













































GORLEBEN-CHRONIK
Hier finden sich Ausschnitte, wichtige Kapitel aus 40 Jahren Protest- & Widerstandsgeschichte gegen die Atomanlagen Gorleben. Es handelt sich um Auszüge aus der Gorleben-Chronik, eine unvollständige Auswahl besonderer Ereignisse:
1995:
Castor 1995 - Tag X
Nach der Absage in 1994 spitzt sich die politische Situation zu. Am 24. April 1995 startet der erste Castortransport mit Ziel Zwischenlager Gorleben in Philippsburg.
Tag X - Mit Wasserwerfern gegen den Castor-Widerstand
1995
24.04.1995
Eine Diesel-Lok der Deutschen Bahn AG zieht den mit einer Plane abgedeckten Sicherheitsbehälter mit den hochradioaktiven Brennstäben aus dem Kraftwerksgelände. Ein massives Polizeiaufgebot versucht zahlreiche Demonstrant:innen von den Gleisen fernzuhalten. 250 Menschen werden von den Gleisen geräumt, über 60 Atomkraftgegner werden in Gewahrsam genommen.
8.000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz sind zur Streckensicherung durch Deutschland im Einsatz, etwa 3.500 Polizist:innen allein in Lüchow-Dannenberg.
Mehrere Versuche, den Transport unterwegs zu stoppen, scheitern. Bei Göttingen treibt die Polizei AKW-Gegner:innen von den Schienen. Vor dem Bahnhof demonstrieren mehrere Hundert Menschen, als der Zug längst durchgefahren ist. Auf ein Büro des Bundesamtes für Strahlenschutz in Salzgitter wird ein Anschlag verübt.
Auf einer Pressekonferenz der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg erklärt Landrat Christian Zülke (SPD): "Ich werden mich an das Versammlungsverbot halten". In der Nacht brennen auf den Gleisen am Bahnhof Hitzacker Holzstämme. Die zweite Bahnstrecke Uelzen-Dannenberg wird bei Zernien blockiert.
Quelle: u.a. Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv II, LAIKA-Verlag; contratom.de, EJZ vom 26.04.1995
25.04.1995
Im Schritttempo nähert sich das 125 Tonnen schwere Ungetüm mit der gefährlichen Fracht seinem Ziel nahe Gorleben in Niedersachsen: zuerst per Bahn, später dann per Lkw. Immer wieder werfen sich Menschen in den Weg und müssen weggetragen werden. Steine fliegen. Die Polizei geht mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Gorleben ist im Ausnahmezustand. Die Schulen sind geschlossen, Bauern haben sich auf Treckern zum Protestmarsch aufgemacht. (wdr.de)
Im Landkreis Lüchow-Dannenberg errichten Aktivist:innen Barrikaden auf den Gleisen, montieren Schwellen ab, setzen Strohballen und einen Güterwagen in Brand. Wieder gibt es zahlreiche Verletzte bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten.
Nach 14 Stunden Bahnfahrt trifft der Castorbehälter aus dem baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg-2 nach etwa 580 km gegen 10.30 Uhr am Verladebahnhof Dannenberg-Ost ein. Gegen 12.00 Uhr ist der Behälter auf einen Straßen-Tieflader verladen und setzt sich auf die 18 km lange Strecke nach Gorleben in Bewegung.
Anfangs ist der Sprecher der Pressestelle "Castor" in der Polizeizentrale Lüneburg noch optimistisch. "Der Zug läuft", verkündet er stolz. "Das ist ein Erfolg für uns." Acht Stunden später ist von "erheblicher Gewaltbereitschaft" und "massiven Einsätzen" gegen Demonstranten die Rede. (wdr.de)
Rund 1500 Castor-Gegner:innen versammeln sich ab dem Nachmittag am Gorlebener Zwischenlager, um den Transport auf der Zielgeraden nochmals zu blockieren. Blockaden werden an mehreren Stellen errichtet: aus Bäumen, Ästen - was der Wald um Gorleben so hergibt. Immer wieder muß die Polizei die Baumblockaden abräumen.
6.500 Beamte von Polizei und BGS bahnen dem Transport den Weg.
Gegen 16 Uhr beginnt die Polizei, etwa 300 sitzblockierende Castor-Gegner von der Straße zu tragen. Die Demonstranten rufen wie so häufig am gestrigen Tag immer wieder: "Keine Gewalt." Zwei Wasserwerfer stehen bereit; ihr Einsatz wird angedroht.
Und gegen 16.40 Uhr werden der nahende Castor-Transport und die voraneilenden Wasserwerfer von Demonstranten mit Steinen beworfen. Aus dem Wald an der Kreisstraße werden Polizisten mit Zwillen beschossen und teilweise verletzt. Sowohl von der Seite der PKA-Einfahrt als auch aus Richtung Gorleben drängen die Polizisten die Castor-Gegner von der Straße - in den Wald hinein. Steine und Farbbeutel fliegen; Wasserwerfer und Schlagstöcke werden eingesetzt. Journalisten springen mit Kameras und Notizblöcken zwischen dem Geschehen hin und her. In rund einer halben Stunde hat die Polizei die Zufahrt zur Zwischenlagereinfahrt frei; die gesamte Kreisstraße wird durch hunder-te von Polizisten zur Waldseite hin abgeschottet.
Dann das gespenstische Finale: Panzer- und Mannschaftswagen, Räumfahrzeuge und hunderte von Polizisten eskortieren die heiße Fracht. Der Castor-Transport nimmt eine letzte Rechtskurve auf öffentlicher Straße - und verschwindet hinter dem Zaun des Zwischenlagers. Fotokameras klicken wie verrückt. Erleichterung bei der Polizei, Enttäuschung bei den Demonstranten. Eine Castor-Gegnerin ruft beim Nachhausewegen den abrückenden Polizisten zu: "Nächstes Mal kostet das hundert Millionen Mark." (EJZ)
Es ist der umstrittenste und teuerste Atommülltransport der deutschen Geschichte. Hinter ihm schließt sich das Zwischenlagertor in Gorleben um 17.12 Uhr. In Lüchow-Dannenberg lagert damit erstmals hochradioaktiver Atommüll.
Bundesweit protestieren etwa 4.000 AtomkraftgegnerInnen. Insgesamt sind 15.000 Polizisten im Einsatz, der größte Polizeieinsatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt sind in Niedersachsen 7.600 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz - zusammengerufen aus einem halben Dutzend Bundesländern - im Einsatz. 29 Personen werden vorläufig festgenommen.
Dieser erste Castor-Transport kostet den Steuerzahler ca. 55 Millionen Mark, also etwa 100.000 DM je km. Davon fallen knapp 28 Millionen Mark auf das Land Niedersachsen.
Gleich nachdem der Castor-Behälter in Gorleben abgeladen war, kündigt das Bundesumweltministerium unter Angela Merkel (CDU) an, demnächst (bis Jahresende) werde Atommüll aus dem AKW Biblis und dem AKW Gundremmingen folgen.
Der Castor sei "ein notwendiges Übel", betont Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) später. Opposition und Umweltschützer sprechen von einer "ungeheueren Provokation zum neunten Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl".
Quelle: u.a. EJZ vom 26.04.1995, wdr.de
04.05.1995
Später erscheint ein vollständiger Bericht mit dem Titel "Castor eingelagert - Grundrechte und Demokratie ausgelagert".
1996
06.05.1996
Die ganze Geschichte:

2001
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.

2005
25 Jahre nach der „Republik Freies Wendland“ und 10 Jahre nach dem ersten Castortransport ist die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst. In die Debatte um die Entsorgung des Atommülls und die Zukunft der Atomenergie kommt Bewegung, die Veränderungssperre für den Salzstock wird verlängert. Container brennen, Bauern ziehen sich aus – und im November rollt der nächste Atommüllzug ins Zwischenlager.

2009
Brisante Enthüllungen: Gorleben wurde aus politischen Motiven zum Endlagerstandort. Seit Jahren wird nicht nur „erkundet“, sondern ein Endlager gebaurt. „Mal so richtig abschalten“ – ein Protest-Treck aus dem Wendland führt zu einer großen Demo gegen AKW-Laufzeitverlängerung nach Berlin. Kein Castortransport, seit Oktober finden jeden Sonntag Spaziergänge um das Bergwerk statt.

2024
Die BI fordert einen Transportestopp ins Fasslager und den Neubau der Zwischenlagerhalle aus Sicherheitsgründen, denn die Castoren werden noch lange hier bleiben müssen. Der „Rückbau“ des verhinderten Endlagers wird immer teurer, Ende November beginnt dann endlich das Zuschütten: 400.000to Salz kommen zurück unter die Erde. Ein Meilenstein.

1981
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.

2001
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.

2005
25 Jahre nach der „Republik Freies Wendland“ und 10 Jahre nach dem ersten Castortransport ist die Entsorgung des Atommülls weiter ungelöst. In die Debatte um die Entsorgung des Atommülls und die Zukunft der Atomenergie kommt Bewegung, die Veränderungssperre für den Salzstock wird verlängert. Container brennen, Bauern ziehen sich aus – und im November rollt der nächste Atommüllzug ins Zwischenlager.

2009
Brisante Enthüllungen: Gorleben wurde aus politischen Motiven zum Endlagerstandort. Seit Jahren wird nicht nur „erkundet“, sondern ein Endlager gebaurt. „Mal so richtig abschalten“ – ein Protest-Treck aus dem Wendland führt zu einer großen Demo gegen AKW-Laufzeitverlängerung nach Berlin. Kein Castortransport, seit Oktober finden jeden Sonntag Spaziergänge um das Bergwerk statt.

2024
Die BI fordert einen Transportestopp ins Fasslager und den Neubau der Zwischenlagerhalle aus Sicherheitsgründen, denn die Castoren werden noch lange hier bleiben müssen. Der „Rückbau“ des verhinderten Endlagers wird immer teurer, Ende November beginnt dann endlich das Zuschütten: 400.000to Salz kommen zurück unter die Erde. Ein Meilenstein.

1981
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.