Gorleben-Chronik
2012
Gorleben Chronik 2012
Das „Wendejahr“ mit gorleben365 und „Der Fleck muss weg!“
Mit einer Umrundung des Erkundungsbergwerks am Neujahrstag wird von der BI das „Wendejahr 2012“ eingeleitet.
Am 2. Januar gesteht Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ein, dass das angebliche Erkundungsbergwerk schon in Teilen zum Endlager ausgebaut wird.
In Dannenberg beginnt im Januar ein Prozess gegen Atomkraftgegner, die 2006 von Zivilfahndern angegriffen worden waren, nachdem diese ein Betongewicht auf einem Treckeranhänger gesichtet hatten. Die Atomkraftgegner konnten die Polizisten als solche nicht erkennen und wehrten sich sowie versuchten, die Polizei zuhilfe zu rufen.
Laut einer Umfrage, die am 19. Januar veröffentlicht wird, sind 90 % der Bevölkerung für einen Atomausstieg in Deutschland.
Im Rahmen der Kampagne „gorleben 365“ blockieren zahlreiche Menschen am 27. Januar die Tore des Erkundungsbergwerks. Umrundungen und Ankettungen sind Teil der Aktion.
150 Menschen formen am 9. Februar ein großes X als Protest gegen Atomkraft und Castortransporte vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Anschließend demonstrieren sie vor dem Umweltministerium.
Mit einer „Fahrradrallye-Blockade“ wird am 18. Februar erneut der Schichtwechsel des Endlagerpersonals behindert. Organisiert wird die Aktion von der WG Mammoißel, im Rahmen der Kampagne „gorleben 365“.
Am 11. März, dem Jahrestag der Fukushima-Katastrophe, finden bundesweit zahlreiche Anti-Atom-Aktionen statt: 24.000 Menschen nehmen an einer Lichterkette zwischen der Asse, Schacht Konrad und Braunschweig teil. Mehrere tausend demonstrieren in Hannover, in Kiel weitere 1.000 Menschen. An den Atomkraftwerken Brokdorf, Gundremmingen und Neckarwestheim sowie an der Urananreicherungsanlage Gronau nehmen jeweils mehrere tausend Menschen an Demonstrationen teil.
Als Proteste gegen die von Vattenfall gesponserten „Literaturtage“ finden im März und April in Hamburg zum zweiten Mal „Lesen ohne Atomstrom – Die erneuerbaren Lesetage“ statt. Namhafte Autor*innen setzen sich damit für den Atomausstieg ein. Zum Abschluß gibt es ein Konzert mit den Madsen, Jan Delay und Kettcar in der Fabrik.
Am 23. März findet vor dem Erkundungsbergwerk in Gorleben ein „Autokino mit Popcorn und allem Drum und Dran“ statt. Weitere Filmabende folgen.
Die Castorgruppe Küsten bepflanzt am 20. April im Rahmen einer „Guerilla-Gardening“-Aktion den Zaun um das Erkundungsbergwerk Gorleben.
„Der Fleck muss weg!“
3.000 Menschen und 150 Trecker demonstrieren am 27. April anlässlich des Tschernobyljahrestages in Gorleben unter dem Motto „Der Fleck muss weg“ gegen die Beibehaltung Gorlebens als potentielles Endlager im neuen Endlagersuchgesetz. Anschließend wird das Tor von Aktivist*innen der Kampagne „gorleben365“ mehrere Tage durchgängig blockiert.
Aktivist*innen von Robin Wood ketten sich am 28. Mai in Münster an einer Brücke über dem Dortmund-Ems Kanal fest. Sie behindern damit den Transport von Atommüll auf dem Schifffahrtsweg, der von Obrigheim nach Lubmin gebracht wird.
Im Juli stellen die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) und die Betreiberin des Gorlebener Zwischenlagers BLG einen Antrag auf Einlagerung und Transport weiterer Castorbehälter aus Sellafield.
Am 1. August findet eine Blockade der Urananreicherungsanlage in Gronau statt.
Am 10. August feiert die Kampagne „Gorleben365“ ihr einjährigees Bestehen. Es gab wurden Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Doppelkopfturniere, Konzerte, Meditationen und Fraktionssitzungen vor den Toren der Anlagen gefeiert.
Am 29. September protestieren unter dem Motto „Licht ins Dunkel bringen“ 300 Menschen in Gorleben mit Feuerwerk und Scheinwerfern gegen die Verlängerung des Hauptbetriebsplans, der es ermöglicht, Gorleben weiter auszubauen.
Auf einer Sondersitzung am 17. Oktober fordert der Kreistag Lüchow-Dannenberg eine Endlagersuche ohne Gorleben und den Abbruch der vorläufigen Sicherheitsanalyse.
Im November werden die Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock auf Anweisung der niedersächsischen Umweltministeriums vorläufig gestoppt. Begründet wird der Stopp mit den Klagen der Familie von Bernstorff mit Unterstützung von Greenpeace und Salinas , die „aufschiebende Wirkung“ haben könnten. Vor dem Hintergrund parteiübergreifender Konsensgespräche über ein neues Endlagersuchgesetz werden aber eher politische Gründe vermutet.
Die ganze Geschichte:
…und davor – Die Anfänge bis 1972
Die Anfänge: Erste Überlegungen, Atommüll in Salz zu lagern – statt ihn in der Tiefsee zu versenken. Gasexplosion im Salzstock Gorleben-Rambow.

