GORLEBEN-CHRONIK

THEMENECKE

Hier finden sich Ausschnitte, wichtige Kapitel aus 40 Jahren Protest- & Widerstandsgeschichte gegen die Atomanlagen Gorleben. Es handelt sich um Auszüge aus der Gorleben-Chronik, eine unvollständige Auswahl besonderer Ereignisse:

2009:

Anti-Atom-Treck 2009

Im "Anti-Atom-Jahr" unter dem Motto "Mal richtig abschalten" endet am 9. September ein Treck aus dem Wendland mit einer großen Demonstration vor dem Brandenburger Tor.

2009


18.04.2009

Am 18. April treffen sich Aktivist*innen u.a. aus dem Wendland in Hannover zur Planung des Protest-Trecks nach Berlin im September.

21.05.2009

Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten (21. Mai - 1. Juni) findet im Wendland die Kulturelle Landpartie statt. Allgegenwärtig ist der Aufruf zur Demo "Mal richtig abschalten!" am 5. September in Berlin.

Infotour durch Deutschland


05.07.2009

Mit einem "Infobus" startet die Bürgerinitiative Umweltschutz am 5. Juli in Gorleben zu einer bis 3. August dauernden 4.000 km langen Rundtour zu atomaren Brennpunkten und befreundeten Initiativen in Deutschland, der Schweiz und Tschechien. Die "Münchhausen-Gesellschaft für Akzeptanzförderung (MgfA)" führt einen Bohrturm zur Suche nach geeigneten Endlagerstandorten mit sich.

"Irgendwann in diesem Juli, irgendein Marktplatz, irgendwo in Deutschland. Von Ferne kündet ein wummernder Diesel, dass hier gleich Großes geschehen wird. Und dann biegt er aus irgendeiner engen Gasse auf den historischen Platz ein – Stern voraus: der große Bus mit den Atomphysikern, Managern, Ingenieuren und Arbeitern, deren Aufgabe es ist, zu prüfen, ob dieser hübsche Platz nicht eignungshöffig ist. Ob hier, im Zentrum von Erfurt, München, Köln oder Münster, nicht eines der vielen notwendigen Atommüllendlager entstehen könnte. Denn in Gorleben, so sagen die aus dem Bus, da gehe es nicht, und in der Asse – na, man wisse ja!" (...) "Am Ende dieses Sommermorgens in Erfurt, München, Köln oder Münster gibt es keinen Zweifel mehr, dass ein neuer Standort für ein atomares Endlager gefunden ist. Die Atomphysiker, Manager, Ingenieure und Arbeiter feiern den Erfolg ihrer Bemühungen, der ihnen schon so häufig vergönnt war – irgendwann in diesem Juli, auf irgendeinem Marktplatz irgendwo in Deutschland."


Die Stationen:

- Sonntag, 5. Juli – Morsleben, ehemaliges Atommüllendlager
- Montag, 6. Juli – Erfurt
- Dienstag, 7. Juli – Wismut, ehemaliges Uranabbaugebiet
- Mittwoch, 8. Juli – Grafenrheinfeld, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk
- Donnerstag, 9. Juli – Nürnberg / Erlangen
- Freitag, 10. Juli Wackersdorf / Schwandorf, geplanter Standort einer Wiederaufarbeitungsanlage
- Samstag, 11. Juli München
- Sonntag, 12. Juli Passau
- Montag, 13. Juli Temelin (Tschechien), in Betrieb befindliches Atomkraftwerk
- Dienstag, 14. Juli Linz (Österreich)
- Mittwoch, 15. Juli Ohu / Isar, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk
- Donnerstag, 16. Juli Gundremmingen, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk
- Freitag, 17. Juli Benken (Schweiz), geplantes Atommüllendlager
- Samstag, 18. Juli Schönau, Ökostrom-Vorzeigestadt
- Sonntag, 19. Juli Fessenheim (Frankreich), Wyhl, Weissweil, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk, Wyhl: verhindertes AKW
- Montag, 20. Juli Emmendingen, Ludwigsburg, Aktionen in den Städten
- Dienstag, 21. Juli Neckarwestheim, Karlsruhe, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk, Forschungszentrum, ehem. WAA
- Mittwoch, 22. Juli Biblis, Frankfurt, Rüsselsheim, in Betrieb befindliches Atomkraftwerk, Fr.-Kelsterbach: Widerstand gegen geplante Flughafenerweiterung
- Donnerstag, 23. Juli Hanau, Kahl, ehemals großer Standort der Atomindustrie: u.a. Brennelementefertigung, Plutoniumlager, heute Atommülllager; Kahl: ehem. Atomanlagen; geplatztes Kohlekraftwerk
- Freitag, 24. Juli Büchel, Atomwaffenstützpunkt
- Samstag, 25. Juli Köln, Anti-Atom-Treffen gegen Urantransporte
- Sonntag, 26. Juli Köln, Aktion beim Kölner Dom
- Montag, 27. Juli Jülich, Atom-Forschungszentrum mit Reaktoren und Atommülllager
- Dienstag, 28. Juli Ahaus, Brennelementezwischenlager
- Mittwoch, 29. Juli Münster, Aktion auf dem Markt in Münster
- Donnerstag, 30. Juli Gronau und Almelo (Niederlande), Urananreicherungsanlagen
- Samstag, 01. August Lingen, Esensham, Oldenburg, in Betrieb befindliche Atomkraftwerke (Emsland, Unterweser), Brennelementeherstellung

