FUNDSTÜCK DES MONATS

Juni – Vor 45 Jahren: Räumung der „Republik Freies Wendland“
Am 4. Juni 1980, 9.50 Uhr fällt die erste Hütte. 3.500 Beamte*innen von Polizei und Bundesgrenzschutzes räumen mit Hilfe von Planierraupen, Wasserwerfern und einer Armada von BGS-Hubschraubern das Hüttendorf 1004.
Die sogenannte „Republik Freies Wendland“ war am 3. Mai im Rahmen einer Großdemonstration von ca. 5.000 Atomkraftgegner*innen aus Protest gegen die Einrichtung der „Tiefbohrstelle 1004“ errichtet worden. Tiefbohrstellen sollten dazu dienen, den darunter liegenden Salzstock zu erkunden. Das Ziel: ein Endlager für hochradioaktiven Müll.
Das Dorf.
Während der 33 Tage dauernden Besetzung war rund um das achteckige Freundschaftshaus (Durchmesser 37 Meter, Fassungsvermögen 400 Personen) ein komplettes Dorf mit 120 Hütten entstanden: mit Frauenhaus, Kinderhaus, einem Turm, Großküche, Badehaus, Sauna, Toilettenanlage, einer Krankenstation und einer Kirche. Alles (außer dem Freundschaftshaus) gebaut aus Stangenholz, Brettern, Lehm, recycelten Fenstern, viel Phantasie und schier unerschöpflicher Improvisationskunst.
Über einen Monat lang erprobten die 500 bis 700 ständigen Platzbesetzer*innen ein Zusammenleben auf basisdemokratischer Grundlage, organisiert mit Sprecher*innenrat und Plenum. Die hier praktizierte Lebensweise war für viele eine Erfahrung, die ihre weitere soziale und politische Entwicklung prägen sollte.
An den Wochenenden wurde das Dorf von bis zu 4.000 Besucher*innen förmlich überrannt – unter ihnen u.a. auch Gerhard Schröder, damaliger JUSO-Chef.
- Hörstück von Dirk Drazewski, Von Träumen und dem Paradies (25’48)
- VIDEO: Gorleben: Das Hüttendorf „Republik Freies Wendland“ (ndr.de, 8 Min)
- Gorleben-Chronik: das Jahr 1980
Die Räumung.
Am Räumungstag hatten sich die etwa 2.500 BesetzerInnen auf dem Dorfplatz eng nebeneinander zu einer Sitzblockade versammelt. In der Mitte ein Blasorchester und ein Lautsprecher mit einer Live-Übertragung von Radio Freies Wendland – dem Piratensender, der schon während der Wochen zuvor mobil und im ständigen Katz- und Maus-Spiel mit der Post gesendet hatte. Seit 2015 ist der Sender im Deutschen Technikmuseum in Berlin ausgestellt (siehe Foto).
Auszüge aus einem Mitschnitt von Radio Freies Wendland vom 4.Juni 1980: