Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion "ausrangiert" will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
Januar
12.01.1995
Der Verzicht auf die Wiederaufarbeitung von Brennstäben und deren direkte Endlagerung würde für einen typischen Atomkraftwerks-Block von 1.000 Megawatt eine Kostenersparnis von jährlich 34 Millionen Mark erbringen, ergibt eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln, die am 12. Januar vorgestellt wird. Es gäbe allerdings Gründe, die endgültige Wahl zwischen beiden Entsorgungspfaden zunächst hinauszuschieben, um sich "Optionen offenzuhalten". Die Betreiberin der französischen Wiederaufarbeitungsanlage, Cogema, habe wegen der Diskussion über einen Umstieg auf direkte Endlagerung bereits Preisnachlässe angeboten: Derzeit koste die Aufarbeitung pro Kilo Uran etwa 2.400 D-Mark. Um mit der direkten Endlagerung konkurrieren zu können, dürfe sie nicht teurer als 200 D-Mark sein, was jedoch unrealistisch sei (Frankfurter Rundschau, 13.1.95). Ende Dezember 1994 hatten Atomkonzerne die ersten Anschlussverträge für die Wiederaufarbeitung von Brennstäben aus den AKW Krümmel und Gundremmingen mit der britischen Aufarbeitungsfirma BFNL in Sellafield gekündigt.
21.01.1995
Am 21. Januar veröffentlichen verschiedene Castor-Gruppen, die "Unbeugsamen" und die "Gorleben Frauen" das Konzept zum "Zivilen Ungehorsam" - einer "Öffentlichen und gemeinsamen Schienendemontage" vor dem Dannenberger Castor-Verladekran.
23.01.1995
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entscheidet am 23. Januar, daß der beabsichtigte Transport von abgebrannten Brennelementen aus dem AKW Philippsburg ins Zwischenlager Gorleben rechtens ist. Es hebt damit die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg auf, das am 21. November 1994 den Transport des "Castor"-Behälters mit den Brennelementen wegen Sicherheitsbedenken gestoppt hatte. Spontan versammeln sich vor dem Verladekran, auf dem Lüchower Marktplatz und vor dem Zwischenlager Gorleben mehrere 100 Menschen, um ihren Unmut gegen die Entscheidung kundzutun.
24.01.1995
Nach Bekanntwerden des Urteils teilte die niedersächsische Landesregierung am 24. Januar mit, daß sie die Zustimmung zu dem "Castor"-Transport widerrufen werde. Die juristische Handhabe dafür finde sich in der Urteilsbegründung des Oberverwaltungsgerichts: Es habe die Klage gegen den "Castor"-Transport zwar abgewiesen, zugleich aber darauf aufmerksam gemacht, daß sich die KlägerInnen mit den von ihnen behaupteten Sicherheitsmängeln an die zuständige Landesbehörde wenden müßten.
26.01.1995
Am 26. Januar verübten militante Atomkraftgegner*innen erneut einen Anschlag auf den Eisenbahnverkehr. Mit einem Wurfanker wurden Oberleitung der Strecke Hannover - Hamburg beschädigt und der Zugverkehr fünf Stunden lang weiträumig umgeleitet werden. Erneut übernimmt ein "K.Ollektiv Gorleben" die Verantwortung für den Anschlag und hinterlässt am Tatort in Bienenbüttel Flugblätter mit der Aufschrift "Stoppt Castor".
Februar
Anfang Februar
Im Februar und März ziehen Unbekannte in zahlreichen Zügen der Deutschen Bahn die Notbremse und weisen die Fahrgäste mit Flugblättern auf den bevorstehenden Castor-Transport hin.
10.02.1995
Laut des neuen Vorstandsvorsitzenden der RWE Energie, Roland Farnung, sei durch ein "fehlenden Kernenergie-Konsens" ein "Schaden" von 15,3 Milliarden Mark durch gescheiterte Atomenergieprojekte entstanden. Dazu gehören:
Am 10. Februar bekennen sich über 300 UnterzeichnerInnen öffentlich in einer Zeitungsanzeige zu zivilem Ungehorsam im Rahmen der Aktion "Ausrangiert".
11.02.1995
Mittels Luftballons fliegt am 11. Februar ein Castormodell in die Luft und der Zaun um den Verladekran wird mit Toilettenpapier eingehüllt.
15.02.1995
Am 15. Februar verpflichtet Bundesumweltministerin Angela Merkel das niedersächsische Umweltministerium per Weisung, die Einlagerung von Brennelementen aus dem Atomkraftwerk Philippsburg im Zwischenlager Gorleben zuzulassen. Binnen einer Woche soll Niedersachsen dem Castor-Transport zustimmen.
16.02.1995
Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder und seine Umweltministerin Monika Griefahn verständigten sich am 16. Februar darauf, daß dem Land keine rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um gegen die Weisung, die mit Zustimmung des Bundeskabinetts erteilt wurde, vorzugehen. Ein Transporttermin bleibt unklar.
20.02.1995
Am 20. Februar blockieren etwa 50 Atomkraftgegner*innen eine Kreuzung in Dannenberg.
März
01.03.1995
Der dritte Verhandlungstermin gegen die 14 Turmbesetzer*innen findet am 1. März vor dem Landgericht Lüneburg statt. Das Urteil im Schadensersatzprozess über mehr als 120.000 DM wegen einer Blockade des Bergwerks Gorleben wird für den 3. Mai angekündigt.
10.03.1995
Am 10. März erlässt der Landkreis Lüchow-Dannenberg eine "Allgemeinverfügung": Sie verbietet damit die für den folgenden Sonntag angekündigte Aktion "Ausrangiert".
Ausrangiert!
12.03.1995
Am 12. März beteiligen sich trotz "Allgemeinverfügung" 800 Menschen an der gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams "Ausrangiert". Öffentlich werden Bahnschwellen am Castor-Gleis in Dannenberg demontiert. Polizei und Bundesgrenzschutz sind massiv vertreten, können die Aktion aber nicht verhindern. An der Organisation ist u.a. die "Kurve Wustrow" beteiligt.
23.03.1995
Mehrere hundert AtomkraftgegnerInnen protestieren am 23. März vor dem Zwischenlager und in Lüchow anlässlich des Besuches der Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) im Erkundungsbergwerk Gorleben. Bei diesem ersten Besuch im Wendland scheut Merkel die Öffentlichkeit. Sie fährt in den Salzstock ein, um sich ein Bild über die Erkundungsarbeiten für ein Atomendlager zu machen. Im Anschluss stellt sie sich den Journalisten und nimmt am Abend - unter massiven Polizeischutz - am CDU-Parteitag in Lüchow teil.
Merkels Backpulver-Vergleich
23.03.1995
Sie hatte gerade über die Probleme beim Beladen des ersten für Gorleben gedachten Castorbehälters in Philippsburg gesprochen, als Angela Merkel am 23. März auf dem CDU-Parteitag in Lüchow einen bemerkenswerten Vergleich nachschiebt: Es fielen die Worte "Kuchenbacken" und "Küche", und dass dabei schließlich auch "Backpulver" danebengehe.
Jede Hausfrau wisse doch, dass beim Backen auch mal etwas Backpulver daneben gehe.
Den seit 1994 aufgekommenen Widerstand gegen die Atommülltransporte bezeichnet Merkel "unverständlich": Es werde geradezu so getan, "als wenn die Welt untergeht".
Merkel sagte außerdem Sätze wie "Gorleben spielt eine zentrale Rolle. Mit ihr ist die Zukunft der Kernenergie verbunden" oder mit Blick auf die Erderwärmung und auf die CO2-Emissionen, dass die Atomenergie in Deutschland "verantwortbar, ökologisch sauber und technisch hochstandardisiert" sei.
Im Wendland erhält Merkel nach diesem Auftritt den Beinamen "Merkelnix".
April
Anfang April
Anfang April wird bekannt, dass der Castor-Transport aus dem AKW Philippsburg am 25. April Gorleben erreichen soll - also einen Tag vor dem neunten Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe und zeitgleich mit einer entscheidenden Runde der Energiekonsensgespräche in Bonn.
13.04.1995
Am 13. April wird erneut ein Anschlag auf die Bahnstrecke Lüneburg - Dannenberg verübt. Aus den Schienensträngen werden jeweils etwa zwei Meter lange Stücke herausgeschnitten und zu einem X aufgerichtet. Ein außerplanmäßiger Güterzug überfährt die Stelle, entgleist aber nicht. Der Sachschaden beträgt 20.000 DM. Im ganzen Bundesgebiet kommt es im April zu Anschlägen und Sabotageaktionen auf Einrichtungen der Bahn.
15.04.1995
Am 15. April ergeht für die am folgenden Tag geplante Aktion zivilen Ungehorsams "Abschalten" erneut eine Allgemeinverfügung des Landkreises. Auktionator "Mister X" versteigert die Endlager-Erkundungstürme zugunsten der Prozeßkosten für die Turmbesetzerlnnen.
16.04.1995
Etwa 1.500 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz verhindern am 16. April, dass 400 AtomkraftgegnerInnen auf die Schienen in der Nähe des Castor-Verladekrans in Dannenberg kommen. Dort soll die Aktion "Abschalten" stattfinden.
19.04.1995
Am 19. April werden bei einem erneuten Anschlag auf die Bahnstrecke zwischen Uelzen und Celle Leit- und Signalkabel zertrennt. Die Ermittler finden "Stopp Castor" Plakate.
21.04.1995
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärt am 21. April in einer Eilentscheidung den geplanten Atommülltransport aus dem Atomkraftwerk Philippsburg-2 in das Zwischenlager Gorleben für rechtens. Parallel dazu wird ein Demonstrationsverbot entlang und auf der Transportstrecke durch den Landkreis Lüchow-Dannenberg vom 22. bis zum 29. April erlassen.
22.04.1995
Am 22. April demonstrieren 4.000 Menschen in Dannenberg gegen den bevorstehenden Castor-Transport. Auf dem Gelände des ehemaligen "Castornix"-Hüttendorfs im Wald beim Zwischenlager Gorleben nimmt die Polizei mehr als 100 Menschen fest, weil sie sich in der "Verbotszone" aufhalten. Im ganzen Landkreis finden Aktionen statt: Demonstationen, Barrikadenbau, Gleisbesetzungen, Errichtung eines Hüttendorfes und mehr.
