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Eigentlich wäre jetzt KLP…

…wenn nicht Corona wäre. 2020 wurde die Kulturelle Landpartie abgesagt, dieses Jahr ist sie auf Ende Juli verschoben. Einige Blicke zurück – und einer nach vorn.

Seit 1989 findet das jährliche, kulturelle Highlight des Wendlands schon statt. Ihre Wurzeln hat der „größte Ausstellungszyklus dieser Art in Deutschland“ (wikipedia) im Widerstand gegen die Atomanlagen in Gorleben.

„wunde Punkte“

Das Prinzip, mit künstlerischen Mitteln gegen die Atommüllpläne in Gorleben zu demonstrieren, hatte spätestens 1985 größere Formen angenommen. Es fanden Kunstaktionen wie „Da müssen wir durch“ oder „Hart an der Grenze“ statt. Künstler*innen wie Irmhild Schwarz, Astrid Clasen oder Mitglieder der Wendländischen Filmkooperative setzten Maßstäbe, was kreativen Widerstand durch künstlerische Aktion anging.

Gut ein Dutzend Künstler*innen und Kulturschaffende trafen sich dann 1989 zum ersten Mal, um eine Veranstaltungsreihe vorzubereiten, die sowohl die „wunden Punkte“ der Region als auch die wundersamen Orte vorstellen sollte. Die Zeiten waren turbulent, die Auseinandersetzungen um Gorleben teilweise hart. Die Anlieferung des ersten Atommülls überhaupt war angekünftigt worden, der Slogan „Wir stellen uns quer“ ausgerufen. Immer wieder fanden Widerstandsaktionen statt. Der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther titulierte die Gorleben Gegner*innen als „unappetitliches Pack“.

„Die Leute von anderswo sollten das Wendland nicht mehr nur mit Bildern von knüppelnden Polizisten und auf der Straße hockenden Demonstranten verbinden, sondern auch die weite Landschaft und die alten Rundlingsdörfer im Kopf haben. Vor allem aber wollten die Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen dazu einladen, ihre wendländische Philosophie kennen zu lernen: gut und schön leben zu wollen, ohne dabei bräsig und ignorant zu werden“, beschrieb KLP-Mitgründerin Britta Kärner in der taz vom 19. 5. 2007.

„Das lassen wir uns nicht gefallen, denen zeigen wir mal, was dieses ‚unappetitliche Pack‘ auf die Beine stellen kann“, empörte sich die Zeetzer Malerin und Bildhauerin Uta Helene Götz. (wendland.net, 2010)

24.5.1990 – Gorleben. Bild: G. Zint

Christi Himmelfahrt 1990 öffneten dann zum ersten Mal die Tore der „Wunde.r.punkte“. Ein Dutzend Kunsthandwerker*innen nahmen am Abenteuer „Ausstellung in den eigenen Räumen“ teil.

„13 Jahre Kampf gegen die Atomanlagen in Gorleben haben dem Land und seinen Bewohnern eine Vielzahl ‚wunder‘ Punkte beigebracht. Nicht alle sind für den Außenstehenden wahrnehmbar. Behalten Sie den ernsten Hintergrund im Kopf, wenn Sie jetzt losfahren, losradeln, loswandern um, die ‚wunderbaren‘ Punkte dieser Region zu erkunden!“
Aus dem ersten „KLP-Reisebegleiter“, 1990

Die Idee, den Widerstand gegen die Atommüll-Pläne in Gorleben durch die Präsentation der eigene kreative Arbeit zu dokumentieren, schlug ein. In den folgenden Jahren kamen immer mehr Besucher*innen und die Anzahl an Austellungsorten wuchs: 1993 nahmen schon 40 Aussteller*innen teil, alles Handwerker aus dem Landkreis allerdings, die sich allenfalls ein oder zwei gute Freund*innen zur Mitausstellung einluden. Der Erfolg der KLP und der Zuspruch sorgten für Wachstum, 1999 fanden an den zehn Tagen über 1.000 Veranstaltungen statt, 600 Aussteller*innen in über 80 Orten nahmen an der „Kulturellen Landpartie“ teil. 2015 waren es bereits 820 Künstler*innen an gut 120 Ausstellungs- und Veranstaltungspunkten.

Besonders in den „Castorjahren“ bis 2011, als noch jedes Jahr im November Atommüll nach Gorleben gebracht wurde, war die KLP der sommerliche Kontrast zum grauen Herbst, der von Polizei und poltitischer Auseinandersetzung an Schienen und Straßen geprägt war. Man traf sich zwei Mal im Jahr, einmal zum blockieren – und einmal, um die Schönheit dieser Landschaft, die Menschen und KLP-Angebote zu genießen.

7.6.2019: KWP 2019

Der Konflikt im Gorleben war immer ein wichtiger Bestandteil an den meisten KLP-Punkten, manchmal ging er leider in der Masse an Angeboten etwas unter. Bei anderen Punkten stand er aber im Fokus. Spätestens 2014 kam dann kein Besucher und keine Besucherin der KLP mehr an dem Thema vorbei, nachdem die Bürgerinitiative Umweltschutz den „Gorleben-Tag“ ausgerufen hatte: Am Freitag vor Pfingsten traf sich alles an den Atomanlagen zur „Kulturellen Widerstandspartie“. Die meisten Punkte machten dicht – tausende Menschen kamen nach Gorleben und feierten bis in die Morgenstunden ein Protestfest…

Gorleben ist raus.

Ende Oktober 2020 nahm die Geschichte um Gorleben dann eine unerwartete Wende: Wegen seit Jahrzehnten bekannter aber nun endlich anerkannter geologischer Mängel des Salzstocks schied der Standort aus der weiteren, bundesweiten Suche nach einem Endlager aus. Damit endete eine über 40 Jahre lange Ära, die mit der Standortbenennung 1977 ihren Lauf genommen hatte.

Doch vorbei ist der Protest gegen den Atommüllstandort damit nicht. In der Zwischenlagerhalle befinden sich über 100 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen, für die es bis heute keine „Lösung“ gibt. Klar ist nur, dass die Castoren mangels Alternative noch Jahrzehnte in der „Kartoffelhalle“ von Gorleben stehen müssen. Hoffentlich halten sie dicht.

Doch auch Corona hat im letzten Jahr viel verändert. 2020 haben sich etwa ein Dutzend Ausstellungsorte zum „Landgang“ abgespalten, es folgte eine Handvoll Orte mit der Gründung der „Wendlandpartie“. Nunmehr hat der Landkreis also mitsamt der seit den 90er Jahren eigenständigen „Mützingenta“ vier verschiedene Ausstellungs- und Veranstaltungskonzepte im selben Zeitraum (Himmelfahrt bis Pfingstenmontag) anzubieten.

Zu hoffen bleibt, dass in diesem Jahr während des angekündigten Ausweichstermins 28. Juli bis 8. August 2021 wenigstens einige Veranstaltungen wie gewohnt stattfinden können. Wir werden sehen, was 2022 dann bringt. In jedem Fall aber die Abschaltung der letzten deutschen Atomkraftwerks.

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