1973 – Zwei AKW für das Wendland
1973 werden die Pläne bekannt, bei Langendorf an der Elbe ein Atomkraftwerk zu bauen. In der Debatte um einen Standort für ein Atommüll-Endlager bzw. die Errichtung eines Entsorgungszentrums spielt Gorleben 1973 offiziell keine Rolle.
1974 – Erste Standortsuche ohne Gorleben
Die Standortsuche für ein Atommülllager beginnt. Das Credo: So lange die Anlage genug Platz hatte und niemanden störte, war alles gut.

1975 – Großer Waldbrand bei Trebel
Im August 1975 bricht bei Trebel ein großer Waldbrand aus. Die Bundesregierung geht bei der Standortsuche für ein Nukleares Entsorgungszentrum (NEZ) davon aus, dass mehrere Salzstöcke parallel untersucht werden müssten. Gorleben gehört nicht dazu.

1976 – Der Standort „Gorleben“ taucht auf
(…) In einer zweiten Version der TÜV-Studie wurde handschriftlich der Standort Gorleben ergänzt und als am besten geeignet befunden. (…)

1977 – Das Jahr der Standortbenennung
Nach der Benennung Gorlebens als Standort für ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ finden erste Großdemonstrationen statt.

1978 – Ein Koffer voll Geld
Innerhalb von 5 Tagen sammeln Gorleben-Gegner*innen 800.000 DM, um der DWK beim Kauf weiterer Grundstücke über dem Salzstock Gorleben zuvor zukommen.

1979 – Treck nach Hannover – WAA „nicht durchsetzbar“
Im März 1979 findet der legendäre „Treck nach Hannover“ statt. Nach einer Großdemonstration in der Landeshauptstadt verkündet der Ministerpräsident das Aus für die WAA-Pläne in Gorleben.

1980 – „Republik Freies Wendland“
Platzbesetzung der Bohrstelle Gorleben 1004 und Gründung der „Republik Freies Wendland“. Die Räumung nach vier Wochen wird zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der BRD.

1981 – Die Zweifel in Gorleben werden größer, nicht kleiner
Gorleben-Hearing in Lüchow zum Bau des Zwischenlagers und massiver Protest gegen das AKW Brokdorf. Nach Bohrungen werden die Zweifel an der Eignung des Salzstock Gorleben für ein Endlager „größer, nicht kleiner“. Doch Gegner*innen des Projekts seien „Schreihälse, die bald der Geschichte angehören“, meinen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Oppositionsführer Helmut Kohl.

1982 – „Tanz auf dem Vulkan“
Der Zwischenlagerbau beginnt, Tanz auf dem Vulkan und plötzlich ist das Wendland mit Dragahn wieder als ein WAA-Standort im Gespräch.

1983 – Dragahn: Eine WAA wird verhindert
Proteste gegen die Pläne, in Dragahn eine WAA zu errichten. „Gorleben statt Kreta“ und Demos im Grenzgebiet zwischen der DDR und BRD. Das Bundeskabinett unter Helmut Kohl stimmt der „untertägigen Erkundung“ des Salzstocks Gorleben zu.

