FUNDSTÜCK DES MONATS
Eine „echte“ Pyramide
Unser tonnenschweres Fundstück stammt von einem Scheunenboden. Es handelt sich um eine „echte“ Blockade-Pyramide, die irgendwann vor 2011 entstanden sein muss. Eingesetzt wurde sie nie, sie diente laut gut informierten Menschen als „Backup“. Wenn also eine erste Blockade-Aktion nicht geklappt hätte, wäre diese Pyramide zum Zuge gekommen…

Castor 2006 – Pyramide
Zum ersten Mal auf wendländischen Straßen gesichtet wurden diese Bauwerke aus der kreativen Protest-Werkstatt am 12. November 2006:
Um 19.20 Uhr wird bekannt, dass sich in Klein Gusborn vier Menschen an eine Betonpyramide gekettet haben. Gegen 21.00 Uhr ketten sich vier Aktivist:innen in Langendorf vor der Kirchen an einer zweiten Betonpyramide fest. „Ihre Konstruktion und Verankerung im Strassenasphalt lässt hoffen, dass die Polizei es nicht einfach haben wird, diese Protestmittel so einfach beiseite zu schieben“, schreibt die Bäuerliche Notgemeinschaft in einer Pressemitteilung.
„Form ca. 1m x 1m, an jeder Seite eine Person (4 Personen) angekettet, gelb gestrichen mit einem Radioaktivitätszeichen. +++ Die Konstuktion scheint sehr stabil zu sein, weil die Polizei ergebnislos versucht die Pyramide zu bewegen.“ (Augenzeuge)
Die Räumung der Pyramiden dauerte meistens Stunden: Im November 2008 verzögerten acht in zwei Betonpyramiden angekettete Mitglieder der Bäuerlichen Notgemeinschaft den Straßentransport in das Zwischenlager Gorleben um 24 Stunden.
Die Pyramide tauchte daraufhin immer wieder bei Castortransporten auf, 2009 sogar bei einer symbolischen Aktion vor dem Bundeskanzleramt in Berlin.
8. November 2010: Gegen 22.00 Uhr gelingt es vier Mitgliedern der Bäuerlichen Notgemeinschaft mit einer Beton-Pyramide, an der sich die Aktivist:innen angeketten haben, die Durchfahrtsstraße in Gorleben, in Höhe des BLG-Informationshauses, zu blockieren. Eine zweite Pyramide wird in Gorleben von der Polizei abgefangen und beschlagnahmt.
Pyramide war die Antwort gegen schnelle Räumung

10.11.2008 – Protest mit Pyramide gegen Castor
Ankettaktionen hatte es bis dahin schon mehrere gegeben, meist auf der Schiene, in einbetonierten Rohren im Gleisbett. Für die Straßentransportstrecke von Dannenberg nach Gorleben wurden mehrere hundert Kilo schwere Betonklötze mit Löchern versehen, in die ein Unterarm passt. Mit einer Handschelle wurde das Handgelenk an einem Steg im Innern befestigt, somit war der Arm in dem Korpus fixiert. Versucht die Polizei nun, den Betonklotz von der Straße zu schieben, besteht das Risiko, dass dabei einer der Aktivist:innen verletzt wird. Die Räumung von „Betonklötzen“ wie etwa im November 2004 oder 2005 – Aktivist:innen hatten sich an Traktoren und Leichenwagen gekettet, war für die Polizei relativ leicht geworden. Die Pyramide aber bekamen die Spezialisten von den Technik-Zügen der Bundespolizei wegen ihrer Bauform nicht so einfach zu greifen. Nachdem die Polizei 2010 eine Ausführungen von der Straße schieben konnte, wurde die Konstruktion immer weiterentwickelt:
9. November 2010 – Gegen 3.00 Uhr gelingt es der Polizei, die Pyramidenblockade in Gorleben mithilfe eines Hubwagens zu räumen. An der Pyramide wurde weder gefräst noch gehämmert, sondern eine Platte untergeschoben. Zuvor hatten Polizisten aus Sachsen versucht, die Pyramide mitsamt der Angeketteten von der Straße zu schieben.
So mussten die Beamt:innen ins Innere der Pyramide vordringen, um die Aktivist:innen einzeln zu lösen – was sich als gewaltige Herausforderung erwies. Mit Presslufthämmern und großen Flex wurden die Bauwerke stundenlang – aber langsam und vorsichtig – bearbeitet, um an die Ankettvorrichtungen zu gelangen. Damit die Polizei sich mit ihren kleinen Kameras im Inneren nicht kundig machen konnte, soll dagegen einmal sogar Rasierschaum eingesetzt worden sein.
15 Stunden Pyramiden-Blockade