16.08.2009

Am 16. August trifft sich Monika Tietke von der Bäuerlichen Notgemeinschaft in Hamburg mit zwei Dutzend Inhaber*innen von kleinen und mittleren Unternehmen, unterstützt von einer rollenden Bühne mit Livemusik an mehreren Orten. Der Treck nach Berlin wird durch 15 Patenschaften für Traktoren unterstützt:

"Mit der fortdauernd hochriskanten Nutzung der Atomkraft wird die Bevölkerung von der Atomindustrie und ihren Lobbyisten in der Bundesregierung regelrecht in Geiselhaft genommen. Deshalb mischen wir uns jetzt ein: Für den sofortigen Atomausstieg!", erklären die Unternehmer*innen.

22.08.2009

Auch in Lüneburg wird für den Anti-Atom-Treck mobilisiert: am 22. August mit einer Aktion mit Trecker auf dem Lambertiplatz, am 27. August zeigt graswurzel.tv Kurzfilme in der Hausbar, am 29. August findet ein Infostand in der Bäckerstraße statt.

Treck nach Berlin - Mal so richtig abschalten!


29.08.2009

FotosFilm
Unter dem Motto "Mal richtig abschalten" startet am 29. August in Gorleben der "Treck nach Berlin", zu dem die Bäuerliche Notgemeinschaft, die BI Lüchow-Dannenberg und zahlreiche Umwelt- und Anti-Atom-Initiativen aufgerufen haben. Ein 7tägiger Protestzug gegen die von der Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke und gegen den Standort Gorleben führt von Gorleben zu den Atommüll-Standorten Asse-2, Schacht Konrad und Morsleben.

Vor der Wahl ist nach der Wahl - Auf nach Berlin, adieu Gorleben!

"Auch wenn man gewöhnt ist, den ganzen Tag auf dem Trecker zu sitzen: Schon auf der einstündigen Fahrt nach Gorleben ist mir klar, dass unsere Protest-Tour nicht nur Spaß wird...", schreibt Mathias Edler im Greenpeace-Blog.


Am 29. August, pünktlich um 10 Uhr, werfen 50 (statt der erwarteten 30) Bäuerinnen und Bauern ihre Trecker an und starten zur ersten Etappe des Anti-Atom-Wochentrecks. Zusammen mit den Begleitfahrzeugen zieht der kilometerlange Tross über Braunschweig zum Schacht Konrad, wo er am Abend vom Kreislandwirt Martin Bosse begrüßt wird.

Vor 150 Treckern und 1.000 Leuten, die zur Verabschiedung des Wochentrecks nach Gorleben gekommen sind, gibt Carsten Niemann von der Bäuerlichen Notgemeinschaft die kämpferische Parole aus:

"Wir haben die Lügen und Verdrehungen satt. Egal, welche Partei am 27. September die Wahl gewinnt, mit uns muss man rechnen. Wir wollen, dass endlich Schluss ist mit der Atomkraft! (...) Alles was wir Atomkraftgegner in den letzten 30 Jahren gesagt und befürchtet haben, bestätigt sich jetzt. Die Asse für tausende Jahre geplant – säuft nach 30 Jahren ab. Morsleben, von Angie und Kohl über die Wende gerettet, stürzt ein. Und hier in Gorleben, politisch bestimmt zum Standort geworden, die Lüge des Jahrhunderts. Hier wird nur erkundet, wurde uns 20 Jahre vorgelogen. (...) Es geht um uns, unsere Familien, um Euch alle hier. Und jetzt fahren wir nach Berlin. Wir werden drei Wochen vor der Wahl jedem, der regieren will, deutlich sagen: Steigt aus! Hört endlich auf mit diesem Scheiß!"

