014

Gegen die Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Grohnde findet am 14. Juni in der Landeshauptstadt Hannover eine Demo statt, an der 600 Menschen und 20 Traktoren teilnehmen.

"Das AKW Grohnde muss endlich stillgelegt werden", fordert auch die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.

29.06.2014

Am 29. Juni findet ein Aktionstag zu den Feierlichkeiten anlässlich des 25 jährigen Jubiläums des Gorlebener Gebets statt.

Juli

29.07.2014

Die Bundesregierung und das Land Niedersachsen haben sich darauf verständigt, die Offenhaltung des Bergwerks Gorleben stark einzuschränken. Sie wollen damit die "ergebnisoffene" Suche nach anderen Standorten für ein Endlager überzeugender machen und Kosten sparen. Einzelheiten des neuen Konzepts erläutern Staatssekretär Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz Wolfram König und der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel. Der weiträumige "Erkundungsbereich 1" sowie einige Teile des Infrastrukturbereiches werden außer Betrieb genommen und die obertägigen Sicherungsanlagen in Abstimmung mit den niedersächsischen Polizeibehörden weitgehend zurückgebaut. Die Einzelheiten des Offenhaltungsbetriebes regelt ein neuer Hauptbetriebsplan.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

August

10.08.2014

Am 10. August findet der 250. Sonntagsspaziergang um das Erkundungsbergwerk statt.

22.08.2014

Am 22. und 23. August findet auf der Wiese der Gaststätte Wiese in Gedelitz unter dem Motto "Gorleben soll leben" das Free Flow Festival statt.

30.08.2014

Am 30. August treffen sich Atomkraftgegner*innen aus dem gesamten Bundesgebiet zu ihrer 5. Atommüllkonferenz in Kassel.

September

04.09.2014

Am 4. September besucht die neue Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) das Wendland. Sie führt Gespräche mit dem Betriebsrat der Bergleute in Gorleben und den Fraktionsspitzen des Kreistages und dem Landrat. Auf einer öffentlichen Veranstaltung im Gildehaus Lüchow wird ihr von der BI eine gelbe Castor-Attrappe mit über 7000 Unterschriften für einen Stopp der Atommülltransporte nach Gorleben überreicht. Die BI hatte die Unterzeichner*innen zwischen Mai und August gesammelt.

Mitte September

Mitte September fordert die niedersächsische CDU in Gorleben ein Untertagelabor für Salz. Das unterstreicht der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Martin Bäumer, bei einem Besuch im sogenannten Erkundungsbergwerk.

"Die CDU verrennt sich unter Tage", kommentiert die Bürgerinitiative Umweltschutz(BI).

Mitte September

Unter dem Motto "Tatorte in ganz Deutschland: Bundesweiter Atommüll-Alarm" starten Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen Mitte September eine sechswöchige Info- und Aktionskampagne. Ziel ist es, eine öffentliche Diskussion über die akuten Atommüll-Probleme zu initiieren.

24.09.2014

Seit dem 24. September ist das Erkundungsbergwerk für Besucher*innen geschlossen.

"Schicht im Schacht"

29.09.2014

Ab 29. September ist "Schicht im Schacht" – zumindest fast. Ab sofort gibt es im Erkundungsbergwerk Gorleben nur noch einen sogenannten "Unterhaltungsbetrieb".

Oktober

Anfang Oktober

Anfang Oktober fordert der Atomkonzern E.ON fordert von der Bundesregierung 380 Millionen Schadenersatz für das dreimonatige Atom-Moratorium nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Außerdem hat der Konzern juristisches Vorgehen gegen das Standortauswahlgesetz angekündigt und will weitere Castortransporte nach Gorleben.

"In Gorleben ist bereits ein einwandfrei geeignetes Zwischenlager vorhanden", begründet ein E.ON-Sprecher das Vorgehen. Atomkraftgegner sehen den "Atommüllkompromiss im Eimer".