23.04.1995
Auf einer Wiese nahe der Bahnlinie entsteht mitten in Dannenberg am 23. April das Protest-Basiscamp "Verladenix". Den ganzen Tag und in der Nacht werden die Aktionen im Landkreis fortgesetzt. Auch am AKW Philippsburg haben sich mehrere hundert Menschen versammelt, um gegen die Abfahrt des Atomtransports zu protestieren.
Am 24. April um 20.05 Uhr beginnt der Castor-Transport aus dem Atomkraftwerk Philippsburg seine Fahrt in das Zwischenlager Gorleben.
Eine Diesel-Lok der Deutschen Bahn AG zog den mit einer Plane abgedeckten Sicherheitsbehälter mit den hochradioaktiven Brennstäben aus dem Kraftwerksgelände. Ein massives Polizeiaufgebot versuchte zahlreiche Demonstranten von den Gleisen fernzuhalten. Über 60 Atomkraftgegner wurden in Gewahrsam genommen. (contratom.de)
8.000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz sind zur Streckensicherung durch Deutschland im Einsatz.
Auf einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erklärt Landrat Christian Zülke (SPD): "Ich werden mich an das Versammlungsverbot halten". In der Nacht brennen auf den Gleisen am Bahnhof Hitzacker Holzstämme. Die zweite Bahnstrecke Uelzen-Dannenberg wird bei Zernien blockiert.
Als endgültig feststand, der Castor rollt, gab es abends noch mal eine Notgemeinschaftsversammlung mit weit über 100 Menschen. Daß wir Bauern mit unsern Treckern etwas unternehmen wollen war klar. Da wir nicht alle Anwesenden kannten, bestand die Gefahr das Spitzel geplante Aktionen verraten könnten. Fünf Bauern aus den verschiedenen Regionen des Landkreises haben sich dann zurückgezogen und beraten. Wer bereit war an der Aktion teilzunehmen, konnte dann bei dem Bauern aus seinem Gebiet nachfragen was geplant ist. Wir erfuhren dann, morgen früh 7Uhr blockieren wir bei Splietau. (20 Jahre Widerstand - Adi Lambke, Landwirt, zieht ein Resümee)
Die gesamte Castor-Transportstrecke ist Ziel von Anschlägen und Protesten. Ca. 2.000 Atomkraftgegnerlnnen im Wendland leisten erbitterten Widerstand und "stellen sich quer".
Im Schritttempo nähert sich das 125 Tonnen schwere Ungetüm mit der gefährlichen Fracht seinem Ziel nahe Gorleben in Niedersachsen: zuerst per Bahn, später dann per Lkw. Immer wieder werfen sich Menschen in den Weg und müssen weggetragen werden. Steine fliegen. Die Polizei geht mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Gorleben ist im Ausnahmezustand. Die Schulen sind geschlossen, Bauern haben sich auf Treckern zum Protestmarsch aufgemacht. (wdr.de)
Nach 14 Stunden Bahnfahrt trifft der Castorbehälter aus dem baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg-2 nach etwa 580 km gegen 10.30 Uhr am Verladebahnhof Dannenberg-Ost ein. Gegen 12.00 Uhr ist der Behälter auf einen Straßen-Tieflader verladen und setzt sich auf die 18 km lange Strecke nach Gorleben in Bewegung.
Anfangs ist der Sprecher der Pressestelle "Castor" in der Polizeizentrale Lüneburg noch optimistisch. "Der Zug läuft", verkündet er stolz. "Das ist ein Erfolg für uns." Acht Stunden später ist von "erheblicher Gewaltbereitschaft" und "massiven Einsätzen" gegen Demonstranten die Rede. (wdr.de)
6.500 BeamtInnen von Polizei und BGS bahnen dem Transport den Weg. Mit Schlagstöcken und Wasserwerfern, vor allem aber mit Zupacken räumte die Staatsmacht Demonstranten beiseite. Es kommt zu zahlreichen Verletzten.
Um 17.12 Uhr schließen sich hinter dem ersten Atommüll-Behälter die Tore des Zwischenlagers in Gorleben.
Bundesweit protestieren etwa 4.000 AtomkraftgegnerInnen. Insgesamt sind 15.000 Polizisten im Einsatz, der größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt sind in Niedersachsen 7.600 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz - zusammengerufen aus einem halben Dutzend Bundesländern - im Einsatz. 29 Personen werden vorläufig festgenommen.
Dieser erste Castor-Transport kostet den Steuerzahler ca. 55 Millionen Mark, also etwa 100.000 DM je km. Davon fallen knapp 28 Millionen Mark auf das Land Niedersachsen.
"Wir werden auch den nächsten Castor-Transport so teuer machen", prophezeit ein Bauer den Heerscharen angereister Journalisten in Gorleben. "Und den nächsten." (wdr.de)
Gleich nachdem der Castor-Behälter in Gorleben abgeladen war, kündigt das Bundesumweltministerium unter Angela Merkel (CDU) an, demnächst (bis Jahresende) werde Atommüll aus dem AKW Biblis und dem AKW Gundremmingen folgen.
Der Castor sei "ein notwendiges Übel", betont Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) später. Opposition und Umweltschützer sprechen von einer "ungeheueren Provokation zum neunten Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl".