"Vielen Menschen wird allmählich klar, es gibt kein Endlager, nur Katastrophen wie in der Asse und Morsleben. Die Wahrheit zu Gorleben setzt sich endlich durch, dieser Standort ist geologisch unmöglich und politisch verbrannt. Reaktorrisiko plus Entsorgungslüge gleich Sofortausstieg", bringt es BI-Sprecher Wolfgang Ehmke auf eine kurze Formel.


Die erste Etappe führt von den Gorlebener Atomanlagen über Lüchow nach Reddebeitz.

Harry und der 8te Gang: "Der fährt seine 30km/h", so die telefonische Ansage von Wiese, die den Trecker stellen. "Da geht nicht mehr", die Antwort von Harry. Nächstes Telefonat. "Der fährt seine 30!". Das geht noch 2-3 Mal so weiter. Dann die Auflösung: der Trecker hat acht Gänge. Harry fährt seit Gorleben im siebten. Nun kann er wieder lachen und wird nicht mehr geschubst.

August

30.08.2009

Um 8 Uhr startet ein kleiner Treck aus Lüneburg mit 4 Treckern, 20 Radfahrern und noch ein paar anderen Gefährten. Gegen 11.00 Uhr Kundgebung in Uelzen am Bahnhof. Sieben Trecker und etwa 50 Radfahrer:innen zuckeln über Bad Bodenteich, Wittingen bis Ehra und treffen dort auf den Treck aus Richtung Wendland.

30.08.2009

Treck-Tag 2: Eine kilometerlange Treckerkaravane aus 50 Treckern und diversen Begleitfahrzeugen rollt auf Braunschweig zu. 400 Radfahrer:innen begleiten den Treck in der Innenstadt, hunderte Menschen säumen die Straßen, auf dem Schlossplatz werden die Trecker von über 1000 Menschen jubelnd empfangen. Robin Wood-Aktivist:innen entrollen am Schlossplatz ein großes Transparent. Nach einer Kundgebung rollen 80 Traktoren, 30 Begleitfahrzeuge und dutzende Rafahrer*innen weiter mit Ziel Schacht Konrad bei Salzgitter. Vor dem Schacht Konrad findet eine Kundgebung statt.

31.08.2009

Treck-Tag 3: Um halb Zehn ist Abfahrt nach Salzgitter, auf einer Kundgebung vor dem Rathaus spricht u.a. der Landrat. Vom Dach weht eine große Anti-Atom-Sonne. Anschließend findet vor dem VW-Werk eine weitere Kundgebung statt. Den Treck-Aktivist*innen wird von der VW-Belegschaft, von denen sich viele seit Jahren gegen das geplante Endlager in Schacht Konrad engagieren, ein "goldener Motor" für den weiteren Widerstand überreicht. Auf dem Rückweg Richtung Camp befestigen zwei Kletterer eine große Anti-Atomsonne zwischen die Brückenpfeiler über der Fahrbahn. In Andenken an den Treck vor 30 Jahren bekommt die Stadt Salzgitter einen Gedenkstein: Ein dicker, schwerer Findling mit Anti-Atom-Gravur.

Am Nachmittag besuchen einige Aktivist*innen mit ihren Landmaschinen den Schacht Konrad. Es wird am Tor gerüttelt, das nachgibt. Es kommt zu Rangeleien mit der Polizei. Irgendwann in der Nacht entsteht auch das Lied "Die Tür ist kaputt" von der wendländischen Band "ASB", die den Treck begleitet.

01.09.2009

Treck-Tag 4: Pastor Westphal gibt gegen 10.00 Uhr dem Treck einen "Reisesegen". Spontan wird das Einfahrtstor zu Schacht Konrad 2 blockiert: Um dem Bundesumweltminister, der ebenfalls in Salzgitter unterwegs ist, die Chance zu geben, sich zu erklären, hat der Anti-Atom-Treck spontan einen Kreisel und eine Straße unweit des geplanten Einlagerungsschachtes KONRAD 2 besetzt. Gabriel hat jetzt eineinhalb Stunden Zeit, zum Treck zu kommen und sich zu erklären.