Einlagerungsstopp für das Abfalllager

09.10.2014

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) verfügt ab dem 9. Oktober ein Einlagerungsstopp für das Fasslager Gorleben. Bei einem Besuch habe er "Feuchte Stellen im Fasslager Gorleben und abgeplatzte Farbe an einigen Atommüllfässern" ausgemacht. Der Einlagerungsstopp für das Abfalllager, in das zuletzt im Juli LKWs mit Atommüllfässern gerollt sind, solle solange gelten bis Prüfungen zur Ursache von Feuchtigkeit auf dem Hallenboden abgeschlossen seien, so Wenzel. Auch im benachbarten Zwischenlager für hochradioaktiven Müll, in dem über 100 Castorbehälter stehen, sei Feuchtigkeit gefunden worden die dort nicht hingehört: es gebe einen "konstruktionsbedingten Regeneintrag". Über die Ursache wird spekuliert: es könnten "starke Regenfälle oder Kondenswasserbildung" sein, heisst es aus dem Ministerium.

"Es ist nur eine Sichtkontrolle der ersten Reihen möglich, aber der Zustand der Fässer im Atomkraftwerk Brunsbüttel legt die Forderung nahe, dass die Bude richtig ausgeleuchtet wird", fordert Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Ein Einlagerungsstopp reiche nicht aus.

10.10.2014

Der Bundesrat hat die Bundesregierung aufgefordert, die von den AKW-Betreibergesellschaften gebildeten Entsorgungs-Rücklagen so abzusichern, daß die Mutterkonzerne auch bei einer Insolvenz der Betreibergesellschaften voll und zeitlich unbegrenzt für alle Entsorgungskosten aufkommen müssen. Ferner soll die Bundesregierung prüfen, ob die vorhandenen Nuklearrückstellungen überhaupt ausreichend sind und gegebenenfalls eine Erhöhung veranlassen.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

17.10.2014

RWE und E.ON haben in allen Bundesländern, in denen sie Atomkraftwerke betreiben, Klagen wegen der Schließung des zentralen Zwischenlagers Gorleben erhoben. Sie wollen die Kosten für die notwendige Erweiterung der standortnahen Zwischenlager, die sich durch die "politisch motivierten Entscheidung" ergeben, keine weiteren Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield nach Gorleben zu bringen, vom Staat übernommen werden.
Quelle: ENERGIE-CHRONIK, udo-leuschner.de

19.10.2014

Im Rahmen der "Herbstkampagne", mit der Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände auf das Atommülldesaster aufmerksam machen wollen, verteilen am 19. Oktober Atomkraftgegner*innen aus dem Wendland auf dem Schulterblatt in Hamburg Bio-Kartoffeln und Anti-Atom-Infos.

29.10.2014

Am 29. Oktober sagen Greenpeace, .ausgestrahlt und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ihre Teilnahme an der für den 3. November geplanten Anhörung der Atommüll-Kommission des Deutschen Bundestages ab.

"Wir haben kein Vertrauen darin, dass diese Kommission unsere Positionen ernstnimmt. Wir werden nicht das Feigenblatt in einem abgekarteten Spiel sein", sagt Jochen Stay, Sprecher von .ausgestrahlt.

"Wir werden nicht als Statisten vermeintliche Bürgerbeteiligung in einem Polittheater vorgaukeln, während die Bundesregierung ungeniert versucht, hochradioaktiven Müll illegal im Ausland verschwinden zu lassen", sagt Mathias Edler, Atomexperte von Greenpeace.

Ende Oktober

Ende Oktober legt das Bundesumweltministerium ein Verzeichnis radioaktiver Abfälle vor, die als Grundlage für die weitere Atommülldebatte richtungsweisend sein sollen. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) bemängelt, dass diese Übersicht "keinen Anreiz bietet, über die vielen ungelösten Probleme der Atommülllagerung zu debattieren". Das Papier sei "unzureichend und untauglich". Das selbstgesteckte Ziel eines vertrauensschaffenden Neuanfanges werde "mit dem Papier nicht eingelöst".

November

09.11.2014

Zum 10. Todestages des französischen Aktivisten Sébastien Briat, der im November 2004 vom Castorzug nach Gorleben überrollt wurde, findet am 9. November auf dem Salinas Gelände in Gorleben eine Kundgebung und die Einweihung einer Gedenktafel statt. 100 Menschen nehmen teil.

Dezember

13.12.2014

Zum Tode des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht am 13. Dezember schreibt die BI: "Ernst Albrecht verdanken wir unser tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber der politischen Klasse." Als Ministerpräsident traf Albrecht 1977 die Entscheidung, im dünn besiedelten Landkreis Lüchow-Dannenberg in unmittelbarer Nähe zur innerdeutschen Grenze ein "Nuklearzentrum" zu errichten.

Die ganze Geschichte: