GORLEBEN-CHRONIK

Hier finden sich Ausschnitte, wichtige Kapitel aus 40 Jahren Protest- & Widerstandsgeschichte gegen die Atomanlagen Gorleben. Es handelt sich um Auszüge aus der Gorleben-Chronik, eine unvollständige Auswahl besonderer Ereignisse:

2001:

Süschendorf

Im März 2001 blockierten Aktivist:innen, angekettet an einen Betonblock im Gleisbett, bei Süschendorf stundenlang den Transport von hochradioaktiven Atommüll auf seiner Fahrt nach Gorleben. Es folgte ein langjähriger Prozess-Marathon.

27./28. März: Der Betonblock von Süschendorf

2001


27.03.2001

Vier Atomkraftgegner:innen - drei Wendländer:innen und ein Aktivist von Robin Wood - gelingt es gegen 22.00 Uhr, bei Süschendorf die Schiene zu blockieren: Jeweils ein Arm steckt angekettet in einem Rohr, das unter den Schienen in einen Betonklotz führt. Daneben hat sich ein Aktivist mit einem Rohr an die Gleise gekettet. Gegen 22.30 Uhr erreicht der Castor die Blockade. Stundenlang werden weder Journalisten noch Ärzte zu der Aktion durchgelassen.

15.09.2001

Mitte September erhalten die vier Aktivist:innen der Betonblock-Blockade in Süschendorf ihre Anklageschrift: Ihnen wird nur noch Nötigung (§ 240 StGB) und Störung öffentlicher Betriebe (§ 316 b StGB) vorgeworfen. Von gefährlichem Eingriff in den Schienenverkehr und Sachbeschädigung ist keine Rede mehr.
Quelle: Robin Wood

17.12.2001

Am 17. Dezember wird bekannt, dass von den vier Blockierer:innen von Süschendorf, die im März den Castortransport für 20 Stunden aufhielten, fast 167.000 Mark gefordert wird: Die Bahn-Tochter Nuclear Cargo+Service verlangt 138.000 Mark für Zug- und Personalkosten, die Deutsche Bahn Netz 10.000 Mark für die Reparatur der Strecke und der Bundesgrenzschutz mehr als 13.000 Mark für Personalkosten. Die Demonstrant:innen lehnen jede Zahlung ab. Ihr Anwalt Dieter Magsam sieht keinen Rechtsanspruch auf Erstattung.

2002


17.04.2002

Am 17. April blockieren Unbekannte morgends die Bahngleise Dannenberg-Lüneburg bei Süschendorf mit einer umgestürzten Birke. "Solidarität mit den Angeklagten der Castor-Blockade in Süschendorf" heisst es auf einem Flugblatt am Tatort.

17.04.2002

Der ersten Verhandlungstag gegen die "Fünf von Süschendorf" findet am 17. April vor dem Lüneburger Amtsgericht statt. In Erklärungen nehmen vier hier vor Gericht stehende Männer Stellung und begründen ihr Handeln umfassend.

Die Hannoversche Allgemeine sprach von einem "munteren Tribunal gegen Atomtransporte", dass im Gerichtssaal von Lüneburg abgehalten wurde. Denn die Angeklagten drehten den Spieß einfach um, machten klar, wer die eigentlichen Verbrecher sind und erläuterten hochkompetent ihre Beweggründe, den Castor-Zug mit einer so spektakulären Aktion zu stoppen.

Mehr als 100 Freundinnen und Freunde der Angeklagten waren gekommen, um die vier solidarisch zu unterstützten. Dabei war auch Marie, die als fünfte Süschendorfer Aktivistin nicht in Lüneburg vor dem Richter steht. Ihr Fall wird in Dannenberg vor dem Jugendrichter verhandelt.