KONRAD-Kläger Landwirt Walter Traube: "Wir haben das Desaster in ASSE II und wir haben das Desaster in Morsleben. Der Bund als Betreiber darf nicht so tun, als habe dies keine Konsequenzen für Schacht KONRAD" Immerhin hätten die gleichen Behörden und die gleichen Gutachter an beiden Projekten gearbeitet. Die Forderung: Gabriel soll erklären, welche Konsequenzen er aus ASSE II für KONRAD zieht.

Bei strahlendem Sonnenschein findet Mittags auf dem Schlossplatz von Wolfenbüttel eine Kundgebung statt. Bei "Volksfest-Stimmung" übergeben in Sickte örtliche Initiativen dem Treck ein "Asse-A", der Bürgermeister bekommt die Wendlandfahne. 100 Kuchen versüßen die Strapazen, ohne Fahrtwind in der brennenden Sonne zu rollen... In der Nähe zum Schacht Asse-2 wird das Nachtlager aufgebaut. Am Abend findet eine Kundgebung mit dem Motto "Nacht am Schacht" statt.

02.09.2009

Treck-Tag 5: Am Vormittag wird die Asse-2 besucht, am Tor gerüttelt, es geht auf. 20 Aktivist*innen erklimmen den Förderturm, Trecker blockieren den Eingang, ca. 100 Atomkraftgegner*innen inspizieren das gesamte Asse-II Gelände.

Der Treck startet gegen 10.00 Uhr auf seine 4. Etappe, kurvt durch Remlingen nach Schöppenstedt, wo eine Begrüßung durch die Samtgemeinde-Bürgermeisterin stattfindet. Der Halt in den Gassen von Schöppenstedt ist angesichts des mittlerweile 3-4km langen Trecks eine Herausforderung. Über Schöningen führt die Fahrt nach Helmstedt, wo nachmittags eine Kundgebung stattfindet. Die Traktoren werden auf dem Marktplatz von Helmstedt nach einem Korso durch die Stadt abgeparkt. Abends am Treckplatz in Bad Helmstedt findet ein Fest mit Life-Musik statt.

03.09.2009

FotosFilm
Treck-Tag 6: Früh am Morgen starten einige Gespanne zurück zur Asse-2. Dort wird Bundesumweltminister Sigmar Gabriel empfangen. Nach seiner Auffassung, wiederholt Gabriel, sei "Gorleben tot".

Seit 8.30 Uhr sind die Trecker auf dem Weg zum Endlager Morsleben.

Atommüllendlager Morsleben, Schachteingang. Eigentlich wollten wir hier auf unserer mobilen Bühne die Hintergründe der Endlagermisere erläutern. Doch es kommt alles anders. Vor dem Tor zum "Kerntechnischen Gelände" steht Magdeburger Polizei. Die gleiche Einheit, die 1997 die große Sitzblockade von 9.000 Menschen vor dem Castorverladekran im Wendland mit gezückten Messern aufgelöst hat. Glaubt keiner, ne? Aber es gibt Bilder davon und die hatten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Sachsen-Anhalt zur Folge - offenbar ohne Erfolg. (Greenpeace-Blogbeitrag, M. Edler)


Etwa 200 Aktivist*innen rütteln am äußeren Tor zum Bergwerksgelände und gelangen auf das Gelände. Ihnen gegenüber steht eine Polizeikette mit Hunden. Bei der Räumung des Geländes setzt die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein, es gibt mehrere Verletzte. Zwei Aktivisten klettern auf einen Siloturm und hissen Transparente mit der Forderung: "Stoppt das dreckige Atomgeschäft".

Nachdem sich die Lage zwischenzeitlich beruhigt hatte, ging die Polizei erneut gegen den Treck vor, als Atomgegner am Zaun einen Findling aus Gorleben ablegten. Ein Bauer, der seine Personalien nicht angeben wollte, wurde von Polizisten weggeschleppt. Ein Beamter fuchtelte sogar mit seiner Pistole herum und soll sie, wie Augenzeugen berichten, einem Landwirt an die Schläfe gehalten haben. Etliche Atomgegner wurden durch Tränengas und Knüppelschläge teils erheblich verletzt und mussten sich dazu Gelächter und hämische Sprüche der Polizisten anhören. Eine Treck-Sanitäterin versorgte auch Beamte, die das Pfefferspray von Kollegen abbekommen hatten. (taz)

Eine Polizeieinheit aus Magdeburg wird hinzugezogen und "prügelt wahllos in die Menge". Für die Suche nach "Straftätern" errichtet die Polizei in Morsleben eine Straßensperre.

