Der Gorleben-Treck – 40 Jahre danach
Eine Ausstellung des Gorleben Archiv befasst sich mit dem legendären Protestzug der Lüchow-Dannenberger Bauern nach Hannover und seiner gesellschaftlichen Bedeutung für die Region.
„Dieser politische Wandel war wirklich unglaublich. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie hinterwäldlerisch es in diesem Zipfel des Landes einmal war.“ Mit dem hinterwälderischen Zipfel meint der Journalist und Autor Kai Hermann den Landkreis Lüchow-Dannenberg, und zwar vor dem Jahr 1977. Das Zitat stammt aus einem von fast vierzig Interviews, die das Gorleben Archiv mit Zeitzeugen dieses politischen Wandels führte. Ausgelöst hatte ihn der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht, als er ankündigte, in Gorleben ein Nukleares Entsorgungszentrum zu bauen. Für viele Lüchow-Dannenberger war das ein Schock. Unter dem Motto „Albrecht, wir kommen“ startete im März 1979 in Lüchow-Dannenberg ein Protestzug mit mehreren hundert Traktoren in Richtung Hannover, wo er eine Woche später von 100.000 Menschen empfangen wurde. Es war die bis dahin größte Anti-Atom-Demonstration in Deutschland.
Zeitzeugen des politischen Wandels
Der Gorleben-Treck gilt als Initialzündung einer der wichtigsten sozialen Bewegungen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Anlässlich seines 40. Jahrestags ist dieses Ereignis nun Thema einer Ausstellung des Gorleben-Archivs, das am 31. März im Kreishaus Lüchow eröffnet wird. Sie lenkt den Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung des Trecks, der ja nicht nur die Atompolitik beeinflusst, sondern auch das Leben vieler Lüchow-Dannenberger geprägt und verändert hat. Welche Folgen hatte der Treck für die Protestbewegung? Wie hat er den Landkreis verändert – politisch, kulturell, sozial? Die Ausstellung zeigt die Entwicklung der Region aus der sehr persönlichen Perspektive von Menschen, die entweder schon damals dabei waren oder heute das fortsetzen, was die Alten begonnen haben. Im Mittelpunkt stehen – neben historischen Fotos und Filmdokumenten – mehr als zwanzig ausgewählte Zeitzeugen-Interviews, die das gesamte Spektrum der wendländischen Protestbewegung widerspiegeln.
Die eigene Widerstandsgeschichte
Dazu gehören bekannte Namen wie beispielsweise die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms oder der Schriftsteller Hans Christoph Buch. Auch Gottfried Mahlke ist dabei, früher Pastor in Gartow und im Zusammenhang mit dem Gorleben-Konflikt einmal sogar mit einem Predigtverbot belegt. Die Grafikerin und Malerin Uta Helene Götz, die das künstlerische Profil des Widerstands mit prägte. Heinrich Pothmer, der als junger Landwirt bei der großen Kundgebung in Hannover die Rede seines Lebens hielt. Oder die Textildesignerin Elke Kuhagen, die als Achtzehnjährige erlebte, wie das Thema Gorleben sogar die eigene Familie spaltete. Sie alle erzählen von ihrer persönlichen Widerstandsgeschichte, die das Gorleben Archiv in seiner Ausstellung in Auszügen präsentiert.
Zwei sehr unterschiedliche Ausstellungen in Lüchow und Hannover
Das Projekt entstand in Kooperation mit dem Institut für Didaktik der Demokratie an der Leibniz Universität Hannover und dem Historischen Museum Hannover, das etwa zeitgleich den Gorleben-Treck mit einer eigenen Ausstellung würdigt. Unter dem Titel „Trecker in Hannover – Gorleben und die Bewegung zum Atomausstieg“ wird hier mit Dokumenten, Erinnerungsstücken und illustrativen Inszenierungen die Bedeutung des Trecks auch für die Protest-Szene in Hannover gewürdigt. Beide Ausstellungen – in Lüchow und in Hannover – befassen sich zwar mit dem gleichen Thema, unterscheiden sich aber vom Gestaltungskonzept wie auch dem inhaltlichen Schwerpunkt deutlich voneinander.
„Der Gorleben-Treck – 40 Jahre danach“.
Die Ausstellung des Gorleben Archiv e.V.
im Kreishaus in Lüchow läuft vom 1. April bis zum 30. Juni.
Das Projekt wird gefördert vom Landkreis Lüchow-Dannenberg, dem Lüneburgischen Landschaftsverband, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg und der Umweltstiftung Greenpeace.
- Zur Ausstellungseröffnung am 31. März 2019 in Lüchow werden Landwirt*innen der Bäuerlichen Notgemeinschaft mit Treckern kommen.
- Zeitzeug*innen und Ansprechpartner*innen aus dem Gorleben Archiv stehen für Interviews zur Verfügung. Pressevertreter*innen sind ab 10:30 Uhr willkommen.
Kontakt:
Birgit Huneke (Gorleben Archiv): 05841-9715845
Gabi Haas (1. Vorsitzende): 0170-2404689
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