Unterschiedlichste Initiativen aus der Anti-Atom-Bewegung der Region hatten sich für den Prozessauftakt etwas ausgedacht. Die aus dem Wendland mit dem Zug anreisenden ProzessbesucherInnen mussten in Süschendorf eine Pause einlegen, weil eine Birke auf den Gleisen lag (Die Bahn war rechtzeitig gewarnt worden). Mit einer kleinen Demonstration durch Lüneburg wurde schon am Morgen auf den Prozess aufmerksam gemacht. Vor dem Gerichtsgebäude wurden sieben Betonmischmaschinen aufgefahren, zusammen mit einem Transparent "Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht". (Jochen Stay, Bericht vom 1. Prozesstag)

24.04.2002

Der Lokführer, der den Castorzug am 27. März 2001 von Lehrte nach Dannenberg fahren sollte, fühlte sich von der Süschendorf-Blockade nicht "genötigt". Auch gestoppt hatte er nicht eigenmächtig, sondern auf Weisung des BGS. Mit diesem Ergebnis der Zeugenbefragung am 2. Süschendorf-Prozesstag, 24. April, sei der Vorwurf der Nötigung gegen die Angeklagten erledigt, meint Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Auch der erhobene Vorwurf der "Störung öffentlicher Betriebe" wird bezweifelt.

Die Gerichtsversammlung ist spannend, unterhaltsam, manchmal dramatisch und am Ende gewinnen wahrscheinlich die Guten – also besser als Kino. (Jochen Stay, Bericht vom 2. Prozesstag)

April

30.04.2002

In Dumstorf, einem kleinen Ort in der Nähe von Süschendorf, an der Bahnlinie zwischen Lüneburg und Dannenberg steigt am 30. April eine Solidaritätsfete für die Angeklagten der Ankettaktion vom März 2001. Am Ende eines langen Abends sind mehr als 2.000 Euro als Unterstützung gesammelt worden.

02.05.2002

Am dritten Süschendorf-Prozesstag, 2. Mai, liefert der Fahrdienstleiter der Bahn ein Bild von der "organisierten Verantwortungslosigkeit" der Bahn. Der Leiter der BGS-Technikgruppe erklärt, dass der Zug nur bis zum Aktionsort fuhr, damit das schwere Gerät zum Bearbeiten des Betonblocks ausgeladen werden konnte. Mit Nötigung oder Störung öffentlicher Betriebe hatte das "nichts mehr zu tun".

"Das Ganze war eine Polizeiaktion, und die Behinderung einer Polizeiaktion im Rahmen einer Demonstration ist nicht strafbar", so Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck.

Die Staatsanwaltschaft steht mit leeren Händen da. Nicht die Angeklagten, sondern die Deutsche Bahn AG steht am Pranger. (Schlagzeile in der "Welt": "Schwere Vorwürfe gegen die Bahn") Die Aktion in Süschendorf war zwar ärgerlich aber nicht strafbar. Ob der Richter das auch so sieht (und ob er wagt, öffentlich in einem Urteil dazu zu stehen) wird sich in den nächsten Verhandlungstagen zeigen. (Jochen Stay in einem Zwischenfazit)

07.05.2002

Bahnchef Hartmut Mehdorn mischt sich am 7. Mai mit einer Pressemitteiliung in den Prozess gegen die Blockierer von Süschendorf ein: Er spricht von einer "Umkehrung rechtsstaatlicher Verhältnisse" und von einer "Unverschämtheit, wie hier die Deutsche Bahn in eine Verteidigungsposition gedrängt werden soll". Es sei "nicht nachvollziehbar, warum sich Mehdorn derart in ein laufendes Gerichtsverfahren einmischt", so Walther Heintzmann, Präsident des Landgerichtes.

13.05.2002

Die Künstler:innen der KLP beteiligen sich am 13. Mai am 4. Prozesstag gegen die Süschendorf-BlockiererInnen vor dem Amtsgericht Lüneburg. Vor dem Gerichtsgebäude wird ein künstlerisch verfremdeter Betonblock ausgestellt. Im wieder voll besetzten Saal selbst gibt es erste Entscheidungen. Beweisanträge der Staatsanwaltschaft, die zu einer Verurteilung wegen Nötigung führen sollen, werden vom Gericht abgelehnt. Damit scheint von den beiden Verwürfen gegen die AktivistInnen bereits einer vom Tisch zu sein. Weiter im Raum ist allerdings der Vorwurf "Störung öffentlicher Betriebe".

Urteil im Süschendorf-Prozess


22.05.2002

Am 22. Mai wird vor dem Amtsgericht Lüneburg das Urteil im Prozess gegen vier der fünf AktivistInnen von Süschendorf gesprochen: Die Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafen von sechs und neun Monaten auf Bewährung, die Verteidigung plädiert auf Freispruch. Das Gericht lässt den Vorwurf der Nötigung fallen, verurteilt jedoch wegen § 316b Strafgesetzbuch: Störung öffentlicher Betriebe. Das Urteil lautet auf jeweils 35 Tagessätze zu 15 Euro, also 525 Euro Geldstrafe für die vier Angeklagten.

Im Laufe der nun seit 5 Wochen andauernden Hauptverhandlung hat eine intensive Auseinandersetzung über juristische Feinheiten stattgefunden, darüber, ob die uns vorgeworfenen Straftatbestände erfüllt waren oder nicht.Unser zentrales Anliegen, dem wir uns am ersten Verhandlungstag in unseren Prozesserklärungen gewidmet haben, ist dabei zunehmend in den Hintergrund geraten. Nämlich hervorzuheben, dass die Nutzung der Atomenergie weltweit mit unkalkulierbaren Risiken, Vernichtung von Lebensgrundlagen, grenzenlosem Unrecht und unbeschreiblichem Elend verbunden ist. (...) (Gemeinsame Abschlusserklärung der Angeklagten im "Beton-Prozess")

Damit ist der Richter zwar nicht den Forderungen aus der Politik nach möglichst harten Strafen gefolgt, hat aber andererseits auch nicht den Mut besessen, einen nach dem Prozessverlauf möglichen Freispruch zu verkünden, kommentiert Robin Wood.


Beide Seiten gehen in Berufung, der Prozess muss vor dem Landgericht Lüneburg erneut aufgerollt werden.

31.10.2002

Am 31. Oktober finden zwei Prozesse statt: Vor dem Landgericht Lüneburg muss der Demo-Straßenmusiker "Klaus der Geiger" wegen Beleidigung verantworten. Vor dem Amtsgericht Dannenberg beginnt zudem der nicht öffentliche Prozess gegen "Marie" - das Mädchen, das sich beim Castor-Transport im März 2001 bei Süschendorf 17 Stunden lang auf der Transportstrecke im Gleisbett angekettet hatte. Das Jugendstrafverfahren wird mit der Auflage eingestellt, 50 Stunden gemeinnützige Arbeit in der Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg zu leisten.

"Nach all den vielen Demonstrationen und mit meinem Wissen im Hinterkopf reichte mir weder die Resonanz in der Bevölkerung noch die in der Politik", heißt es in Maries Erklärung vor Gericht. "Das mitleidige Lächeln über die Spinner im Wendland, eine Reaktion auf den Widerstand gegen die Atommüllindustrie, wollte ich aus den Gesichtern löschen. Um aufzurütteln, sah ich mich geeignet für diese gewaltfreie, aber bewusst auffallende Art des Protestes."

"Gegen Beton-Köpfe helfen nur Beton-Klötze"

2003


22.01.2003

Am 22. Januar beginnt der Berufungsprozess gegen die vier Männer aus dem Süschendorfer Betonblock vom März 2001 vor dem Landgericht Lüneburg. In erster Instanz waren die vier Aktivisten von Robin Wood und aus dem wendländischen Widerstand wegen "Störung öffentlicher Betriebe" (§316 b Strafgesetzbuch) zu Geldstrafen von 35 Tagessätzen a 15 Euro verurteilt worden. Der Vorwurf der Nötigung wurde damals fallengelassen, sehr zum Missfallen der Staatsanwaltschaft, die Freiheitsstrafen gefordert hatte. Beide Seiten gingen in Berufung und so wird der Fall in den nächsten Wochen vor dem Landgericht Lüneburg erneut aufgerollt. Die Frage des "Warum?" stand im Mittelpunkt des ersten Verhandlungstages.