Mai
01.05.1995
Am 1. Mai "flüchten" etwa 1.000 Menschen in einem Treck "vor der atomaren Bedrohung" und ziehen mit Sack und Pack durch Dannenberg.
03.05.1995
Im Schadensersatz-Prozess um die Turmbesetzung in Gorleben im Juni 1990 erlässt das Landgericht Lüneburg am 3. Mai das Urteil: Die AktivistInnen sollen 126.901,10 DM (+ Zinsen) Schadensersatz wegen Stillstandskosten bei den Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock zahlen. Die Turmbesetzer*innen beantragen Berufung beim Oberlandesgericht Celle.
04.05.1995
Das "Komitee für Grundrechte und Demokratie", das beim Castor-Transport mit Demonstrationsbeobachter*innen das Geschehen verfolgte, veröffentlicht am 4. Mai ihre Bilanz. In ihrer Erklärung wird das Demonstrationsverbot und der Polizeieinsatz kritisiert:
"Dem friedlichen, gewaltfreien, offen vorgetragenen Protest wurde zunehmend mit massiven Zwangsmitteln begegnet." (Komitee für Grundrechte und Demokratie)
Später erscheint ein vollständiger Bericht mit dem Titel "Castor eingelagert - Grundrechte und Demokratie ausgelagert".
12.05.1995
In einer am 12. Mai erscheinenden Anzeige in der Elbe-Jeetzel-Zeitung bekräftigen mehr als 3.000 Unterzeichner*innen ihr "Nein zum Castor". Auf den fünf Seiten kündigen die Menschen an, weiter aktiv zu bleiben.
13.05.1995
Am 13. Mai demonstrieren in Hannover etwa 10.000 Menschen unter dem Motto "Bundesweiter Demonstrations- und Aktionstag" in Hannover gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und gegen weitere Castor-Transporte.
Die Zeit ist einfach reif ... die Stillegung aller Atomanlagen, den Ausstieg aus der Atomenergie und Energiewende jetzt endlich durchsetzen! (Aufruf des fzs, freier zusammenschluss von studentInnenschaften e.V. )
Als Hauptredner der Kundgebung bezeichnet der Energieexperte Peter Hennicke vom Wuppertal-Institut die gegenwärtigen Energiekonsens-Gespräche als "Tiefstand politischer Kultur". Sie seien ein "Gefeilsche um Kohle und Kernenergie", während eine "Wende zur Solar- und Energiesparwirtschaft" notwendig sei. (taz, 15.5.95)
Mit dabei sind auch 300 Traktoren, ca. 250 davon sind bereits vor zwei Tagen in einem Treck der Bäuerlichen Notgemeinschaft im Wendland gestartet und in die Landeshauptstadt gekommen.
Juni
02.06.1995
Am 2. Juni genehmigt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Nutzungserweiterung der Zwischenlagerhalle Gorleben. Diese erlaubt künftig die Einlagerung von mehr als doppelt so viel radioaktivem Inventar (3.800 Tonnen statt 1.500 Tonnen) als vorher, obwohl baulich nichts geändert wurde. Teil der Genehmigung ist die Rücknahme von verglasten, hochradioaktiven Abfällen aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague, verpackt in Kokillen.
Gesundheitsgefahr durch Neutronenstrahlung extrem unterschätzt
07.06.1995
Auf einer Veranstaltung in Dannenberg erläutert der Nuklearmediziner Prof. Horst Kuni am 7. Juni seine Thesen von der bisher extrem unterschätzten Gesundheitsgefahr durch Neutronenstrahlung aus dem Castor-Behälter.
Beim Anlegen internationaler Maßstäbe und neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist die strahlenbiologische Wirkung von Neutronen etwa 30mal höher anzusetzen sei, als in der deutschen Strahlenschutzverordnung angenommen. (Nuklearmediziner Prof. Horst Kuni, Strahlentelex)
Nach Kunis Darstellung wäre die Strahlendosis, die Polizisten bei der Begleitung von Castor-Transporten abbekommen, 300mal wirksamer als bisher angenommen. (Süddeutsche Zeitung, 10.8.95)
Es folgt eine monatelange wissenschaftliche Diskussion. Am Ende einigen sich alle Beteiligten darauf, dass die derzeit geltenden deutschen Grenzwerte für Radioaktivität zu hoch sind. Unklar ist dabei aber, um wieviel sie reduziert werden müssten. Treffen Kunis Zahlen zu, wären keine weiteren Castor-Transporte mehr genehmigungsfähig.
21.06.1995
Die neue Gesprächsrunde über einen Energiekonsens ist am 21. Juni beim dritten Treffen gescheitert, weil sich Regierungskoalition und SPD nicht über eine gemeinsame Formulierung zur Option für die Entwicklung neuer Atomkraftwerke einigen konnten.
Juli
09.07.1995
Zu einer zweiten Informations-Reise startet am 9. Juli in Gorleben die "Castornix Karavane", dieses Mal führt sie zu den Atomanlagen in Nord- und Ostdeutschland.