1984 – Menschenkette und Tag X
„Das Vertrauen hat sehr gelitten“: Menschenkette und Wendland-Blockade gegen die WAA-Pläne. Unter erheblichem Protest erreicht ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben.
1985 – „Spudok“-Affäre und Kreuzweg
Der erste Kreuzweg führt vom AKW Krümmel nach Gorleben. Nach Anschlägen auf die Bahn werden die Daten von tausenden Gorleben-Gegner*innen von der Polizei gespeichert – und damit eine ganze Szene pauschal kriminalisiert.
1986 – Tschernobyl
Heftige Auseinandersetzungen um den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf und die Inbetriebnahme des AKW Brokdorf. Nach dem GAU von Tschernobyl protestieren zehntausende Menschen gegen die Atomenergie.
1987 – 10 Jahre Gorleben
„Transnuklearskandal“ betrifft auch Atommüll im Zwischenlager Gorleben. Schwerer Unfall in Schacht 1.
1988 – „Wir stellen uns quer!“
Kreuzweg der Schöpfung führt von Wackersdorf nach Gorleben, Schmiergeldskandal, „Wir stellen uns quer“ – Proteste gegen den ersten Probecastor ins Zwischenlager.
1989 – Castor-Alarm im Wendland
Das Aus für die WAA Wackersdorf, Castor-Alarm: erster Atommülltransport nach Gorleben wird wenige Stunden vor Abfahrt gerichtlich gestoppt.
1990 – PKA-Bauplatz- und Turmbesetzung
„Ein Hauch der Freien Republik Wendland wehte durch den Gorlebener Tann…“, als auf dem Bauplatz der PKA Hütten errichtet werden. Aktivist*innen besetzen im Sommer den Förderturm in Gorleben, zum Jahresende Baustopp und SPD-Versprechen.
1991 – Mol-Skandal & Baustopp
Anlieferung von Mol-Container, PKA-Bauplatzbesetzung, erneuter „Castor-Alarm“ und nächster Baustopp im Erkundungsbergwerk.
1992 – Viel Geld für den Landkreis
Resolution gegen und eine Mehrzweckhalle für Gorleben, Erweiterung des Zwischenlagers und viel Geld für den Landkreis.
1993 – CASTOR-HALLE-LUJA und Endlagerhearing
Sitzblockaden gegen Atommüll-Lieferungen, „Wege aus der Gorleben-Salzstock-Sackgasse“, Energiekonsens-Gespräche und hohes Bussgeld gegen Turmbesetzer*innen.
1994 – Pleiten, Pech und Pannen: „Castornix“
Widerstandscamp „Castornix“ und erhebliche Proteste gegen ersten Castortransport, der wegen technischer Mängel dann abgesagt wird. Weiterbau der PKA per Weisung.

1995 – Tag X, Backpulver & Stay rude-stay rebel
Anschläge auf Bahn & Kran, die Aktion „ausrangiert“ will den ersten Castor empfangen, Bundesumweltministerin Merkel macht den absurden Backpulver-Vergleich & der Baustopp im Bergwerk wird aufgehoben.
1996 – „Wir stellen uns quer!“
10 Jahre nach Tschernobyl, „Wir stellen uns quer!“ gegen den zweiten Castor nach Gorleben.

1997 – Stunkparade gegen Sixpack
Gewaltsame Räumung für den dritten Castor, Griefahn knickt ein & mehr Geld von der BLG.
1998 – Castor-Skandal und TagX4 in Ahaus
Einwendungen gegen die PKA, Castortransport nach Ahaus, Transportestopp nach verstrahlten Behältern, Einstieg in den Atomausstieg und Moratorium im Salzstock.
1999 – „Gerhard, wir kommen“ & X-tausendmal quer
„Flickschusterei“ um Atomausstieg & AkEnd, Stunkparade nach Berlin und die Ankündigung, dass sich beim nächsten Castor X-tausend Menschen querstellen werden.

2000 – Atomkonsens & Moratorium
Defekte Brücke und unsichere Behälter verhindern Castorlieferung, Atomkonsens „alles Lüge“, denn er sichert den Weiterbetrieb der AKW und Moratorium im Salzstock.

2001 – X-tausendmal quer & Widersetzen
Zwei Atommülltransporte rollen nach Gorleben, einer im März, ein zweiter im November. X-tausend Menschen stellen sich quer und WiderSetzen sich. Der Betonblock von Süschendorf zwingt den Castor zum Rückwärtsgang. Der Widerstand bekommt ein Archiv, die Bundestagsabgeordneten ein Denkmal, die „Gewissensruhe“.