27.11.2011: Pyramide Hitzacker
Legendär wurde die Pyramide im November 2011 auf der Schiene bei Hitzacker:
27. November 2011
07:00 Uhr – In den frühen Morgenstunden, pünktlich zum ersten Advent, hat sich eine Adventspyramide mit vier Aktivist:innen der Bäuerlichen Notgemeinschaft auf die Schienen verirrt. Die vier Landwirt:innen hatten sich in der Betonpyramide so fixiert, dass die Polizei vor einem nahezu unlösbaren Problem stand.
15:45 Uhr – Die Arbeiten an der Betonpyramide der Bauern bei Hitzacker sind nicht erfolgsversprechend. Gegen 15.30 Uhr sind alle vier weiter auf den Schienen angekettet. Die technische Einheit der Bundespolizei ist ratlos. Es wird viel gebohrt und geflext. Als Schotter unter der Pyramide entfernt wird, sackt diese ab und droht die Aktivist:innen zu verletzen.
Gegen 20.45 Uhr stellt die Polizei die Arbeiten an der Pyramide in Hitzacker ein und setzt auf Verhandlungen mit den Aktivist:innen. Die technische Einheit der Bundespolizei war gegen die niedersächsische Einheit ausgetauscht worden. Wegen möglicher Verletzungsgefahr der Aktivist:innen soll von einer Räumung absehen werden – und die vier Aktivist:innen sollen zum Aufgeben bewegt werden. U.a. werden Konzertkarten für die Beatsteaks versprochen…
22:30 Uhr – Nach 16 Stunden beenden die Aktivisten in Hitzacker ihre Blockadeaktion selbst, da sie durch weitere Befreiungsarbeiten der Polizei ihre Gesundheit ernsthaft gefährdet sehen. Unter dem Jubel der Umstehenden (und einer sich zu ihnen gesellten Sitzblockade) sowie mit größtem Respekt und Anerkennung seitens der Polizei verlassen sie die Schienen.
Auch wenn sie ihre Forderungen, der sofortige Baustopp im Gorlebener Salzstock und der sofortige Stopp aller Castor-Transporte ins Wendland, nicht durchsetzen konnten, bezeichnen die Landwirte die Pyramide als gelungene Aktion. „Wir hätten noch länger ausgehalten“, sagt Fritz Pothmer. „Es war eine Genugtuung, die Polizei scheitern zu sehen“, ergänzt Heiko Müller-Ripke auf der Pressekonferenz. Durch deren Fehlverhalten hätten sie letztendlich aufgeben müssen.
1,5 Tonnen Beton
Unser „Fundstück“ besteht aus zwei Teilen, einer Hülle aus Beton und einem Ankettblock aus Stahl in der Mitte der Pyramide. Durch die Außenhülle wird der Arm in die Ankettvorrichtung gesteckt. Würde nun die äußere Hülle angehoben werden oder absacken, besteht akute Verletztungsgefahr für die Aktivist:innen. Unter der Pyramide sind Anti-Rusch-Matten angebracht. Was alles in den Beton „eingebacken“ wurde, um Flexscheiben zu zerstören, ist nicht bekannt…
- Das Gewicht der ganzen Pyramide liegt bei etwa 1,5 Tonnen.
- Die Hülle steht seit dem Gorleben-Tag 2025 bei Gerd Wiese in Gedelitz.
- Der „Ankett-Kern“ ist nun im Gorleben Archiv zu bestaunen, allein sein Gewicht liegt bei mindestens 200 kg.
- 2005 – Ankettaktion an Fendt
- 2005 – Ankettaktion an Fendt
- 2005 – Ankettaktion an Fendt
- 2006 – Splietau. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel. Foto: Lowin
- 2008 – Grippel, Foto: Christian Charisius
- 2011 – Hitzacker. Foto: Andreas Schoelzel
- 2011 – Hitzacker. Foto: Lowin
- 2011 – Hitzacker. Foto: Lowin
- Beton-Pyramide auf dem Gorleben-Tag 2025
- Ankett-Kern der Betonpyramide, im Gorleben Archiv
- Beton-Pyramide auf dem Gorleben-Tag 2025















