Forschungsprojekt zum „Bürgerdialog Kernenergie“ (1974 – 1983)

Forschungsvorhaben

Bürgerdialog Kernenergie (1974-1983) – Staatliches Handeln in der Auseinandersetzung um die nukleare Entsorgung und seine Bedeutung für das heutige Standortauswahlverfahren

Auftraggeber: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)

Laufzeit : 05/2020 – 04/2023

Auftragnehmer: IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung gemeinnützige GmbH, Berlin (Projektleitung) in Kooperation mit

DIALOGIK - gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung mbH, Stuttgart und dem Gorleben Archiv e.V. , Lüchow (beide als Unterauftragnehmer)

Projektbeschreibung:

Ein bisher kaum erforschter Faktor in den Auseinandersetzungen um die Atomenergie in der Bundesrepublik Deutschland ist der „Bürgerdialog Kernenergie“. Er wurde 1975 vom damaligen Bundesforschungsminister Hans Matthöfer als Reaktion der Bundesregierung auf den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen den Bau von Atomkraftwerken gestartet.

Das auf drei Jahre angelegte Forschungsvorhaben möchte den "Bürgerdialog Kernenergie" bzw. angrenzende Formate im Zeitraum zwischen 1974 und 1983 umfassend und interdisziplinär aufarbeiten, aus heutiger Sicht einordnen sowie der Frage nachgehen, ob und wie die gewonnenen Erkenntnisse für das gegenwärtige Standortauswahlverfahren nutzbar sind. Dabei werden geschichts-, politik-, kommunikations- und partizipationswissenschaftliche Perspektiven einbezogen. Betrachtet wird der Zeitraum von der Entstehung des Bürgerdialogs bis zur endgültigen Entscheidung für eine untertägige Erkundung des Salzstocks Gorleben. Im Rahmen des Projekts wird das Gorleben Archiv umfangreiche Recherchearbeiten in den eigenen Beständen und anderen freien und privaten Archiven durchführen sowie ergänzend Zeitzeugen interviewen. Veranstaltungen zum "Bürgerdialog Kernenergie" fanden in ganz Westdeutschland statt. Unsere Recherchen werden sich deshalb nicht nur auf den Standort Gorleben beschränken.

Auftraggeber des Projekts ist das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Das BASE ist Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren. Es soll die Grundlagen und Rahmenbedingungen dafür schaffen, wie Bürgerinnen und Bürger in die Standortsuche einbezogen werden können, um eine Lösung zu finden, die von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird. Als Hauptziel des Forschungsprojekts nennt das BASE deshalb auch, „sich die Stärken, Schwächen und Grenzen der damaligen Aktivitäten vor Augen zu führen und hieraus für die heutigen Aufgaben zu lernen“.

Aus Sicht des Gorleben-Archivs geht es bei dem Vorhaben um ein für die künftige Endlagersuche bedeutsames Thema. Das Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den für die Atompolitik verantwortlichen Institutionen sitzt tief und wird das Ringen um eine Lösung des Entsorgungsproblems noch lange überschatten. Die atomkritische Öffentlichkeit fordert deshalb seit Jahren eine historische Aufarbeitung des Atomkonflikts in Deutschland als Voraussetzung für einen glaubwürdigen Neuanfang bei der Standortsuche. Die wissenschaftliche Bearbeitung des „Bürgerdialog Kernenergie“ – einem der ersten staatlich geförderten Formate zur Bürgerbeteiligung in Deutschland überhaupt – kann dafür ein Baustein sein. Das Projekt kann dazu beitragen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und Kriterien für eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse werden öffentlich präsentiert.

Wie erwähnt, sind die Basis des Forschungsvorhabens umfangreiche Archivrecherchen. Dabei geht es nicht nur darum, die in den diversen Archiven verstreuten Materialien zum Bürgerdialog systematisch zu erfassen und quellenkritisch zu analysieren. Angesichts des fortgeschrittenen Alters vieler Zeitzeugen ist es auch von großem Interesse, durch Interviews relevantes Wissen über einen der großen gesellschaftlichen Konflikte in Deutschland für die Nachwelt zu sichern.

Die dafür nötige Arbeit kann aber von unserer Archivleiterin Birgit nicht neben ihren sonstigen Aufgaben geleistet werden. Die eigentliche wissenschaftliche Recherche wird deshalb Dominique Chasseriaud übernehmen, worüber wir uns sehr freuen. Dominique unterstützt das Gorleben Archiv seit Jahren als Mitglied des Beirats und Initiator von Projekten. Unter anderem hat er die Digitalisierung unserer Poster-Bestände und deren Aufnahme als niedersächsisches Kulturerbe initiiert.

Die Arbeit ist inzwischen abgeschlossen und wird demnächst auf einer Veranstaltung öffentlich vorgestellt und diskutiert. Sie ist aber jetzt schon auf der Webseite des BASE abrufbar.