FUNDSTÜCK DES MONATS

Fundstück_Windrad_liegend

Wiederaufforstung statt Wiederaufarbeitung

Kurz nachdem der große Waldbrand zwischen Trebel und Gorleben 16 Quadratkilometer verbrannte Erde hinterlassen hatte, machten sich Aktivisten daran, das Gelände wiederaufzuforsten. Mehrere Frühjahre hintereinander bepflanzte die sog. „Gruppe Platz“ gemeinsam mit Atomkraftgegner:innen u.a. aus Göttingen, Bremen, Braunschweig und Berlin das Areal mit jungen Bäumen. Wie aber sollten die Setzlinge in dem trockenen Sandboden anwachsen und gedeihen? Die Lösung brachten Mitglieder einer frisch gegründeten „Windmühlenmanufaktur“ aus Berlin-Kreuzberg mit: Pläne und ausreichend technisches Knowhow für ein Windrad nach dem Vorbild amerikanischer Windturbinen. Mit 24 gewölbten Rotorblättern sollte es für eine regelmässige Bewässerung sorgen. Zwar gehört das Wendland eher zu den windarmen Gegenden Deutschlands, aber sog. „Langsamläufer“, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt, beginnen sich schon bei Windstärke 1 zu drehen. Zusammen mit einer entsprechenden Pumpe sollte die Förderleistung später bei über 9 Kubikmetern Wasser pro Tag liegen.

Monat für Monat traf sich eine Gruppe aus Ingenieuren und Ingenieurstudent:innen bei Karin Berger und Eddi Bode in Großwitzeetze. Zur „Gruppe Platz“ gehörten damals u.a. Wolfgang Eisenberg, Werner Richter und Ekkehard Witt. Planerische Hilfe kam vom damaligen Bauamtsleiter August Quis, sicher einem heimlichen Sympathisanten, denn er versorgte die Gruppe mit der nützlichen Information, dass Wasserversorgungsanlagen bis zu einer Höhe von 12 Metern keine Baugenehmigung brauchten. Eine Vorgabe, an die sich die Pläne ohne Abstriche anpassen ließen.

Bemerkenswert ist, dass das Projekt fast ausschließlich aus Altmaterialien und Schrottteilen realisiert wurde: die gebrauchte Pumpe kam von den Berliner Wasserwerken, die vier Lager des Windrades stammten aus einem ausrangierten U-Bahn-Wagen der Berliner BVG. Und zur Herstellung komplizierter Teile stellte die TU Berlin ihre Maschinen zur Verfügung. „Ohne die Unterstützung dieser Institutionen wären wir aufgeschmissen gewesen“, schreibt die Gruppe in ihrer hektografierten (!) „Broschüre zum Gorleben-Windrad“.

Nach viel Planung und unbezahlter Handarbeit sowie ca. 6.000 DM Gesamtkosten konnte die Anlage im Herbst 1979 aufgestellt werden. Etliche Freiwillige und ein Trecker leisteten Hilfestellung. Mit der Errichtung des Windrades war es aber nicht getan. Um das weitläufige Bewässerungssystem zu verlegen, konnte die Gruppe auch noch ein Workcamp mit mehr als 20 Leuten organisieren. Über „fließend Wasser“ durften sich im Mai 1980 auch die Bewohner:innen der „Republik Freies Wendland“ freuen: bis zur Räumung lieferte das Windrad 33 Tage lang Wasser ins Hüttendorf.

Etliche Jahre später wurde das Windrad von Unbekannten umgesägt – zu einem Zeitpunkt, als die Bäume zum Glück schon gut verwurzelt waren. „Dorf und Turm könnt ihr zerstören, aber nicht unsere Kraft, die es schuf!“ hieß es nach der Räumung des Dorfes 1004. Dieser Satz lässt sich auch auf die Aktiven und ihr Windrad anwenden. Wer sich heute auf die Suche nach den Überresten macht, wird kaum fündig werden. Sie sind in einem dichten Wald verschwunden. 

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