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Wir trauern um Wilhelm Kulke

Wir trauern um

Wilhelm Kulke

Er führte den Bürgerdialog von 1979 bis 1983 auf Augenhöhe und war stets wichtiger Ansprechpartner für die regionalen Anti-Atom-Initiativen.
Aus dieser konstruktiven Zusammenarbeit entstanden lebenslange Freundschaften.

Wir danken ihm für die aktive Unterstützung unserer Vereine.

Gorleben Archiv e.V.
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V.

Nachruf auf Wilhelm Kulke
Umweltschützer, Moderator, Vertrauensperson

Wir trauern um unser Mitglied Wilhelm Kulke, der am 6. September im Alter von 84 Jahren gestorben ist. Kulke war von 1979 bis 1983 Leiter der Informationsstelle für nukleare Entsorgung des Bundes in Lüchow. In dieser Funktion hat er an einem Kapitel der deutschen Demokratiegeschichte mitgeschrieben. Der DGB-Umweltexperte und Forstamtsrat sollte am Standort Gorleben den „Bürgerdialog Kernenergie“ organisieren, den das Bundesforschungsministerium (BMFT) Mitte der 1970er-Jahre als Reaktion auf den wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen die Atomkraft gestartet hatte. Es war der erste Bürgerdialog in Deutschland überhaupt. Als Vertreter des Staates wurde Kulke in der Protestbewegung zunächst misstrauisch beäugt. Doch während seiner vierjährigen Amtszeit entwickelte er sich zu einem wichtigen Ansprechpartner für die Anti-Atom-Initiativen vor Ort. Er galt als ein persönlich vertrauenswürdiger Akteur, der bestimmte Prinzipien des Bürgerdialogs wie die Einbeziehung der Kritikerseite und ihrer Argumente glaubhaft vertrat.

Über die Stellenbesetzung hatte es damals Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesforschungsminister Reinhard Hauff (SPD) und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) gegeben. Kulke selbst erinnerte sich 2020 in einem Zeitzeugeninterview mit dem Gorleben Archiv: „Albrecht hat sich dagegen gewehrt. Er wollte nicht einen Förster, sondern einen Kernphysiker dort haben.“ Aber Hauff setzte seinen Kandidaten durch, weil er – wie sich Kulke erinnerte – vor allem jemand brauchte, „der mit den Leuten reden kann“. Und damit lag er richtig. Der fachfremde, aber in der Region gut vernetzte Kulke nahm die Rolle des Moderators zwischen Staat und besonders der atomkritischen Zivilgesellschaft mit großer Überzeugung wahr. Sein Ziel war es, einen wissenschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Kulke glaubte an das Konzept, durch öffentliche Pro- und Kontra-Veranstaltungen ein möglichst breites Publikum zu erreichen, und setzte es mit großem Engagement um. Dabei hatte er durchaus einige Erfolge vorzuweisen. So wurden zwischen 1981 und 1983 auf drei großen öffentlichen Anhörungen in Lüchow-Dannenberg die Zwischenergebnisse der Salzstockerkundung debattiert. Erst auf dieser Grundlage sollte darüber entschieden werden, ob im Gorlebener Salzstock ein Bergwerk gebaut werden würde oder nicht. So jedenfalls hatten es die Politiker den Bürgerinitiativen zugesagt. Dabei gelang es Kulke zumindest teilweise, auch die Bürgerinitiativen und ihre Experten mit einzubinden. Die betrachteten die Pro- und Kontra-Veranstaltungen als eine Chance, sich nicht nur mit der Gegenseite auszutauschen, sondern ihre Argumente und Forderungen auch möglichst öffentlichkeitswirksam zu verbreiten und so den Druck auf die politischen Entscheidungsträger zu erhöhen.

Schon bei der ersten Tagung kam heraus, dass über dem Salzstock eine durchgehende Tonschicht fehlte und großflächig Kontakt zum Grundwasser bestand. Daraufhin empfahlen namhafte Geologen aus beiden Lagern, auch andere Salzstöcke zu untersuchen. Doch die staatliche Seite setzte sich über alle wissenschaftlichen Zweifel hinweg. Als schließlich klar wurde, dass die Entscheidung für eine untertägige Erkundung in Gorleben längst gefallen war, stieg die Bürgerinitiative Ende 1982 aus dem Dialogprozess aus. Damit war das Projekt Bürgerdialog am Standort Gorleben gescheitert, wie auch Kulke im Zeitzeugeninterview später bedauerte. Enttäuscht beendete der Umweltexperte 1983 seine Arbeit in Lüchow-Dannenberg und wendete sich neuen beruflichen Aufgaben zu.

Privat und auch politisch blieb der in der Nähe von Hannover ansässige Kulke dem Wendland aber zeitlebens verbunden. Aus der Zusammenarbeit mit den Kritiker:innen der in Gorleben geplanten Atomanlagen waren teilweise echte Freundschaften entstanden. Und bis zuletzt hat er die Bürgerinitiative und das Gorleben Archiv aktiv unterstützt. Erst kürzlich hat er uns seinen umfangreichen privaten Fotobestand aus den frühen Jahren des Gorleben-Widerstands überreicht. Dafür danken wir ihm.

Gabi Haas

 

Dezember 2023: Wilhelm Kulke übergibt dem Gorleben Archiv vier Alben mit Bildern aus den frühen Protestjahren.
v.l.n.r.: Andreas und Anna v. Bernstorff, Fritz v. Blottnitz, Gabi Haas, Wilhelm Kulke, Jörg Janning

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