Eine kurze Zwischenmeldung nach der Ausgrabung

GruppenfotoGrabung2018_(c)Dezsi+Ziegler

(c) A. Dezsi und R. Ziegler

Vom 7.3. bis zum 21.3.2018 fand die dritte und vorerst letzte archäologische Untersuchung des ehemaligen Geländes der Freien Republik Wendland statt.

Was haben wir gemacht?

Wir (das Ausgrabungsteam) haben im Zentrum des Dorfbereiches eine archäologische Untersuchung durchgeführt und Bauüberreste einer Hütte freigelegt, welche wir auf höchstem Niveau zeichnerisch, fotografisch und dreidimensional durch Vermessungsgeräte dokumentiert haben. Dabei konnten wir aus den Luftbildern des Dorfgeländes entnehmen, wo einzelne Hütten gestanden haben. Gerne hätten wir auch das Freundschaftshaus untersucht – leider ist dieses aber durch die Tiefbohrstelle überbaut worden. Stattdessen haben wir eine Hütte nahe der ehemaligen Küche ausgewählt um unseren Schnitt anzulegen – also die Stelle, an der wir ausschnittsweise systematisch in den Boden graben und prüfen, was sich an der Stelle an Schichtabfolgen und Objekten im Boden archiviert hat.

Um einen solchen Schnitt anzulegen, graben wir vorsichtig mit Schaufeln, Kellen und Pinseln in regelmäßigen Abständen hinab und halten dabei jede beobachtbare Bodenstruktur fest – denn sobald etwas ausgegraben ist, lässt sich dies niemals wieder rückgängig machen: Daher gibt es immer nur den Moment, die Befunde zu sehen und festzuhalten – und dies muss nach professionellen Kriterien erfolgen, damit auch von zukünftigen Generationen nachvollzogen werden kann, was wir im Boden beobachten konnten.

Wer war dabei?

Ein Team aus sechs Studierenden von der Uni Hamburg, Uni Leipzig und der Hochschule für Bildene Künste Hamburg konnte dem eiskalten Wetter von bis zu -8°C, Bodenfrost und gelegentlichem Schneefall trotzen und die komplexen Feldarbeitsschritte vornehmen. Regelmäßig zu Besuch war das Filmteam der Wendländischen Filmkooperative, welche uns nicht nur filmisch begleitet hat, sondern auch die Besuche einzelner ZeitzeugInnen festgehalten hat. Die Begegnung der ZeitzeugInnen mit ihrer Geschichte war sehr bewegend, besonders als die Hütte freigelegt wurde.
Zu Besuch waren auch spontane Besuche und UnterstützerInnen, die uns warmen Tee und Essen vorbeigebracht haben! Auch der Deutschlandfunk war dabei und hat einen Beitrag hier veröffentlicht.

Was haben wir entdeckt?

Durch die sorgfältige Freilegung und Dokumentation konnten wir genau nachvollziehen, was für Ereignisse aufeinander gefolgt sind und im Boden archiviert waren. In dieser Kampagne konnten wir eine Hütte des Protestdorfes freilegen – ihre obere Hälfte wurde durch die Bulldozer zerstört und abgetragen. Dennoch waren in diesem Falle die Bulldozer auch das Glück für das ArchäologInnen-team: Die untere Hälfte der Hütte wurde durch die Planierarbeiten verfüllt und versiegelt. So konnte sich die Hütte erhalten – samt Wänden, Einrichtungsgegenständen, persönlichen und alltäglichen Objekten: Regale, Schlafplätze und Objekte zur Unterhaltung und Nahrungsaufnahme haben wir im Boden vorgefunden, genauso wie sie bei der Räumung vor 38 Jahren zurückgelassen wurden – ein konservierter Zeitmoment.

Wie geht es weiter?

Nach dem Abschluss der Feldarbeit steht nun die eigentliche Arbeit an. So werden u.a. die Funde gereinigt und in eine Datenbank aufgenommen, die Dokumentation wird digitalisiert und für das Denkmalamt verschriftlicht – nur so kann auch in Zukunft nachvollzogen werden, wie vorgegangen wurde und was für Befunde beobachtet wurden.

Diese Dokumentation ist dann die Grundlage für die eigentliche wissenschaftliche Arbeit – so kann die materielle Kultur in Detail untersucht und mit anderen erhobenen Quellen, wie Fotografien aus dem Gorleben Archiv und Interviews mit ZeitzeugInnen der Platzbesetzung gegenübergestellt werden. Es stellen sich derzeit noch viele Fragen: Wie sah der Alltag auf dem Camp aus den jeweiligen Quellenperspektiven aus? Sind die Ideen und Hoffnungen der DorfbewohnerInnen auf eine alternative Zukunft ohne Atomenergie in der Ausgrabung sichtbar oder nur in den Interviews zu fassen? Was bedeutet es, wenn sich die Alltagsobjekte auf dem Camp mit denen außerhalb des Camps ähneln? Welche Bedeutung hat der Fundort für die ZeitzeugInnen, die Region und die Anti-Atomgeschichte allgemein?

Die Ergebnisse und viele weitere Fragen sollen auf einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung im Wendland vorgestellt und diskutiert werden. Bis dahin seht noch viel Arbeit an – aber es wird spannend!

Wer hat uns geholfen?

Die Ausgrabung im Wendland wurde von vielerlei Seiten unterstützt. Die Kosten für die Unterkunft, den Leihtransporter und Diesel, Nahrungsmittel, Grabungsgeräte, Bautoilette und Verbrauchsmaterial für vier volle Arbeitswochen konnten nicht von mir allein getragen werden – nur durch die Unterstützung aus verschiedenen Seiten konnte die Ausgrabung verwirklicht werden.

Wir sind sehr dankbar für die Unterkunft im Tagungshaus Laase, das Fahrzeug des Büros für Angewandte Archäologie und die Toilette der Bürgerinitiative! Unterstützung haben wir durch Fördermittel der Graduiertenschule Geisteswissenschaften und der Universität Hamburg, durch einen Research Grant der Society for Post-Medieval Archaeology und durch Spenden an das Gorleben Archiv von Rebecca Harms sowie Pia und Hendrik Guzzoni aus Freiburg erhalten. Wir danken hier allen sehr ganz besonders auch für die unzähligen Kuchen und Tassen Kaffee der spontanen vielen Besucher der Ausgrabung!

Hamburg, 26.04.2018
Attila Dézsi und Maren Schlingmann

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