"Es gab unzählige Augenverletzungen und blutig geschlagene Aktivisten", beklagt Kerstin Rudek, die BI-Vorsitzende, als Augenzeugin. "Die wollten nach den vielen bunten Bildern den friedlichen Treck offenbar zu einem Chaoten-Konvoi stempeln." "Der Polizeieinsatz kann nicht davon ablenken, dass in Morsleben nach der Wende in den 90er Jahren unter einer Umweltministerin Angela Merkel weiter Atommüll eingelagert wurde, obwohl es große Sicherheitsbedenken bezüglich der Standfestigkeit gab." "Das ist der Skandal, nicht der bunte und freche Anti-Atom-Protest", sagte BI-Pressesprecher Wolfgang Ehmke. BI-Vorstand Gerhard Harder kündigt an, wegen der tätlichen Übergriffe Strafanzeige gegen Polizisten zu stellen.


Die weitere Route führt die vielen Fahrzeuge Richtung Magdeburg. Jedes Fahrzeug, was mit dem Treck nach Magdeburg einrollt, wird von einem Polizeiwagen, der am Straßenrand parkt mit einer Kamera auf dem Dach gefilmt. Beamte der BFE-Einheit konteollieren jeden Wagen - auf der Suche nach gefährlichen Gegenstände. Räumpanzer versperren die Weiterfahrt. Auf dem Domplatz findet schließlich eine Kundgebung statt. Am Abend wird in Genthin ein Lager eingerichtet. Es sind mittlerweile viele Fahrzeuge auf dem Weg nach Berlin:

"Ich stand an der Einfahrt und es fuhren 20min lang die Fahrzeuge vorbei..."

04.09.2009

Treck-Tag 7: Der "Wochen-Treck" startet am Morgen in Genthin Richtung Potsdam. Kurz nach dem Start ein Stopp: "weil ein Radioaktivitätszeichen am mitreisenden Castor die Bevölkerung verunsichern könnte", sagt die Polizei. Es geht weiter - mit Radioaktivitätszeichen.

"Das schlimmste ist, wenn die Tür offen ist" schmettert es aus den Boxen von ASB, die Trecker rollen, winkende Hände, schwenkende Fahnen. Die letzte Etappe liegt vor uns - Berlin wir kommen!"


Auf dem Luisenplatz in Potsdam findet eine Kundgebung statt. Der Treck rollt weiter und erreicht gegen 17.00 Uhr den letzten Rastplatz in Berlin-Gatow. Später rollt unter großem Jubel der große Treck ein - was für ein Finale! Insgesamt 270 Trecker sind auf eigener Achse oder auf Anhängern verladen heute morgen aus Lüchow dazugekommen.

"Nun sind über 300 Trecker in Gatow und scharren mit den Hufen, vor das Brandenburger Tor zu rollen."


Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) bedauert unterdessen in einem Gespräch mit den Organisator*innen des Trecks den harten Polizeieinsatz in Morsleben. Sechs niedersächsische Gewerkschafter- und Politiker*innen fordern mit einem "Niedersachsenaufruf gegen Atomkraft" den Ausstieg aus der Atomenergie und unterstützen den Anti-Atom-Treck nach Berlin.

04.09.2009

Im Wendland sammeln sich am Morgen über 200 Traktoren an einem Sammelpunkt in Jeetzel zur Fahrt nach Berlin. Die Innenstadt von Lüchow ist ab 8 Uhr früh für den Konvoi komplett gesperrt. Pünktlich um 8.15 Uhr setzt sich der Treck in Bewegung. Noch am Abend zuvor meldeten sich Landwirte, die last minute beim Anti-Atom-Protest in Berlin dabei sein wollen, sagt Hans-Werner Zachow von der Bäuerlichen Notgemeinschaft.

"Samstag erobern wir die Hauptstadt und sorgen für einen anti-atomaren Paukenschlag mit einer Mix aus buntem Massenprotest, ernsthafter Ansprache und politischem Karneval", prophezeit die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI).

05.09.2009

FotosFilm
Ein "Anti-Atom-Sonderzug" startet am Morgen in Lüneburg und bringt über hunderte Menschen über Uelzen - Schnega - Stendal nach Berlin. Viele weitere Menschen reisen aus dem ganzen Bundesgebiet mit Bussen an.

