FUNDSTÜCK DES MONATS
1984 – der erste Atommüll
Am 8. Oktober vor 40 Jahren erreichte der erste Atommüll-Transport den kleinen Ort im Wendland – heimlich und auf Schleichwegen. Es handelte sich nicht um die Jahrzehnte später heiß umkämpften „Castor-Transporte“, sondern um LKWs mit mittel- und schwachaktiven Abfällen aus deutschen Atomkraftwerken. Diese Fuhren gibt es im Gegensatz zu den „Castortransporten“ nach Gorleben bis heute.
1984 – Ein Jahr von großer Bedeutung für die Zukunft des Atomprogramms im Wendland, „das Vertrauen hat sehr gelitten“. Eine Menschenkette und eine Wendland-Blockade richten sich gegen die WAA-Pläne in Draghan. Unter erheblichem Protest erreicht dann ein erster Atommülltransport das Fasslager Gorleben:
Der erste „Tag X“ – Um 8.42 Uhr des 8.10.1984 verlassen vier Tieflader das AKW Stade. Beladen mit 210 Zweihundert-Liter-Fässern macht sich der Transport mit schwach radioaktivem Müll auf den Weg ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben, in dem die Lagerhallen noch leer stehen…
- zum vollständigen Bericht in der Gorleben-Chronik
- NDR-Bericht vom 27.09.2024: 8. Oktober 1984: Erster Atommülltransport kommt nach Gorleben
Schon Ende Oktober wird ein erstes Fass zum AKW Stade zurück gebracht: die Strahlung ist zu hoch. Die Überschreitung der Grenzwerte war erst drei Wochen nach der Einlagerung in Gorleben entdeckt worden. Es ist einer der Anfänge des „Transnuklear-Skandals“, systematisch und bundesweit wurden in den 80er Jahren Mitarbeiter:innen von Atomkraftwerken und Elektrizitätskonzernen bestochen, Atommüllfässer falsch deklariert und unsachgemäß gelagert – auch Gorleben war davon betroffen.
„Während damals noch die Mehrheit unserer Lokalpolitiker das Zwischen(?)-lager als Segen für die Region pries – es hat ja Millionen in die lokalen Kassen gespült! – wurden viele nachdenkliche, wache Bürger nicht müde zu warnen: In Leserbriefen, Appellen, Anzeigen auf fast jeder Seite unserer Lokalzeitung, in Menschenketten, Prozessen und schließlich der Wendlandblockade zeigte sich der Unmut, aber auch die Hilflosigkeit gegen ‚die oben'“, beschreibt Marianne Fritzen 2014 in der Gorleben-Rundschau die damalige Stimmung.
Wolfgang Ehmke, langjähriger Pressesprecher der Bürgerinitiative schreibt am 1. Oktober 2024 dazu:
40 Jahre nach dem Einlagerungsbeginn sehen wir, dass die Frage, wohin mit dem Atommüll, noch lange nicht gelöst ist. Das Fasslager in Gorleben wird unbefristet betrieben, die schwach- und mittelaktiven Abfälle sollten eigentlich in die ehemalige Erzbergwerk Schacht KONRAD verbracht werden, doch der Planfeststellungsbeschluss wird höchstwahrscheinlich juristisch angefochten, weil das Bergwerk aus Sicht der Kritiker heutigen Sicherheitsanforderungen an die Atommüllendlagerung nicht entspricht. In der Castorhalle – offiziell Brennelemente-Zwischenlager Gorleben – stehen 113 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen. Die Aufbewahrungsgenehmigung erlischt im 2034 und weil der Endlagerstandort wohl erst in den 60er oder 70er Jahren des Jahrhunderts feststeht, mutieren die Zwischenlager zu Langzeitlagern – mit allen Risiken einer oberirdischen Lagerung dieser brisanten Abfälle.
Zwei Dinge nehmen wir mit aus all den Jahren: Ohne Protest und Widerstand der Zivilgesellschaft wäre die Atommüllproduktion nicht gestoppt worden. Und – wer heute auf Atomkraft setzt, sollte unbedingt auf die Atommüllproblematik und auch auf die Kosten der nuklearen Entsorgung schauen. Unser Engagement ist weiterhin notwendig.