"Angesichts dessen, was ich erlebt habe, fühle ich mich genötigt, alles in meiner Macht stehende zu tun, damit es zu einer menschenwürdigen Energiepolitik kommt. Ich will nicht schweigend zusehen und mir von meinen Kindern vorwerfen lassen: warum hast Du damals nichts getan?", so Mihai, einer der Angeklagten.


Vor dem Gerichtsgebäude wird daran erinnert, warum die Angeklagten zu so drastischen Mitteln gegriffen hatten: "Gegen Beton-Köpfe helfen nur Beton-Klötze" steht auf grauen Kartons, die sich einige Aktivist:innen übergezogen hatten - ihre Arme waren in Rohren verbunden.

29.01.2003

Der 2. Verhandlungstag im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockierer findet am 29. Januar vor dem Landgericht Lüneburg statt. Die Zeugenbefragung von Mitarbeitern der Bahn und des BGS geben Aufschluss, dass nicht der Betonblock, sondern nur die Menschen auf dem Gleis das Problem waren, also kein störender Eingriff in die Bausubstanz vorlag, betont Rechtsanwalt Kaleck. Dies falle nicht unter die Kriterien des Paragraf 316 b Strafgesetzbuch (Störung öffentlicher Betriebe).

03.02.2003

Der 3. Verhandlungstag im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockierer findet am 3. Februar vor dem Landgericht Lüneburg statt. Es wird "immer klarer, dass die Castor-Fahrt kein öffentlicher Verkehr, sondern eine staatlich inszenierte Veranstaltung war", so Jochen Stay in einem Prozess-Bericht. Im Zeugenstand sind der Lokführer des Castorzuges, ein Manager der Nuclear Cargo Service und eine Bahnvertreterin. "Ich habe erst durch die Einladung zum Prozess davon erfahren, dass ich genötigt worden bin", erneuert der Lokführer seine damalige Aussage.

12.02.2003

Der 5. Verhandlungstag im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockierer findet am 12. Februar vor dem Landgericht Lüneburg statt. Vor dem Gerichtsgebäude wird eine künstlerische Betonblock-Nachbildung, hergestellt von einigen wendländischen KunsthandwerkerInnen, ausgestellt. Einen Befangenheitsantrag der Verteidigung gegen einen der Schöffen, der als Elektromeister beim größten norddeutschen Atomstromproduzenten HEW arbeitet, lehnt das Gericht ab. Das Gericht schließt sich der Meinung der Verteidiger an, dass Aussagen der als Zeugin geladenen Mitaktivistin Marie Steinmann die Gefahr in sich bergen, dass anschließend gegen sie wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt werden könnte. Sie habe deshalb ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht.

"Dieses Verfahren schreit danach, entschieden zu werden", so Richter Mumm gegen Ende des Verhandlungstages.

17.02.2003

Der 6. Verhandlungstag im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockierer findet am 17. Februar vor dem Landgericht Lüneburg statt. Viel dreht sich um den Vorwurf der Nötigung (§ 240 StGB), dafür wird der Dannenberger Jugendrichter Stärck, der das Verfahren gegen die Mitaktivistin Marie Steinmann führte, als Zeuge befragt. Es wird deutlich, dass sich die AktivistInnen zu jeder Zeit aus der Ankettvorrichtung hätten befreien können, somit der Vorwurf der Nötigung hinfällig sei.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten nach § 316 b StGB (Störung öffentlicher Betriebe) und nach § 240 StGB (Nötigung) aus Gründen der Generalprävention zu Haftstrafen zwischen sechs und neun Monaten zur Bewährung auf zwei und drei Jahre.