Bevor die vielen Traktoren und Begleitfahrzeuge das Camp in Gatow verlassen dürfen, werden alle einzeln von der Polizei inspiziert. Dann rollt der Tross Richtung Berlin Innenstadt. Gegen 11.00 Uhr erreichen die ersten Schlepper die Straße des 17. Juli.

Für die Trecker sind im Vorfeld der Demo weltweit Patenschaften von Atomkraftgegnern übernommen worden. Von Australien, Südamerika, Südafrika bis nach Kanada ging die die Unterstützung. An der Demo selber beteiligen sich auch viele Atomkraftgegner aus ganz Europa und den USA.

Pünktlich zur Demo veröffentlicht Greenpeace die Ergebnisse einer neuen Umfrage. Danach sind fast zwei Drittel der Bundesbürger dafür, am Atomausstieg festzuhalten. Vor allem die junge Generation befürwortet eine Wende in der Energiepolitik. 71 Prozent der befragten Schüler setzen sich für den Ausstieg aus der Atomenergie ein.

"Das Votum der Bevölkerung ist klar und jede künftige Bundesregierung wird daran zu messen sein, ob sie den Willen der Bundesbürger umsetzt oder sich zum Handlanger der Atomindustrie macht", sagt Mathias Edler, Atom-Experte bei Greenpeace. "Die Entscheidung für oder gegen eine Laufzeitverlängerung ist richtungweisend für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Chancen für Klimaschutz."


50 Traktoren und Themenwagen der Bäuerlichen Notgemeinschaft führen die Demo an, die um 13 Uhr am Hauptbahnhof startet. Rund 2000 Lüchow-Dannenberger sind per Sonderzug und mit Bussen in die Hauptstadt gekommen, dort säumen 400 Protest-Trecker die Straße des 17. Juni fast bis zur Siegessäule.

"Die Menschen standen da - mal still und tief bewegt zu Tränen gerührt - mal hoch begeistert Beifall spendend. Auch die zwischenzeitlich auftretenden Bands gaben alles für den Atomausstieg, und das kam bei den Menschen super rüber." (Subkontur)

"Das kann man nicht glauben, nur träumen!" (Worte eines sehr bewegten älteren Demonstrationsteilnehmers)


Der Berliner Hauptbahnhof ist vollgestopft mit Demonstranten. Aus allen einfahrenden Zügen quellen Atomgegner mit Fahnen, Luftballons und Transparenten. Die Vorhalle des Bahnhofs ist so voll, dass es gerade kein Durchkommen gibt.

Die Anti-AKW-Demo wird von den Radfahrern angeführt, die die Traktoren auf dem Treck vom Wendland nach Berlin begleitet haben. Ihnen folgen 50 Traktoren, die mobile StromxelXelstube und der Lautsprecherwagen der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Dahinter laufen geschätzte 30.000 Menschen mit. Ganz vorne marschiert die Spitze der Grünen, darunter Parteichefin Claudia Roth, der frühere Umweltminister Jürgen Trittin oder Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sowie Künstler*innen wie Sängerin Nina Hagen. Der Zug ist schon jetzt mehrere Kilometer lang. Als die Spitze des Demonstrationszug den Zielort, das Brandenburger Tor, erreicht, warten am Hauptbahnhof noch immer tausende Demonstrant*innen darauf, sich in den Zug einzureihen. (taz)

50.000 Menschen skandieren vor dem Brandenburger Tor: "Atomausstieg jetzt!" Heinrich und Fritz Pothmer von der Bäuerlichen Notgemeinschaft Wendland eröffnen vor dem Brandenburger Tor die Kundgebung:

"Eigentlich ist es nicht unser Job, hier zu reden. Wir sind Bauern", so Fritz Pothmer. "Eigentlich sind die Trecker, mit den wir heute hier sind, nicht zum Demonstrieren gabaut und werden auf den Höfen dringend gebraucht - gerade jetzt während der Kartoffelernte", sagte der junge Bauer. "Aber wir können nicht anders - der politische Irrsinn zwingt uns. Wir müssen auf die Straße."

"Es gibt viele Familien wie meine, die schon seit mehr als dreißig Jahre kämpfen. Sie können ihre Häuser, ihre Höfe, ihr Land und ihr Vieh nicht einfach einpacken und mitnehmen, wenn es zum Ernstfall kommt. Und die gewissenlosen Politiker und Lobbyisten kümmert das wenig", so Pothmer. "Wir stehen heute hier stellvertretend für zwei Drittel der Bevölkerung, die den Ausstieg wollen. Wie können so genannte Volksvertreter ihren Job so falsch interpretieren?"

Nach VW-Betriebsrat Ingo Hummel spricht Hubert Weiger (BUND). "Unser Lachen wird sie besiegen!", ruft Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg. "Mit Atomkraft wird es keinen Frieden mit uns geben", warnt Kerstin Rudek, BI Lüchow-Dannenberg. Musikalische Unterstützung liefern die Ohrbooten und Rantanplan. Nach der Kundgebung Gänsehaut: Alle Trecker wurden von einer jubelnden Menge auf die Reise geschickt.

"Wir schreiben Geschichte, Anti-Atom-Geschichte! Wer glaubt, dass mit dem Thema Energiepolitik und Atom niemand mehr hinter dem Ofen hervorzulocken ist, der wurde heute eines Besseren belehrt", heißt es in der Bilanz der BI. "Doch nach der Wahl ist vor der Wahl, wir messen die Politiker nicht an ihren Wahlversprechen, sondern an ihren Taten. Egal, welche Partei am 27. September die Wahl gewinnt, mit uns als außerparlamentarischer Kraft muss man rechnen. Wir werden keine faulen Atomkompromisse hinnehmen, wir fordern den sofortigen Rückbau des Bergwerks in Gorleben."


Das war heute die größte Anti-Atom-Demo seit 1986 / Tschernobyl. Über 50.000 Menschen schlossen sich dem Aufruf von Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbänden an, für den Atomausstieg, den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Aufgabe des Schwarzbaus Gorleben als Atommüllendlager zu demonstrieren.

"Atomenergie hat in Deutschland keine Zukunft! Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien", heißt es in der Abschlusserklärung des Trägerkreises der Demo. "Von dieser Demonstration geht ein klares Signal aus: Die Zeit des Wartens auf den Atomausstieg ist vorbei! Nach ASSE II und Krümmel und dem Gerede von Laufzeitverlängerungen sind die Menschen es einfach leid. Wir haben heute den Schulterschluß erlebt zwischen dem jahrzehntelangen Widerstand an den Standorten und aus den Bürgerinitiativen, der erstarkten Branche der Erneuerbaren Energien, den um nachhaltige, sozialverträgliche Arbeitsplätze streitenden Gewerkschaften und einer für die Bewahrung der Schöpfung eintretenden Kirche. Keine Regierung soll glauben, dass sie gegen diese deutliche Mehrheit der Bevölkerung an der Atomenergie festhalten kann! Dieser Widerstand hat in seiner gesellschaftlichen Breite eine völlig neue Qualität erreicht. Politisch ist die Atomenergie tot!" Zum Trägerkreis gehören die Bäuerlichen Notgemeinschaft, Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, .ausgestrahlt, BUND, Greenpeace, Robin Wood, AG Schacht Konrad.

Für die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg erteilte Pröbstin Friederike von Kirchbach der Atomenergie eine Absage: "Der beschlossene Ausstieg ist dringend erforderlich", sagte sie. "Diese Art der Energiegewinnung ist mit dem biblischen Auftrag, die Erde zu bebauen und zu bewahren, nicht zu vereinbaren." (taz)

Zum Abschluss der Kundgebung zieht Anti-Atom-Veteran Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow Dannenberg eine begeisterte Bilanz: "Statt der Renaissance der Atomkraft erleben wir die Renaissance der Anti-Atom-Bewegung", sagte er. "Wir demonstrieren, wir twittern, sitzen auf der Straße und der Schiene, schreiben Leserbriefe und wechseln den Stromanbieter - sofort."

28.11.2009

"Wir schreiben Geschichte" - so beginnt auch die DVD von graswurzel.tv, die in 45 Minuten die Highlights des einwöchigen Trecker-Trecks nach Berlin zusammenfasst. Premiere feiert der Film am 28. November in Gülden, am 07. Dezember wird er im besetzen Hörsaal der Uni Lüneburg gezeigt.

1980
"Republik Freies Wendland"

Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der "Republik Freies Wendland". Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.


