FUNDSTÜCK DES MONATS

27.10.2004 - Greenpeace-Aktion am Zwischenlager, Foto: R. Groß

Mit Betonköpfen gegen den „Schwarzbau“

Im Oktober / November vor 21 Jahren spitzte sich der Streit um Gorleben erneut zu. Ein weiterer Castorzug war für November angekündigt worden, seit ein paar Wochen liefen die Vorbereitungen im Wendland auf Hochtouren: Während BGS-Beamte die Bahnstrecke kontrollierten, bereiteten sich 50 Pastor:innen und Diakon:innen mit einem „Mediations-Training“ auf die erwarteten Konfrontationen von Atomkraftgegner:innen und Ordnungshüter:innen vor. Die BI plante die Auftaktdemonstration in Dannenberg, „X-tausendmal quer“ kündigte eine gewaltfreie Sitzblockade auf der Straße an.

Mit einer besonders kreativen Aktion unterstrich damals Greenpeace den Protest: Mit einem fünf mal drei Meter großen Mahnmal protestierten am 27. Oktober 2004 mehr als 20 Aktivist:innen gegen das damals noch geplante Atommüll-Endlager im Salzstock. Das 7 Tonnen schwere Monument aus Stahl und Beton wurde vor der Zufahrt zum Zwischenlager aufgestellt und zeigte die aus Beton gearbeiteten Köpfe der Vorstandsvorsitzenden von E.ON, RWE, Vattenfall Europe und EnBW. Mit dem Schriftzug „Den Betonköpfen, die Gorleben zur Atommüllkippe machen!“ prangerten die Umweltschützer die Blockadehaltung der vier großen Energieversorgungsunternehmen bei einer alternativen Endlagersuche an. Seit den achtziger Jahren hatten namhafte Geologen vor der Einrichtung eines Atommüllendlagers im Salzstock in Gorleben gewarnt, doch die Atomindustrie investierte bis Ende 2002 etwa 1,25 Milliarden Euro in das Erkundungsbergwerk. „Die Atomindustrie versucht hier Tatsachen zu schaffen und setzt rücksichtslos ihre Interessen durch. Wissenschaftliche Erkenntnisse oder gar die berechtigten Sorgen der Bevölkerung interessieren sie dabei überhaupt nicht,“ erklärte Greenpeace-Atomsprecher Thomas Breuer. Mit jedem Atomtransport ins Zwischenlager versuche Industrie und Regierung, das geplante Endlager in Gorleben zu zementieren.

Greenpeace stand immer an der Seite des Gorleben-Widerstands. Ob mit fachlicher Unterstützung, finanziellem Support oder mit direkten Aktionen. Das alles gipfelte in der „Beluga“ im Wald vor dem Bergwerk. Mithilfe von Tiefladern und Kränen fand das alte Greenpeace-Schiff dort 2013 seinen letzten Hafen als „Mahnmal für eine verfehlte Energiepolitik“ – und dient damit bis heute als Treffpunkt für den Widerstand.

Gorleben ist offiziell ein „Schwarzbau“

Atomkraftgegner:innen aus dem Wendland hatten schon lange befürchtet, dass in Gorleben unter Tage kein „Forschungsbergwerk“ betrieben, sondern ein Endlager ausgebaut werde. Seit 2004 war das Bergwerk offiziell ein „Schwarzbau“: Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) verteidigte am 3. November 2004 diesen Begriff, den er vorher im Zusammenhang mit dem Erkundungsbergwerk für ein Atomendlager in Gorleben gebraucht hatte. Dort sei nämlich nicht nur erkundet, sondern mit Wissen und Zustimmung der Betreiber ein Endlager ausgebaut worden, so Trittin. Keine Verwunderung sollte deshalb auslösen, dass in einer parlamentarischem Debatte der Begriff „Schwarzbau“ verwendet werde, „wenn etwas anderes gebaut wurde als verlautbart“. „Was da (in Gorleben) gemacht worden ist, ging über die Erkundung hinaus.“ Der Salzstock in Gorleben sei atomrechtlich nicht genehmigt und deshalb „nichts anderes als ein Schwarzbau“, unterstreicht Trittin am 15. November auf dem Landesparteitag der Grünen.

Bild: EJZ / R. Groß

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