FUNDSTÜCK DES MONATS

GorlebenerGebet_WolfgangHain

Juni

35 Jahre Gorlebener Gebet

Seit 35 Jahren treffen sich jeden Sonntag um 14 Uhr – nur wenige Schritte entfernt vom ehemaligen „Erkundungsbergwerks“ Gorleben – Menschen verschiedener Konfessionen zum „Gorlebener Gebet“. Es sind Handarbeiter:innen, Musikant:innen, Unverfrorene, Gleichgesinnte aus aller Welt, denn es wurde auch Hand angelegt, als Kreuze vom Atomkraftwerk Krümmel und von der geplanten Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf quer durch die Republik in den Gorlebener Tann getragen wurden (Kreuzwege), um ein Zeichen zu setzen zur Bewahrung der Schöpfung. Es wird musiziert, gesungen und gebetet – und das ausnahmslos an jedem Sonntag, auch bei Minustemperaturen.

In der Elbe-Jeetzel Zeitung vom 01.06.1989 heißt es: Die Gebetsandachten stehen in der Tradition der Gottesdienste, die seit Pfingsten 1983 zunächst in Dragahn, später in Gorleben zu besonderen Anlässen stattgefunden haben. Die neue Initiative geht zurück auf die „Kreuzwege“ und sieht sich als Teil des „Ökumenischen Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“, dessen Themen auch die Inhalte der Andachten bestimmen werden.

Erfüllt habe sich die Erwartung, daß die Andachten gekennzeichnet sind durch besondere geistliche Lebendigkeit, inhaltliche Vielseitigkeit und abwechslungsreiche Form, resümmieren die Aktivist:innen vom Gorlebener Gebet dann am 30.08.1989. Am vergangenen Sonntag seien auch in strömendem Regen mehr als zwei Dutzend Menschen zur Andacht gekommen. Herbst und Winter würden nun erweisen, ob das Gebet an diesem Platz tatsächlich vom Wetter unabhängig ist.

Als das „Gorlebener Gebet“ 2014 sein 25 jähriges Bestehen feierte, betonte Elisabeth Hafner-Reckers (heute stellvertetende BI-Vorsitzende): „Es gibt keinen Grund zur Freude.“ Schon längst hätte Gorleben als Endlagerstandort aufgegeben werden müssen. Allenfalls auf das Durchhaltevermögen der unzähligen Beteiligten könne man stolz sein, so Hafner-Reckers.

„Einige Male haben wir uns im Februar nicht unter den Kreuzen im Wald versammelt, sondern mitten auf dem Mastenweg“, berichtete Organisatorin Veronika Hüning aus Vietze 2020. Ursache dafür, die „schützenden Bäume“ zu verlassen, war die Corona-Pandemie. Auf dem Mastenweg war es möglich, den nötigen Abstand voneinander zu halten. Diese Zeiten machten es nicht leicht, sich zu treffen. Und doch gelang es Woche für Woche, das Gebet musste nicht einmal abgesagt werden. Zwar hat es Mitte März bis Mitte Mai 2020 keine „offiziellen“ Andachten gegeben. Es nutzten aber sonntags immer ein paar Personen den Ort für stille Gebete oder Meditation oder Gespräche.

„Ob wir unter den Kreuzen Andacht halten oder ob wir auf der Straße stehen, wir sind miteinander verbunden im Gebet und im Widerstand gegen die Zerstörung der Schöpfung, gegen Gewalt und Unrecht. Wir sind verbunden im Streit für eine gute Erde für alle Menschen. Ich wünsche uns, was die zweite Strophe des Liedes vom ‚Holz auf Jesu Schulter‘ uns zuspricht: ‚Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt’“, so Veronika.

„Es muss weitergehen“, sagte Christa Kuhl nach dem Gorleben-Aus im Oktober 2020 in einem Interview mit der taz. Neben der Aufgabe des Standorts Gorleben für ein Endlager ist es auch Anliegen, „dass die Nutzung der Atomenergie insgesamt beendet wird, wo auch immer. Dieses Anliegen bleibt, es ist noch nicht erfüllt.“

Der Bestand des Gorlebener Gebet befindet sich im Gorleben Archiv, in unserem System „Augias“ sind EJZ-Artikel, ein Liederbuch, eine Sammlung von Andachten u.v.m. verzeichnet. Darunter fanden wir dieses Bild. Es ist von Wolfgang Hain zwischen „1979 bis 1982“ gemacht worden.

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