FUNDSTÜCK DES MONATS
August – der Waldbrand bei Gorleben vor 50 Jahren
"...sein Feuer hat paar Wälder hinter Gorleben zerstört, mein Gott, kam der gelegen, dieser Brand …", sang der Liedermacher Walter Moßmann in seinem "Lied vom Lebensvogel" 1978. Er meinte damit, dass der große Waldbrand, der im August 1975 - heute vor 50 Jahren - eine 16 Quadratkilometer große Brachfläche zwischen Gorleben und Trebel hinterließ, der Atomindustrie nicht ungelegen kam. Nur zwei Jahre später beschließt nämlich die niedersächsische Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU), auf 12 Quadratkilometern ein gigantisches "Nukleares Entsorgungszentrum" (NEZ) zu errichteten. Geplant sind eine Wiederaufarbeitungsanlage, eine Brennelementefabrik sowie ober- und unterirdische Lagerstätten für die nuklearen Abfälle.
"Niemand war vor der Standortbenennung im Februar 1977 auf die Idee gekommen, dass dieser Brand, eindeutig durch Brandstiftung verursacht, womöglich ein Hinweis auf eventuelle Großpläne einer Landesregierung sein könnte", erzählte Lilo Wollny dem Wendland Net 2009.
Vermutlich war es genau andersherum: "Der Brand hat die Entscheidung pro Gorleben mit beeinflusst", ist sich die BI Umweltschutz sicher. Denn gesucht wurde 1976, ein Jahr nach dem verheerenden Brand, ein Areal von 12 Quadratkilometern für das Nukleare Entsorgungszentrum (NEZ). Lüchow-Dannenberg als mögliche Standortregion wurde am 18. November 1976 handschriftlich in einer Kabinettsvorlage mit dem Vermerk "neu" in die Liste möglicher Standorte aufgenommen und Gorleben bekanntlich am 22. Februar 1977 vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht als vorrangiger Standort für die Atommülldeponie benannt. Der verkohlte Boden war kaum noch etwas wert. Trotzdem wurde den Waldbesitzern vier Mark pro Quadratmeter statt 50 Pfennig geboten.
"Den immer wieder geäußerten Vermutungen, dass der Brand vorsätzlich gelegt wurde, um dort das gigantische „Nukleares Entsorgungszentrum“ zu errichten, treten wir deshalb entgegen“, erklärt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke in einer Pressemitteilung zum 50. Jahrestag.
Die Geschichte: Am 12. August 1975 um 11:55 Uhr bricht in der Nähe von Gorleben ein Großfeuer aus. Vom ehemaligen "Trafohäuschen" aus, später ein markanter Treffpunkt für viele Aktionen der Gorleben-Gegner:innen, frisst sich das Feuer südlich vor. Aufgrund von starkem Wind und dem Mangel an Tanklöschfahrzeugen der Feuerwehr kann der Brand nicht unter Kontrolle gebracht werden. In den Nachmittagsstunden werden die Ortschaften Nemitz, Lanze und Prezelle evakuiert, die vom Feuer aber verschont bleiben. Mit Unterstützung der Bundeswehr und den aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein nachrückenden Feuerwehren kann die Bedrohung der Ortschaft Trebel abgewendet und das Feuer in den Abendstunden des Tages eingedämmt werden. Bis 22:00 Uhr sind ca. 2.000 Hektar Wald- und Ackerfläche vernichtet.

1975: Polizei sucht Brandstifter; aus EJZ
Als Ursache für den Großbrand konnte eindeutig Brandstiftung festgestellt werden. Die Polizei suchte per Anzeige nach dem Brandstifter. Vermutet wurde, dass es ein Mann war, der am 12. August auf der Straße zwischen Gorleben und Gedelitz mit einem orangefarbenen Mofa unterwegs war.
Es dauert Jahre, bis Umweltgruppen feststellten, dass zeitnah zu dem Brand bei Trebel mehrere andere große Waldflächen abgebrannt waren – allesamt offensichtlich durch Brandstiftung verursacht. Seltsamerweise ereigneten sich die Waldbrände alle auf Flächen, die als Standorte für mögliche Atomkraftwerke bzw. ein Nukleares Entsorgungszentrum im Gespräch waren.
Auch wenn nie ein Beweis erbracht werden konnte, dass es einen Zusammenhang gab: Für die Baupläne in Gorleben war es jedenfalls extrem günstig, dass die Waldflächen abgebrannt waren. So konnten die Waldeigentümer einfacher zum Verkauf bewegt werden.
Auf einer durch den Brand entstandenen Lichtung entstand im Mai 1980 die "Republik Freies Wendland".
Wanderausstellung "50 Jahre Waldbrandkatastrophe"
Der Museumsverbund Lüchow-Dannenberg e.V. lädt am 12. August um 11:55 Uhr zur Eröffnung einer Wanderausstellung mit dem Titel "Mit dem Feuer leben lernen. Waldbrandkatastrophe Gorleben 1975" ins Verdo nach Hitzacker. weitere Infos dazu hier.