Neben dem besagten "Wendländischen Castor" gibt es noch viele weitere Castoren, die täglich über unsere Schienen rollen. Bei der Castor-nix-Karavane kommt alles mit, was fahren kann. Fahrrad, Bauwagen, Liegeräder und Trecker bestimmen das Bild, wenn sich die Karavane bei glühender Mittagshitze durch die Lande begibt. In den verschiedenen Orten, wo sie durchkommt, finden mit den Gruppen vor Ort gemeinsame Aktionen, Konzerte, Partys und Diskussionen statt.(Natur-Erlebnis-Mappe der Jugend- und Umweltwerkstatt Oldesloe)
26.07.1995
Am 26. Juli ordnet das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Sofortvollzug für weitere Castortransporte nach Gorleben an. Darunter sollen sich erstmals auch Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague befinden.
August
03.08.1995
"Von dem Castor gehen keine Strahlengefahren aus", betont am 3. August der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Prof. Dr. Kaul und widerspricht damit den Thesen des Marburger Nuklearmediziners Horst Kuni, die im ARD-Magazin Monitor veröffentlicht wurden. Dessen Thesen würden auf "zum Teil unsinnigen Annahmen sowie nicht bewiesenen strahlenbiologischen Behauptungen" beruhen. (Süddeutsche Zeitung, 10.8.95)
Nach der Monitor-Sendung reagiert Niedersachsens Innenminister Glogowski prompt:
"Es wird solange keine Einsätze niedersächsischer Polizeieinheiten bei CASTOR-Transporten geben, bis nicht unzweifelhaft feststeht, daß für die eingesetzten Beamten keine gesundheitliche Gefährdung besteht."
12.08.1995
Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder kündigt am 12. August an, dass Niedersachsen künftig weitere Transporte nach Gorleben auch gegen den Widerstand von Atomkraftgegnern durchsetzen werde, "wenn die Sicherheitskriterien erfüllt seien". (Hannoversche Allgemeine, 14.8.95)
13.08.1995
Am 13. August bezeichnet die niedersächsische Landesregierung die Pläne, noch im November jeweils einen Castor aus dem bayerischen Atomkraftwerk Gundremmingen und einen aus der französischen WAA La Hague in das Zwischenlager Gorleben zu transportieren, als "unrealistisch". Die Handhabung der Behälter müsse noch geprüft werden.
21.08.1995
Mit Schweißbrennern werden in der Nacht vom 21. auf den 22. August drei der vier Träger der Castor-Verladekrans in Dannenberg durchtrennt. Der Kran kippt allerdings nicht um. Parallel findet ein Anschlag auf das Zwischenlager Gorleben statt: Die Stromzufuhr wird durch Herbeiführung eines Kurzschlusses unterbrochen und die Halle mit Leuchtraketen beschossen. Außerdem werden Fensterscheiben mit Parolen besprüht und auf mehreren Straßen Strohballen angezündet. Die Betreiber sprechen von 300.000 DM Sachschaden und setzen eine Belohnung zur Ergreifung der TäterInnen aus.
25.08.1995
Am 25. August widersetzt sich die sachsen-anhaltinische Umweltministerin Heidrun Heidecke (Bündnis 90/Die Grünen) einer Weisung des Bundesumweltministeriums und untersagt die Fortführung der Versturz-Technik im Endlager Morsleben. Die Fässer mit mittelradioaktiven Abfällen könnten nach einem Sturz aus einer Höhe von 15 Metern "bersten und ihre Inhalte sich vermischen, so daß die Abfälle nicht mehr kontrollierbar und auch nicht mehr rückholbar seien".
Stay rude-Stay rebel - Festival
26.08.1995
"Stay rude - Stay rebel", Rock gegen Atomkraft ist das Motto des zweitägigen Benefitz-Open-Air-Festivals zugunsten des wendländischen Widerstands am 26./27. August in Grabow (zwischen Dannenberg und Lüchow). Insgesamt kommen - trotz Regen - mehr als 5.000 Menschen auf den Blottnitzschen Acker. Es spielen fast 48 Stunden non-stop und ohne Gage 24 Bands, darunter namhafte wie No Sports, Wolf Mahn, Ulla Meinecke, Fettes Brot, Inga Rumpf, The Bates und als "Special Guest" Die Toten Hosen.
Das Festival ist, wie so vieles im Wendland, selbstgemacht: Hunderte freiwillige Helfer organisieren eine fast perfekte Großveranstaltung.
29.08.1995
Am 29. August wird "an der Bahnstrecke nach Gorleben" ein Kabel und einen Schaltkasten in Brand, wodurch ein Schaden von rund 70 000 Mark entsteht und zeitweilig der Bahnverkehr beeinträchtig wird. Am Tatort wurde ein Aufkleber mit der Aufschrift "Castor-Alarm 2, Tag X — Jetzt erst recht! Wir stellen uns quer!" gefunden.
September
02.09.1995
Am 2. September werden die seismischen Untersuchungen im Raum Gorleben-Süd mit dem "letzten Schuss" abgeschlossen.
06.09.1995
Am 6. September beginnen die Arbeiten zur seismischen Erkundung im Raum nördlich der Elbe.
24.09.1995
Auf das "Benefiz" folgt am 24. September das "Malefitz": Rund um das geplante Endlagerbergwerk und die angrenzende Salzhalde demonstrieren 1.000 Menschen mit "Spass, Spiel und Spannung". Es kommt zu Rangeleien mit der Polizei, Schlagstock- und Wasserwerfereinsatz.
