Der Betonblock von 2001

Eine nette Zusendung erreichte uns kürzlich: Ein Foto von einem Betonblock, der sich 17 Jahre nach der vielleicht historischen „Süschendorf-Blockade“ immer noch an der ehemaligen Castorschiene.

Heute wachsen dort Bäume, wo sich vor fast zwei Jahrzehnten vier Aktivist*innen mit einem Arm im Gleisbett anketteten und den Atommülltransport nach Gorleben um fast 20 Stunden verzögerten.

„Die Bäumchen, ein Zeichen für das wachsende immergrüne Leben“, resümiert der Fotografin.

Wie kaum eine andere Aktion die vorher stattgefunden hatte, setzte diese Akzente in der medialen Berichterstattung – negative als auch positive. Und es war wohl das erste Mal, dass der Castor gezwungen wurde, auf seinem Weg nach Gorleben wieder rückwärts zu fahren. Nach der Räumung wurde der Betonblock offensichtlich aus dem Gleisbett gehoben, an die Seite gelegt und die Schiene wieder passierbar gemacht. Das tonnenschwere Teil liegt – nicht ganz vergessen – bis heute im Wald bei Süschendorf. Allerdings kurz vor Leitstade, wenn man aus Richtung Lüneburg kommt… also ein ganz schönes Stück weg von der Blockadestelle. Wollten sie den Block zwischen Bäumen verstecken? Er ist schwer zu entdecken…

Rückblick: 27./28. März: Der Betonblock von Süschendorf

27. März 2001 - Betonklotz von Süschendorf, Bild: Hinrich Schultze / hinifoto27. März 2001 – Vier AtomkraftgegnerInnen – drei WendländerInnen und ein Aktivist von Robin Wood – gelingt es gegen 22.00 Uhr, bei Süschendorf an die Schiene zu blockieren: Jeweils ein Arm steckt angekettet in einem Rohr, das unter den Schienen in einem Betonklotz führt. Daneben hat sich ein Aktivist mit einem Rohr an die Gleise gekettet.

Gegen 22.30 Uhr erreicht der Castor die Blockade. Stundenlang werden weder Journalisten noch Ärzte zu der Aktion durchgelassen.

Gegen 11.00 Uhr ist es der Polizei gelungen, zwei der vier AktivistInnen in Süschendorf aus dem Betonblock zu lösen. Wegen Unterkühlung kommt ein Aktivist ins Krankenhaus.

Gegen 11.30 Uhr wird ein Reparaturzug, der auf dem Weg nach Neetzendorf ist, von AtomkraftgegnerInnen in Lüneburg blockiert.

Gegen 13.15 Uhr löst die Polizei die dritte Person aus dem Betonblock.

„Der nur mit massivem Polizeieinsatz durchsetzbare CASTOR-Transport dient als Türöffner für weitere Transporte in die französische Wiederaufarbeitungsanlage La Hague“, kommentiert Bettina Dannheim, Energiereferentin von ROBIN WOOD, die Aktion. „Der Transport sichert der Atomindustrie den ungestörten Weiterbetrieb. Fände er nicht statt, würde einigen Atomkraftwerken die Abschaltung drohen.“

Gegen 14.00 Uhr wird der letzte Blockierer sind aus dem Betonklotz herausgeschnitten. Auf der gesamten weiteren Strecke Richtung Dannenberg finden größere und kleinere Blockaden statt.

„Die Atommülltransporte ins Wendland sind politisch nicht durchsetzbar, wir erleben erneut den Ausnahmezustand“, so Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz in einer Zwischenbilanz.

Um 16.50 Uhr verlässt der Atommüll-Zug den Bahnhof von Dahlenburg und setzt seine Fahrt nach Dannenberg mit mehr als 20 Stunden Verspätung fort. In Seerau stehen sich 500 AtomkraftgegnerInnen und eine große Anzahl Polizei gegenüber.

Nach etlichen weiteren, kleineren Verzögerungen erreicht der Castortransport um kurz vor 19.30 Uhr den Verladebahnhof Dannenberg-Ost.

Das juristische Nachspiel

Am 17. Dezember wird bekannt, dass von den BlockiererInnen von Süschendorf fast 167 000 Mark gefordert wird. Den größten Anspruch meldet die Bahn-Tochter Nuclear Cargo+Service an.

2002 wird das Verfahren gegen die Aktivistin Marie vom Amtsgericht Dannenberg eingestellt. Die Schülerin muss 50 Stunden in einem Dannenberger Krankenhaus arbeiten. Sie erklärt vor Gericht, sie habe sich für diese „gewaltfreie, aber bewusst auffallende Art des Protests“ entschieden, um auf die gefährlichen Atommülltransporte aufmerksam zu machen. Wer im Wendland lebe, könne davor nicht die Augen verschliessen. Sie habe zum Umdenken aufrufen und zeigen wollen, dass ihre Generation nicht ausnahmslos gleichgültig sei, sondern sich engagiere, betonte die Schülerin in einer Erklärung.

Das Landgericht Lüneburg verurteilt 2003 im Berufungsprozeß die vier anderen Beteiligten zu Geldstrafen zu 35 und 40 Tagessätzen. Verurteilt werden sie nach Paragraf 316b, den öffentlichen Betrieb der Bahn gestört zu haben – ein Paragraf, den der Gesetzgeber für gemeingefährliche Sabotageakte vorgesehen hat. Im Oktober 2003 legen die Aktivisten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Anfang 2005 entscheidet das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht, dass die Aktivisten die Kosten des Polizeieinsatzes nicht bezahlen müssen. 2007 scheitert auch das Technische Hilfswerk (THW) mit dem Versuch, den Atomkraftgegnern die Kosten für die Auflösung der Blockade aufzudrücken.

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