Promotionsprojekt startet: Archäologische Erforschung der Freien Republik Wendland

Diashow_v06_Seite_27Im Mai 1980 lebten mehr als 800 Personen vier Wochen lang nahe Gorleben (Niedersachsen) im Protestcamp „Freien Republik Wendland“ und verhinderten so Bohrungen für das geplante Atommüll-Endlager im nahegelegenen Salzstock. Die Räumung des Lagers gegen den passiven Widerstand der Bewohnerinnen und Bewohner war der größte Polizeieinsatz der Nachkriegsgeschichte.

Im Rahmen seines zweijährigen Promotionsstipendiums der Graduiertenschule Geisteswissenschaften der Universität Hamburg wird der Doktorand Attila Dézsi die Hinterlassenschaften der Freien Republik Wendland nun archäologisch untersuchen.

In dem Projekt soll rekonstruiert werden, wie das Camp aufgebaut war und vor allem, wie der Alltag dort aussah.

„Ich werde erstmalig im deutschsprachigen Raum eine Erforschung der Alltagskultur des späten 20. Jahrhunderts durchführen“, erklärt Dézsi, der für das Projekt eng mit dem „Gorleben Archiv“ kooperiert.

Methodisch ist eine Kombination aus verschiedenen Verfahren vorgesehen:

  • Phase 1 (Oktober bis Frühjahr 2017): Fotografien und Schriftquellen des Ereignisses werden analysiert. Zudem sollen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in Befragungen dazu angeleitet werden, aus ihren Erinnerungen eine Skizze des Camps zu zeichnen und vom Alltagsleben auf dem Camp zu erzählen. Hierdurch soll eine Rekonstruktion des Aufbaues und der Ausmaße des Camps ermöglicht werden.
  • Phase 2 (Frühjahr 2017): auf dem Gelände der „Freien Republik Wendland“ wird aus den Ergebnissen der 1. Phase sowie mit modernen geophysikalischen Prospektionstechniken eine Verdachtsfläche ermittelt, die für Ausgrabungen zur Rekonstruktion des Camp-Alltages besonders relevant sein könnte.
  • Phase 3 (Sommer 2017): Grabungen, geplant ist auch ein Pressetag mit öffentlicher Grabung
  • Phase 4 (Herbst 2017, 2018): Fundauswertung und Interpretation

„Trotz der groben oberflächlichen Räumung des Camps haben sich vermutlich tiefere Baueingriffe von größeren Hütten und Türmen sowie aufgelassene Kleinfunde erhalten“, beschreibt Dézsi die Situation an der Grabungsstätte.

Für die Auswertung und Einordnung der Funde setzt der Doktorand auf den Ansatz der „Community Archäologie“, d. h. die Bevölkerung und vor allem Zeitzeugen der Bewegung werden in regelmäßigen Abständen in den Forschungsprozess einbezogen, um bestehende Ergebnisse und Vorgehen zu diskutieren und eigene Prioritäten einzubringen. Besonders die Präsentation und Nutzung der historischen Erkenntnisse solle in enger Absprache erfolgen.

Eine weiterer besonderer Aspekt des Projektes wird sein, dass es sich beim Forschungsgegenstand nicht um eine abgeschlossene Vergangenheit handelt: Ein endgültiger Ausschluss der Salzlagerstätte nahe Gorleben als Endlager für Atommüll ist seitens der Politik nicht vollzogen.

„Es wird interessant zu beleuchten, wie sich der Wunsch der Aktiven, nicht Geschichte zu werden, mit dem gleichzeitigen Bestreben, didaktische Wege für eine Erinnerungskultur zu finden, vereinbaren lässt und welche Rolle die Archäologie dabei spielen kann“, so Dézsi.

Für Rückfragen:

  • Attila Dézsi M.A.
    Universität Hamburg
    Archäologisches Institut
    attila.dezsi@gmx.de
  • Ansprechpartner Gorleben Archiv
    gorlebenarchiv@t-online.de

Presseerklärung Attila Dézsi / Uni Hamburg, 27.10.2016

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