Oktober
22.10.1995
Am 22. Oktober findet in der Dannenberger Kirche ein weiteres Benefitz-Konzert für den Widerstand statt: Haydns "Schöpfung" wird zugunsten der Bürgerinitiative von MusikerInnen der Kieler Oper aufgeführt.
24.10.1995
Der folgenschwerste Anschlag einer ganzen Serie von Sabotage auf Einrichtungen der Bahn setzt am 24. Oktober die Hauptstrecken Hamburg - Hannover und Hamburg - Bremen stundenlang außer Betrieb. Insgesamt 34 Reisezüge standen still oder mußten umgeleitet werden, darunter zwölf ICE-Züge. Tausende von Pendlern kamen zu spät zur Arbeit. In allen sechs Fällen werden die Oberleitungen durch Hakenkrallen oder Wurfanker, die sich in den Stromabnehmern der Lokomotiven verfingen, zerstört. Nach Angaben der Bahn AG sind durch die Anschläge allein in diesem Jahr Sachschäden von zwei bis drei Millionen Mark verursacht worden.
27.10.1995
Am 27. Oktober wird bekannt, dass die Bahn wegen der Anschlagsserie prüft, ob sie in Einzelfällen Transporte von Castor-Behältern verweigern kann. Außerdem will der Konzern sich künftig die Schäden im Zusammenhang mit Atomtransporten von den AuftraggeberInnen bezahlen lassen (sog. Haftungsfreistellung).
28.10.1995
Als Teil eines bundesweiten Aktionstages gegen Castor-Transporte starten die Castor-Ortsgruppen aus Lüchow-Dannenberg am 28. Oktober Aktivitäten unter dem Motto "Wir verschönern den Landkreis". An vielen Orten werden neue Transparente, Beschriftungen, Plakate Stelltafeln und Strohpuppen angebracht.
30.10.1995
In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" äußert ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes am 30. Oktober die Befürchtung, daß die Zahl der Anschläge auf Bahnanlagen im Zusammenhang mit Castor-Transporten noch zunehmen werden.
November
Anfang November
Im November sind für die Arbeiten zur seismischen Erkundung im Raum nördlich der Elbe von ca. 90 km bereits ca. 35 km fertiggestellt.
Baustopp aufgehoben
02.11.1995
Am 2. November entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, dass die niedersächsische Landesregierung die weitere Erkundung des Salzstocks Gorleben auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktive Abfälle zulassen muss. Das Gericht gab damit in letzter Instanz einer Klage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) statt. Die Landesregierung hatte 1992 die Bergbehörden angewiesen, die Erlaubnis für die Erkundungsarbeiten in Gorleben nicht zu verlängern. Nach Feststellung des Gerichts gibt es aber keinen gesetzlichen Grund, die Verlängerung des Rahmenbetriebsplans von 1983 zu verweigern und die Vorlage eines neuen Rahmenbetriebsplans zu verlangen. Das BfS wies darauf hin, daß durch die Versagung einzelner Genehmigungen Stillstandskosten von mehreren Millionen Mark entstanden seien, die jetzt gegenüber dem Land als Schadenersatzforderung geltend gemacht würden.
In dem Urteil werden auch die Salzrechte des Grafen von Bernstorff erwähnt und nicht als "unüberwindliches Hindernis" angesehen.
"Anstatt ein notwendiges Projekt immer wieder zu behindern, sollte Gerhard Schröder bei seinen SPD-Kollegen um alternative Standorte werben. Das wäre ein Fortschritt in einer scheinheiligen Atomdebatte, die sich inzwischen um jeden Rest von Glaubwürdigkeit gebracht hat."
Dezember
Anfang Dezember
Ende 1995 wird genehmigt, das zulässige Radioaktivitätsinventar des Fasslagers Gorleben (Zwischenlager für schwach- und mittelaktiven Atommüll) um das 1000-Fache zu erhöhen. Hintergrund ist die Absicht, bitumierte radioaktive Abfälle aus der französischen WAA Cap de La Hague und mittelaktive Komponenten in Gorleben einzulagern.
18.12.1995
Eine erneute Anschlagserie auf Bahnanlagen wurde am 18. Dezember verübt. Innerhalb von gut zwei Stunden erfolgen acht Anschläge mit Wurfankern, die die Oberleitungen beschädigten und den Zugverkehr auf den Strecken zwischen Mannheim und Frankfurt sowie zwischen Frankfurt und Fulda stundenlang lahmlegten. Die Polizei findet Flugblätter mit Parolen wie "Stoppt Castor" oder "Atomtransporte stoppen".
19.12.1995
In der folgenden Nacht (19. Dezember) wird die Rheintalstrecke bei Dieblich durch einen umgesägten Bahnstrommasten blockiert. Die Bahn beziffert den Sachschaden auf mehrere hunderttausend Mark.
Die ganze Geschichte:
…und davor – Die Anfänge bis 1972
Die Anfänge: Erste Überlegungen, Atommüll in Salz zu lagern – statt ihn in der Tiefsee zu versenken. Gasexplosion im Salzstock Gorleben-Rambow.
1973
1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.
1974
Die Standortsuche für ein Atommülllager beginnt. Das Credo: So lange die Anlage genug Platz hatte und niemanden störte, war alles gut. Der Standort Gorleben hatte damit nichts zu tun.
1975
Im August 1975 bricht bei Trebel ein großer Waldbrand aus. Die Bundesregierung geht bei der Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) davon aus, dass mehrere Salzstöcke parallel untersucht werden müssten. Gorleben gehört nicht dazu.
1976
(…) In einer zweiten Version der TÜV-Studie wurde handschriftlich der Standort Gorleben ergänzt und als am besten geeignet befunden. (…)
1977
Die Bedenken sind stark, doch Gorleben wird trotzdem zum Standort für den Bau eines gigantischen „Nuklearen Entsorgungszentrums“ benannt. Daraufhin finden erste Großdemonstrationen statt.
1978
Innerhalb von 5 Tagen sammeln Gorleben-Gegner*innen 800.000 DM, um der DWK beim Kauf weiterer Grundstücke über dem Salzstock Gorleben zuvor zukommen.
1979
Im März 1979 findet der legendäre „Treck nach Hannover“ statt. Nach einer Großdemonstration in der Landeshauptstadt verkündet Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht das Aus für die WAA-Pläne in Gorleben.
1980
Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der „Republik Freies Wendland“. Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.
1981
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.
1982
Baubeginn des Zwischenlagers wird mit Aktionen im Grenzstreifen zur DDR beantwortet, militante Eskalation beim „Tanz auf dem Vulkan“ und immer schlechtere Bohrergebnisse. Plötzlich ist das Wendland mit Dragahn wieder als ein WAA-Standort im Gespräch.
1983
Proteste gegen die Pläne, in Dragahn eine WAA zu errichten. „Gorleben statt Kreta“ und Demos im Grenzgebiet zwischen der DDR und BRD. Das Bundeskabinett unter Helmut Kohl stimmt der „untertägigen Erkundung“ des Salzstocks Gorleben zu.
1984
„Das Vertrauen hat sehr gelitten“: Menschenkette und Wendland-Blockade gegen die WAA-Pläne. Unter erheblichem Protest erreicht ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben.
1985
Ein erster leerer Probe-Castor erreicht das Wendland. Der erste Kreuzweg führt vom AKW Krümmel nach Gorleben. Nach Anschlägen auf die Bahn werden die Daten von tausenden Gorleben-Gegner*innen von der Polizei gespeichert – und damit eine ganze Szene pauschal kriminalisiert.
1986
Baubeginn im Bergwerk Gorleben. Heftige Auseinandersetzungen um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und das AKW Brokdorf. Nach dem GAU von Tschernobyl protestieren zehntausende Menschen gegen die Atomenergie.
1987
Schwerer Unfall in Schacht 1 des Bergwerks in Gorleben. „Transnuklearskandal“ betrifft auch Atommüll im Zwischenlager, Proteste gegen den Bau der PKA.
1988
Kreuzweg der Schöpfung führt von Wackersdorf nach Gorleben, Schmiergeldskandal, „Wir stellen uns quer“ – Proteste gegen den ersten Probecastor ins Zwischenlager.
1989
Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.
1990
„Ein Hauch der Freien Republik Wendland wehte durch den Gorlebener Tann…“, als auf dem Bauplatz der PKA Hütten errichtet werden. Aktivist*innen besetzen im Sommer den Förderturm in Gorleben, zum Jahresende Baustopp und SPD-Versprechen.
1991
Proteste gegen die Anlieferung von Mol-Container, PKA-Bauplatzbesetzung, erneuter „Castor-Alarm“ und nächster Baustopp im Erkundungsbergwerk.
1992
Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
1993
Sitzblockaden gegen Atommüll-Lieferungen, „Wege aus der Gorleben-Salzstock-Sackgasse“, Energiekonsens-Gespräche und hohes Bussgeld gegen Turmbesetzer*innen.
1994
Widerstandscamp „Castornix“ und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.
1995
Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion „ausrangiert“ will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
1996
10 Jahre nach Tschernobyl, „Wir stellen uns quer!“ gegen den zweiten Castor nach Gorleben.
1997
Gewaltsame Räumung für den dritten Castor, Griefahn knickt ein & mehr Geld von der BLG.
1998
Einwendungen gegen die PKA, Castortransport nach Ahaus, Transportestopp nach verstrahlten Behältern, Einstieg in den Atomausstieg und Moratorium im Salzstock.
1999
„Flickschusterei“ um Atomausstieg & AkEnd, Stunkparade nach Berlin und die Ankündigung, dass sich beim nächsten Castor X-tausend Menschen querstellen werden.
2000
Defekte Brücke und unsichere Behälter verhindern Castorlieferung, Atomkonsens „alles Lüge“, denn er sichert den Weiterbetrieb der AKW und Moratorium im Salzstock.
2001
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.
2002
25 Jahre nach der Standortbenennung künftig keine Wasserwerfer mehr gegen den Widerstand, Freispruch im Süschendorf-Prozess, Ver-rück-te Dörfer gegen zwölf Castorbehälter, Rechenfehler und ein Abschlussbericht des AKEnd.
2003
Betonklötze für Betonköpfe, „Fest zum Protest“, der Salzstock wird besetzt, der siebte Castor rollt. Atomausstieg: das AKW Stade geht vom Netz – aber die Endlagersuche bleibt weiter unklar.