Diese Forderungen bezeichnet der Verteidiger Martin Lemke als eine "Kriegserklärung der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft Lüneburg an den Widerstand", weil nach 25 Jahren Anti-Atom-Bewegung erstmalig eine Freiheitsstrafe gefordert worden sei. Der § 316 b könne nicht greifen, weil es sich bei dem Castor-Transport nicht um einen öffentlichen sondern um einen "staatlichen" Betrieb gehandelt habe. Auch der Vorwurf der Nötigung sei nicht haltbar: "Die Polizei fährt das angebliche Nötigungsopfer an den Ort, wo möglicherweise die Angeklagten angekettet sind, weil sie ihre Geräte dort hin schaffen wollte und nennt das Nötigung", so Lemke, der einen Freispruch für seinen Mandanten fordert.

Wenn Staatsanwalt Vogel den § 316 b "jetzt auf die Castor-Blockaden anwenden wolle, dann stelle er die Demonstranten faktisch mit Terroristen auf eine Stufe. Da das offenkundig Unsinn sei, könne § 316 b nicht angewendet werden", so Verteidiger Kaleck, der ebenfalls für Freispruch plädiert.

Urteil im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockade


19.02.2003

Der 7. Verhandlungstag im Berufungsprozess der Süschendorf-Blockierer findet am 19. Februar vor dem Landgericht Lüneburg statt und endet mit einem Urteil.

Verteidiger Plener macht in seinem Plädoyer eindrucksvoll deutlich, um was für eine Art von Zugverkehr es sich beim Castor-Transport eigentlich handelt. Er widerspricht der Staatsanwaltschaft im Vorwurf der Nötigung, da es sich nur um die Körper der AktivistInnen handelte, die im Gleisbett waren. Auch die nötige "Verwerflichkeit" der Tat liegt hier nach Plener nicht vor, denn die Aktion diente nicht den privaten Interessen der Angeklagten, sondern höheren Zielen.

Verteidiger Magsam weist darauf hin, dass die polizeilichen Maßnahmen Teil der Transportgenehmigung, ja sogar Teil des Atomgesetzes sind - und so gesehen Störaktionen Teil des Gesetzes darstellen. Castor-Transporte sind "längst keine Beförderungsleistung der Bahn mehr, sondern ein organisiertes gesellschaftliches Verhältnis", bei dem Sonderrechtszonen eingerichtet werden.

"Wir leben in einer Gesellschaft, die von ungelösten Problemen nur so wimmelt und das Parlament ist nicht in der Lage oder willens, diese Probleme zu lösen. In diesem Kontext war die Aktion in Süschendorf ein Werkzeug, um auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen und Lösungswege aufzuzeigen." (Erklärung von Mihai vor dem Urteil)


Die beiden Schöffen und der Richter kommen schließlich zu dem Ergebnis, die Angeklagten wegen Störung öffentlicher Betreibe zu verurteilen und vom Vorwurf der Nötigung freizusprechen. Die Aktivisten müssen Geldstrafen zu 35 und 40 Tagessätzen bezahlen: Alex soll 35 Tagessätze á 15 Euro, Arno 35 mal 10 Euro, Sascha 35 mal 33 Euro und Mihai 40 mal 10 Euro zahlen. Die unterschiedliche Höhe der Tagessätze resultiert aus dem unterschiedlichen Einkommen der vier. Das Landgericht hat damit das Urteil des Amtsgerichtes von vor einem Jahr weitgehend bestätigt.

Die Verurteilung nach 316 b (Störung öffentlicher Betriebe) wurde damit begründet, dass dieser Paragraph dem Schutz öffentlicher Betriebe vor jeglichen Störungen dient. Der Castor-Transport ist nach Ansicht des Gerichts Teil des öffentlichen Güterverkehrs, da sich der Staat dem Transport und der Lagerung von Atommüll als öffentlichem Auftrag angenommen hat. Die Aktion hat laut Urteil die Funktionsfähigkeit des Gleises verändert. Richter Mumm definiert: Eine Störung liegt bereits dann vor, wenn das ordnungsgemäße Funktionieren nicht mehr gewährleistet werden kann.

"Jahrzehntelang sind Gerichte nicht auf die "abwegige Idee" gekommen, Sitzblockaden als Störung öffentlicher Betriebe zu verfolgen", kritisiert Robin Wood das Urteil. Im Strafverfahren will man in nächster Instanz das Oberlandesgericht Celle anrufen.

25.02.2003

Am 25. Februar beginnt vor dem Lüneburger Landgericht der Zivilprozess um Schadensersatz gegen die Aktivist:innen der Süschendorf-Blockade von 2001. Die Deutsche Bahn verlangt 10.000 Euro für Reparaturmassnahmen und Zusatzkosten durch die Verspätung des Castor-Zuges. Die Bahn schlägt am ersten Verhandlungstag einen Vergleich aus.

04.03.2003

Der zweite Verhandlungstag im Zivilprozess um Schadensersatz wegen der Süschendorf-Blockade findet am 4. März im Lüneburger Landgericht statt.

"Die Aktivisten hatten sich während ihrer Aktion lediglich ruhig ins Gleisbett gelegt, ohne etwas zu zerstören. Die Errichtung des Betonklotzes, an dem sie sich festgemacht hatten, kann ihnen nicht zugerechnet werden. Außerdem war der Gleisabschnitt nach Beendigung der Aktion sofort wieder befahrbar", so Verteidiger Wolfram Plener.


Die Castor-Gegner:innen müssen für die Reparaturkosten an dem Gleisbett aufkommen, urteilt Laut Richter Detlev Saffran. Die fünf Aktivist:innen müssen der Deutschen Bahn AG zusammen 4714,99 Euro plus Zinsen überweisen. Ungeklärt sind noch die Schadensersatzansprüche des Technischen Hilfswerks (knapp 2000 Euro) sowie des Bundesgrenzschutz (rund 7000 Euro).

Oktober

30.10.2003

Am 30. Oktober legen Aktivisten der Umweltschutz-Organisation Robin Wood wegen der Verurteilung im Süschendorf-Prozess Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

"Sich unbefugt auf den Gleisen aufzuhalten, stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Es ist jedoch völlig unverhältnismäßig, die Aktivisten dafür nach einem Paragrafen abzustrafen, den der Gesetzgeber für gemeingefährliche Sabotage-Akte vorgesehen hat", so einer der Verteidiger, der Hamburger Rechtsanwalt Martin Lemke. "Wir wollen mit der Verfassungsbeschwerde verhindern, dass die Strafvorschrift 316b zum Gummiparagrafen gemacht und Aktionsformen sozialer Bewegungen unter Terrorverdacht gestellt werden."

2005


22.02.2005

Aktivisten der Blockadeaktion von Süschendorf im März 2001 müssen die Kosten des Polizeieinsatzes nicht bezahlen. Das hat das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht in Schleswig am 22. Februar entschieden. Die fünf angeketteten Menschen seien "eine Versammlung im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes" gewesen (Az.: 3/A 340/01). Somit unterstanden die Atomgegner, die gegen die Rechnungen des Bundesgrenzschutzes (BGS) geklagt hatten, dem Schutz der Versammlungsfreiheit, hieß es. Die entsprechenden Kostenbescheide seien aufzuheben.

Das jetzige Urteil des Verwaltungsgerichtes Schleswig sei "ein wichtiger Erfolg in Zeiten, in denen das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit unter Druck ist", teilt Robin Wood mit.


Die Aktion "Betonklotz" ist strafrechtlich noch nicht zu Ende: Das Landgericht Lüneburg hatte die Süschendorf-Blockierer nach Paragraf 316b verurteilt, den öffentlichen Betrieb der Bahn gestört zu haben - ein Paragraf, den der Gesetzgeber für gemeingefährliche Sabotageakte vorgesehen hat, urteilt Robin Wood. Es ist Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

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