1982-1985
Dragahn - eine WAA wird verhindert

Nachdem die Pläne, in Gorleben eine Wiederaufarbeitungsanlage zu bauen gescheitert waren, zauberte die Niedersächsische Landesregierung einen neuen Standort aus dem Hut: Dragahn. Die Pläne scheiterten am Widerstand.


1985-
Pilot-Konditionierungsanlage

In der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) sollten ursprünglich hochradioaktive Brennstäbe hinter dicken Betonwänden zerschnitten und endlagerfertig verpackt werden.


1985-2020
Die Kreuzwege

Die vier "Kreuzwege" markieren wichtige Kapitel im Widerstand und damit verbundenen den Standpunkten der Kirche. Die Aktionen hinterließen Kreuze im Wald bei Gorleben - dort wo bis heute das "Gorlebener Gebet" stattfindet.


1990-
Die Turmbesetzer*innen

Am 21. und 22. Juni besetzen 14 Aktivist*innen beide Endlagerschächte des Bergwerks Gorleben. Anlass ist der Antritt der ersten rot/grünen Regierung in der Geschichte Niedersachsens. Im Nachgang verklagt die Bundesregierung die Aktivist*innen auf 126.000 DM Schadensersatz.


1994
Castornix

Pleiten, Pech & Pannen: Widerstandscamp "Castornix" und erhebliche Proteste gegen den ersten Castortransport in das Zwischenlager Gorleben, der wegen technischer Mängel dann aber abgesagt wird.


1995
Castor 1995 - Tag X

Nach der Absage in 1994 spitzt sich die politische Situation zu. Am 24. April 1995 startet der erste Castortransport mit Ziel Zwischenlager Gorleben in Philippsburg.


1996
Castor 1996 - Tag X2

Zweiter Castortransport nach Gorleben: "Wir stellen uns quer" heißt es im Wendland, als erstmals Atommüll aus der Wiederaufarbeitung angeliefert wird.


1996-2022
Salinas

Besser als Salz fördern ist KEIN Atommüll lagern. Mit Salzförderung wollten Salinas verhindern, dass in Gorleben ein Endlager gebaut wird.


2001
Süschendorf

Im März 2001 blockierten Aktivist:innen, angekettet an einen Betonblock im Gleisbett, bei Süschendorf stundenlang den Transport von hochradioaktiven Atommüll auf seiner Fahrt nach Gorleben. Es folgte ein langjähriger Prozess-Marathon.


2001
März-Castor

Zwei Castoren rollen in einem Jahr, März: 16.000 Menschen protestieren in Lüneburg gegen den ersten Castor-Transport nach einer langen Pause, X-tausend blockieren in Wendisch-Evern, in Süschendorf ketten sich Aktivist:innen an einen Betonblock im Gleisbett und zwingen den Zug zum Rückwärtsgang.


2001
November-Castor

Der zweite 2001-Castor rollt im November. X-tausend Menschen widersetzen sich erneut der atomaren Fracht.


2001-
Gorleben Archiv e.V.

"Die Geschichte des Gorleben-Widerstandes gehört in unsere Hände, gerade weil die politischen und juristischen Prozesse keineswegs abgeschlossen sind. Wir wollen ein Archiv, daß über die Konservierung der Materialien hinaus vor allem jungen Menschen Anstöße zum politischen Handeln, zur Einmischung auch außerhalb von Parlamenten, gibt. Ausstellungen, Seminare und sozialwissenschaftliche Forschungsarbeiten dokumentieren einzigartige Geschichte(n) vom Widerstand und machen gleichzeitig Demokratie erlebbar." (Gründung des Gorleben Archiv, 2001)


2002
Castor im "dreckigen Dutzend"

Erstmals rollen im November 2002 zwölf Castor-Behälter auf ein Mal ins Wendland. Der Widerstand antwortet mit "Ver-rück-ten Dörfern", X-tausend Quersitzer:innen und Schienenblockaden.


2009
Anti-Atom-Treck 2009

Im "Anti-Atom-Jahr" unter dem Motto "Mal richtig abschalten" endet am 9. September ein Treck aus dem Wendland mit einer großen Demonstration vor dem Brandenburger Tor.


2010
Krümmel-Treck & KETTENreAKTION!

"Aus Tschernobyl lernen heißt: Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!" Unter diesem Motto findet am 21.-24.4. ein Treck aus Gorleben bis vor das AKW Krümmel statt. 120.000 Menschen bilden am 24.4. eine Menschenkette vom AKW Krümmel bis zum AKW Brunsbüttel.


Die ganze Geschichte: