Gorleben-Chronik
2016 - Atomkonzerne kaufen sich frei
Für 23 Milliarden Euro entledigen sich die Atomkonzerne dem Atommüll, der ab sofort uns allen "gehört". Zahlreiche Aktionen an den Atomanlagen gegen die Endlagerpläne der Bundesregierung.
Januar
Beim traditionellen Neujahrsempfang der BI an den Schachtanlagen trafen sich wieder mehr als 100 Menschen und eröffneten das Widerstandsjahr 2016.
März
Am 7. März stirbt die Mitbegünderin der BI, Marianne Fritzen. Sie wollte es nicht sein und war es doch: die Ikone des Widerstands.
Fukushima jährt sich zum 5. Mal. Und immer wieder treffen sich montags Menschern zur Mahnwache. Diesmal sind es mehr als 120, begleitet von Treckern der Bäuerlichen Notgemeinschaft.
April
Kein Aprilscherz: Zum wiederholten Male wird im Fasslager ein angerostetes Fass entdeckt. War ja klar, dass das so weiter geht.
Mai
Und wieder sind tausende von Menaschen am Freitag, 13.5. auf der Widerstandsparty der BI im Rahmen der KLP. Das macht deutlich : Trotz Beschwichtigungen der Endlagersuchkommission geht der Widerstand weiter.
Am 25.5. haben hunderte von Betrieben und Privatpersonen, die IG Metsll Küste, Winkraftbetreiber und Solaranlagenbetriebe gegen die Demontage der Energiewende durch Gabriel und Kauder protestiert. Motto der Aktion 5vor12.
Am 31.5. lässt das Gorleben Archiv den bekannten Bauernkalender elf jahre nach dem ersten Erscheinen wieder aufleben. 13 Bäuerinnen und Bauern hatten sich ausgezogen und fotografieren lassen um Geld für den Widerstand zu generieren.
Juni
Bei der Aktion Schulterschluss wenden sich neben den bekannten AtomkritikerInnen BI, Bäuerlicher Notgemeinschaft und den betroffenen GrundstückseigentümerInnen auch der Kirchenkreis, die Kreisverbände der Parteien SPD, Grüne und FDP, die Kreisgruppen von BUND und NABU, DGB und einige andere Gruppen gegen das Offenhalten Gorlebens bei den Ergebnissen der Endlagerkommission.
Juli
Mit der Übergabe und Vorstellung des Abschlussberichts beendet die "Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe" am 5. Juli ihre Tätigkeit. Sie empfiehlt Suchkriterien, die so vage sind, dass selbst der marode Salzstock in Gorleben damit weiter als Atommülllager in Frage kommt. Bäuer*innen aus dem Wendland protestieren mit ihren Treckern in Berlin.
200 Menschen und etliche Trecker treffen sich am 14. Juli zum Sonntagsspaziergang und Gorlebengebet. Sie demonstrieren gegen die Aussagen der Endlagerkommission und sehen in der Beibehaltung Gorlebens keine konsensfähige Haltung. Es war übrigens der 350. Sonntagsspaziergang, Dabei filmten die Wachschutzleute der DBE rechtswidrig die Teilnehmer.
Am 28. Juli feiert die Castorgruppe Höhbeck ihr 21jähriges Bestehen – und immer noch sind mehr als 50 Menschen dabei. Am gleichen Wochenende findet das vierte E-Ventschau-Festival statt, dessen Erlös an Kinder aus Tschernobyl und Fukushima geht.
Wieder rechtliche Niederlage der Polizei vor dem Bundesverfassungsgericht, das am 10. August entscheidet, dass auch bei Schienenblockaden Demonstranten nicht einfach ohne richterlichen Beschluss festgehalten werden dürfen.
Wenzel & Weil in Gorleben
Nachdem zum wiederholten Male Rostfässer im Fasslager gefunden wurden, findet am 27. August eine Demonstration in Gorleben statt. Brisant für den niedersächsischen MP Weil und den grünen Umweltminister Wenzel, die sich an diesem Tag im Gasthaus Wiese in Gedelitz vor 200 Menschen rechtfertigen müssen.
700 Menschen demonstrieren am 29. Oktober in Lingen für die sofortige Schließung des dortigen AKW.
Ein Transport mit schwach und mittelaktiven Müll wird am 2. November kurzfristig gestoppt. Menschen aus Küsten bemerken den Transport und alarmieren andere.
Martinstag (10. November) im Gorleber Wald: Mehr als 100 Atomkraftgegner*innen treffen sich mit Xen und Wichteln, um Glühwein zu trinken.
Schon wieder Rostfässer ! (22. November)
Am 12. Dezember findet die 300. Mahnwache zu Fukushima in Dannenberg statt. 20 Menschen sind immer noch dabei.
Atommüll wird verstaatlicht
Der Bundestag erteilt am 18. Dezember den Atomkonzernen Absolution und nimmt dafür Ablasszahlungen von 23 Milliarden Euro entgegen. Jetz soll der Atommüll staatlich weggezaubert werden.
Salinas schafft den Break-Even-Point. Seit dem 21. Dezember wird das Salz auch von der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky verkauft.
Die ganze Geschichte:
…und davor – Die Anfänge bis 1972
Die Anfänge: Erste Überlegungen, Atommüll in Salz zu lagern – statt ihn in der Tiefsee zu versenken. Gasexplosion im Salzstock Gorleben-Rambow.

1973 – Zwei AKW für das Wendland
1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.

1974 – Erste bundesweite Endlagersuche
Die Standortsuche für ein Atommülllager beginnt. Das Credo: So lange die Anlage genug Platz hatte und niemanden störte, war alles gut. Der Standort Gorleben hatte damit nichts zu tun.

1975 – Großer Waldbrand bei Trebel
Im August 1975 bricht bei Trebel ein großer Waldbrand aus. Die Bundesregierung geht bei der Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) davon aus, dass mehrere Salzstöcke parallel untersucht werden müssten. Gorleben gehört nicht dazu.

1976 – Der Standort „Gorleben“ taucht auf
(…) In einer zweiten Version der TÜV-Studie wurde handschriftlich der Standort Gorleben ergänzt und als am besten geeignet befunden. (…)

1977 – Das Jahr der Standortbenennung
Die Bedenken sind stark, doch Gorleben wird trotzdem zum Standort für den Bau eines gigantischen „Nuklearen Entsorgungszentrums“ benannt. Daraufhin finden erste Großdemonstrationen statt.

1978 – Ein Koffer voll Geld
Innerhalb von 5 Tagen sammeln Gorleben-Gegner*innen 800.000 DM, um der DWK beim Kauf weiterer Grundstücke über dem Salzstock Gorleben zuvor zukommen.

1979 – Treck nach Hannover – WAA „nicht durchsetzbar“
Im März 1979 findet der legendäre „Treck nach Hannover“ statt. Nach einer Großdemonstration in der Landeshauptstadt verkündet Niedersachsens Ministerpräsident Albrecht das Aus für die WAA-Pläne in Gorleben.

1980 – „Republik Freies Wendland“
Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der „Republik Freies Wendland“. Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.

1981 – Die Zweifel in Gorleben werden größer, nicht kleiner
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.

1982 – „Tanz auf dem Vulkan“
Baubeginn des Zwischenlagers wird mit Aktionen im Grenzstreifen zur DDR beantwortet, militante Eskalation beim „Tanz auf dem Vulkan“ und immer schlechtere Bohrergebnisse. Plötzlich ist das Wendland mit Dragahn wieder als ein WAA-Standort im Gespräch.

1983 – Dragahn: Eine WAA wird verhindert
Proteste gegen die Pläne, in Dragahn eine WAA zu errichten. „Gorleben statt Kreta“ und Demos im Grenzgebiet zwischen der DDR und BRD. Das Bundeskabinett unter Helmut Kohl stimmt der „untertägigen Erkundung“ des Salzstocks Gorleben zu.

1984 – Menschenkette und Tag X
„Das Vertrauen hat sehr gelitten“: Menschenkette und Wendland-Blockade gegen die WAA-Pläne. Unter erheblichem Protest erreicht ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben.

1985 – „Spudok“-Affäre, Probe-Castor und Kreuzweg
Ein erster leerer Probe-Castor erreicht das Wendland. Der erste Kreuzweg führt vom AKW Krümmel nach Gorleben. Nach Anschlägen auf die Bahn werden die Daten von tausenden Gorleben-Gegner*innen von der Polizei gespeichert – und damit eine ganze Szene pauschal kriminalisiert.

1986 – Baubeginn im Bergwerk, Wackersdorf & Tschernobyl
Baubeginn im Bergwerk Gorleben. Heftige Auseinandersetzungen um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und das AKW Brokdorf. Nach dem GAU von Tschernobyl protestieren zehntausende Menschen gegen die Atomenergie.

1987 – 10 Jahre Protest in Gorleben
Schwerer Unfall in Schacht 1 des Bergwerks in Gorleben. „Transnuklearskandal“ betrifft auch Atommüll im Zwischenlager, Proteste gegen den Bau der PKA.

1988 – „Wir stellen uns quer!“
Kreuzweg der Schöpfung führt von Wackersdorf nach Gorleben, Schmiergeldskandal, „Wir stellen uns quer“ – Proteste gegen den ersten Probecastor ins Zwischenlager.
1989 – Castor-Alarm im Wendland
Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.

1990 – PKA-Bauplatz- und Turmbesetzung
„Ein Hauch der Freien Republik Wendland wehte durch den Gorlebener Tann…“, als auf dem Bauplatz der PKA Hütten errichtet werden. Aktivist*innen besetzen im Sommer den Förderturm in Gorleben, zum Jahresende Baustopp und SPD-Versprechen.

1991 – Mol-Skandal & Baustopp
Proteste gegen die Anlieferung von Mol-Container, PKA-Bauplatzbesetzung, erneuter „Castor-Alarm“ und nächster Baustopp im Erkundungsbergwerk.
1992 – Viel Geld für den Landkreis
Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
1993 – CASTOR-HALLE-LUJA und Endlagerhearing
Sitzblockaden gegen Atommüll-Lieferungen, „Wege aus der Gorleben-Salzstock-Sackgasse“, Energiekonsens-Gespräche und hohes Bussgeld gegen Turmbesetzer*innen.
1994 – Pleiten, Pech und Pannen: „Castornix“
Widerstandscamp „Castornix“ und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.

1995 – Tag X, Backpulver & Stay rude-stay rebel
Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion „ausrangiert“ will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
1996 – „Wir stellen uns quer!“
10 Jahre nach Tschernobyl, „Wir stellen uns quer!“ gegen den zweiten Castor nach Gorleben.

1997 – Stunkparade gegen Sixpack
Gewaltsame Räumung für den dritten Castor, Griefahn knickt ein & mehr Geld von der BLG.

1998 – Castor-Skandal und TagX4 in Ahaus
Einwendungen gegen die PKA, Castortransport nach Ahaus, Transportestopp nach verstrahlten Behältern, Einstieg in den Atomausstieg und Moratorium im Salzstock.

1999 – „Gerhard, wir kommen“ & X-tausendmal quer
„Flickschusterei“ um Atomausstieg & AkEnd, Stunkparade nach Berlin und die Ankündigung, dass sich beim nächsten Castor X-tausend Menschen querstellen werden.

2000 – Atomkonsens & Moratorium
Defekte Brücke und unsichere Behälter verhindern Castorlieferung, Atomkonsens „alles Lüge“, denn er sichert den Weiterbetrieb der AKW und Moratorium im Salzstock.

2001 – X-tausendmal quer & Widersetzen
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.

2002 – Castor im „dreckigen Dutzend“
25 Jahre nach der Standortbenennung künftig keine Wasserwerfer mehr gegen den Widerstand, Freispruch im Süschendorf-Prozess, Ver-rück-te Dörfer gegen zwölf Castorbehälter, Rechenfehler und ein Abschlussbericht des AKEnd.

2003 – Der Castor kommt, wir sind schon da!
Betonklötze für Betonköpfe, „Fest zum Protest“, der Salzstock wird besetzt, der siebte Castor rollt. Atomausstieg: das AKW Stade geht vom Netz – aber die Endlagersuche bleibt weiter unklar.

2004 – Castor-Proteste nehmen dramatische Wendung
Schienensitzen ist keine Straftat, das Einkesseln rechtswidrig, Trash People in Gedelitz, eine Veränderungssperre für den Salzstock zemetiert dessen Sonderstellung. Der Castortransport im Herbst verändert alles: Sebastién wird überfahren und stirbt.

2005 – 10 Jahre Castor, Entsorgungsfrage weiter ungelöst
25 Jahre nach der „Republik Freies Wendland“ und 10 Jahre nach dem ersten Castortransport ist die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst. In die Debatte um die Entsorgung des Atommülls und die Zukunft der Atomenergie kommt Bewegung, die Veränderungssperre für den Salzstock wird verlängert. Container brennen, Bauern ziehen sich aus – und im November rollt der nächste Atommüllzug ins Zwischenlager.

2006 – Seit 30 Jahren Widerstand im Wendland
Geologe Grimmel warnt vor Erdbeben, die CDU kann sich in Gorleben ein Untertagelabor vorstellen. „Wir sind gekommen um zu bleiben“: Castorproteste im Herbst mit einer eigenen „Allgemeinverfügung gegen Atomwirtschaft und Polizeiwillkür“ und ein Offenbarungseid von Umweltminister Sigmar Gabriel.

2007 – Ein Jahr ohne Castor
Der Widerstand feiert 30 Jahre Protest, ein Probecastor im Sommer aber keine „heiße Fracht“ im Herbst, stattdessen Kinderkrebsstudie und G8-Gipfel in Heiligendamm.

2008 – Asse-2 säuft ab
Endlager-Symposium & Probebohrungen in Hamburg, absaufende Asse-2, 1 Millionen Jahre Endlager-Sicherheit und ein nächster Castortransport im November.

2009 – Treck nach Berlin
Brisante Enthüllungen: Gorleben wurde aus politischen Motiven zum Endlagerstandort. Seit Jahren wird nicht nur „erkundet“, sondern ein Endlager gebaurt. „Mal so richtig abschalten“ – ein Protest-Treck aus dem Wendland führt zu einer großen Demo gegen AKW-Laufzeitverlängerung nach Berlin. Kein Castortransport, seit Oktober finden jeden Sonntag Spaziergänge um das Bergwerk statt.