2004
Schienensitzen ist keine Straftat, das Einkesseln rechtswidrig, Trash People in Gedelitz, eine Veränderungssperre für den Salzstock zemetiert dessen Sonderstellung. Der Castortransport im Herbst verändert alles: Sebastién wird überfahren und stirbt.
2005
25 Jahre nach der „Republik Freies Wendland“ und 10 Jahre nach dem ersten Castortransport ist die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst. In die Debatte um die Entsorgung des Atommülls und die Zukunft der Atomenergie kommt Bewegung, die Veränderungssperre für den Salzstock wird verlängert. Container brennen, Bauern ziehen sich aus – und im November rollt der nächste Atommüllzug ins Zwischenlager.
2006
Geologe Grimmel warnt vor Erdbeben, die CDU kann sich in Gorleben ein Untertagelabor vorstellen. „Wir sind gekommen um zu bleiben“: Castorproteste im Herbst mit einer eigenen „Allgemeinverfügung gegen Atomwirtschaft und Polizeiwillkür“ und ein Offenbarungseid von Umweltminister Sigmar Gabriel.
2007
Der Widerstand feiert 30 Jahre Protest, ein Probecastor im Sommer aber keine „heiße Fracht“ im Herbst, stattdessen Kinderkrebsstudie und G8-Gipfel in Heiligendamm.
2008
Endlager-Symposium & Probebohrungen in Hamburg, absaufende Asse-2, 1 Millionen Jahre Endlager-Sicherheit und ein nächster Castortransport im November.
2009
Brisante Enthüllungen: Gorleben wurde aus politischen Motiven zum Endlagerstandort. Seit Jahren wird nicht nur „erkundet“, sondern ein Endlager gebaurt. „Mal so richtig abschalten“ – ein Protest-Treck aus dem Wendland führt zu einer großen Demo gegen AKW-Laufzeitverlängerung nach Berlin. Kein Castortransport, seit Oktober finden jeden Sonntag Spaziergänge um das Bergwerk statt.
2010
Krümmel-Treck, Ketten-Reaktion, Atomkraft-Schluss!, Castor XXL: die Antwort auf die AKW-Laufzeitverlängerung sind die größten Anti-Atom-Demonstrationen, die es in Deutschland je gab.
2011
Bundesweite Anti-Atom-Proteste nach dem Fukushima-GAU, neuer Atomausstieg, gorleben365 und ein „Rekord-Castor“ – der letzte, der nach Gorleben rollte.
2012
Das „Wendejahr“ mit zahlreichen Werksblockaden unter dem Motto „gorleben365“ und der zentralen Forderung zur Endlagersuche auf der „weißen Landkarte“: Der Fleck Gorleben muss weg!
2013
Mit der „Beluga“ stellt Greenpeace in Gorleben ein Mahnmal auf, der Widerstand läuft Matrathon gegen das neue Standortauswahl-Gesetz.
2014
Die „neue Endlagersuche auf der weißen Landkarte“ beginnt – mit einem dicken Fleck: Gorleben. Immer wieder Proteste gegen die „Atommüllkommission“ der Regierung und tausende Unterschriften gegen weitere Castoren.
2015
Tausende feiern im Sommer an den Atomanlagen, Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht: der „Kessel von Harlingen“ war rechtswidrig.
2016
Für 23 Milliarden Euro entledigen sich die Atomkonzerne dem Atommüll, der ab sofort uns allen „gehört“. Zahlreiche Aktionen an den Atomanlagen gegen die Endlagerpläne der Bundesregierung.
2017
Auch 40 Jahre nach der Standortbenennung ist der Widerstand „lebendig“, Betreiber der Atomanlagen wird der Bund, Castoren auf dem Neckar und letzte Befahrung des Gorleben-Schachts.
2018
Neuer Betreiber will Aus für die PKA, Langzeitlagerung von Castoren rückt in den Fokus, Kritik an der Arbeit des „Nationalen Begleitgremiums“.
2019
30 Jahre Kulturelle Landpartie, 40 Jahre nach dem Treck nach Hannover. Abriss der Schutzmauer um das Bergwerk.
2020
Im „Corona-Jahr“ wird Gorleben Ende September völlig unerwartet aus der weiteren Suche nach einem Atommülllager ausgeschlossen. Nach über 40 Jahren Protestgeschichte ist es vorbei. Im Herbst rollt der erste Castor durch Deutschland, der eigentlich nach Gorleben sollte.
2021
10 Jahre nach Fukushima hat die Corona-Pandemie Deutschland fest im Griff, nur wenige öffentliche Aktionen finden statt. Viel Kritik an Online-Veranstaltungen zur Endlagersuche. Im Sommer der vierte Kreuzweg von Gorleben nach Lützerath. Im Herbst das Versprechen: der Salzstock wird verfüllt.
2022
Das dritte Corona-Jahr beginnt mit einem Schicksalsschlag: völlig unerwartet stirbt Jochen Stay. Mit einem großen Festival feiern Anfang Juni tausende Menschen in Gorleben das Endlager-Aus und den Atomausstieg. Doch zum Jahresende die Ernüchterung: Die AKW-Abschaltung wird verschoben.
2023
Doch kein Atomausstieg zum 31.12.2022 – drei Atomkraftwerke laufen über das Jahr hinaus. Der Protest geht weiter.
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